Interviews mit deutschen Juristen
   1. Reinhardt Wever, Richter am Amtsgericht Bremen
   Frage: Herr Wever, Sie sind hier am Amtsgericht in Bremen. Und Ihrem Alter nach zu schliessen, sind Sie aber noch nicht seit Urzeiten hier. Darf ich Sie mal fragen, wie Ihr Studium abgelaufen ist?
   Mein Studium ist in vier Etappen abgelaufen. Ich habe In Bonn angefangen zu studieren, dann in Freiburg weitergemacht. In Lausanne war ich ein Semester und habe schliesslich in Göttingen Examen gemacht und bin dann, das war im Jahre 1975, nach Bremen gekommen, um hier die zweijährige Referendarzeit zu machen.
   Frage: Haben Sie sich Bremen ausgesucht für Ihre Referendarzeit? Oder wurde Ihnen das zugeteilt?
   Nee, das habe ich mir ausgesucht. Das hatte persönliche Gründe, warum ich hierher wollte.
   Frage: Und wie lange hat dann also Ihre Ausbildung insgesamt gedauert?
   Also, das Studium selbst hat zehn Semester, d.h. fünf Jahre etwa gedauert. Und die Referendarzeit nochmal zwei Jahre, plus Prüfungsphase. Das sind insgesamt knapp zweieinhalb Jahre. Also, man kann sagen, insgesamt rund siebeneinhalb Jahre.
 
   2. Dr. Hans Wrobel, Abteilungsleiter beim Senator für Justiz und Verfassung in Bremen
   Frage: Herr Dr. Wrobel, wie ist Ihre Ausbildung verlaufen?
   Ich habe seit 1965 an den Universitäten Tübingen, Giessen und Marburg studiert. Das Erste Juristische Staatsexamen habe ich 1970 in Frankfurt am Main abgelegt. Danach war ich zwei Jahre lang Assistent an der Universität Giessen. Anschliessend habe ich hier in Bremen promoviertüber ein rechtshistorisches Thema. Ich habe hier in Bremen auch den Referendardienst gemacht. Einen Teil davon habe ich in Paris bei einem Rechtsanwalt absolviert. Referendardienst, das ist der Vorbereitungsdienst, der sich an die Erste Juristische Staatsprüfung anschliesst und mit der Zweiten Juristischen Staatsprüfung endet.
 
   3. Prof. Dr. Helmut Heinrichs, Präsident des Oberlandesgerichts Bremen
   Frage: Herr Professor Heinrichs, wie sind Sie Jurist geworden?
   Ich bin 1928 in Bremen geboren. Meine Vorfahren waren Handwerker und Seeleute. Als erster in meiner Familie habe ich ein Gymnasium besucht. Bei Kriegsende war ich 17 Jahre alt. 1948 habe ich in Bremen das Abitur abgelegt. Eigentlich wollte ich Gymnasiallehrer werden. Meine Lieblingsfächer in der Schule – Deutsch und Mathematik – passten aber nicht recht zueinander. Auf Anraten meines Lateinlehrers habe ich mich dann für ein Jurastudium entschieden.
   Von 1948 bis 1952 habe ich an der Universität Kiel Rechts– und Staatwissenschaften studiert. Nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen im Jahre 1952 habe ich den Referendardienst in Bremen begonnen. Dieser Referendardienst, der praktische Teil der Juristenausbildung, dauerte damals dreieinhalb Jahre. Anfang 1956 habe ich die Zweite Juristische Staatsprüfung abgelegt und bin dann in den Richterdienstübergetreten. Seit 1956, also 34 Jahren, bin ich Richter in Bremen.
 
   4. Erste Erfahrung eneines Referendars
   (Reinhardt Wever, Richter am Amtsgericht Bremen)
   Die Staatsanwaltschaftstätigkeit war meine erste Station. Und – das war auch eine besonders spannende Situation. Erstens natürlich, weil ich Berufsanfänger war.Und vielleicht beschreibe ich mal kurz, worin meine Tätigkeit bestand.
   Der Staatsanwalt hat ja das Ermittlungsverfahren, das von der Polizei in der Regel angeleiert wird, einer Entscheidung zuzuführen. Das heisst, er muss, wenn eine Straftat passiert ist, die Hintergründe ermitteln; versuchen, den Starftäter ausfindig zu machen und den dann anschliessend bei Gericht anzuklagen. Und diese Ermittlungstätigkeitet, das ist also eine reine Aktentätigkeitet, Schreibtischtätigkeit. Man veranlasst, dass Zeugen vernommen werden; man holt unter Umständen Sachverständigengutachten ein, beispielsweise zur Blutgruppe. Und diese Ermittlungstätigkeit endet mit der Entscheidung des Staatsanwalts, entweder einen Beschuldigten anzuklagen – also eine Anklageschrift zu verfassen und die bei Gericht einzureichen – oder aber das Ermittlungsverfahren einzustellen.
   Frage: Kann man das mengenmässig festlegen, etwa welcher Teil dieser Fälle dann bis zur Anklage kommt und wie viele schon vorher niedergeschlagen werden?
   Also es gibt mit Sicherheit Statistiken darüber. Die sind mir allerdings jetzt nicht bekannt. Wenn ich mal eine Schätzung abgebe aus meiner Tätigkeit, würde ich sagen, dass die Mehrzahl dre Fälle eingestellt wird. Und zwar werden die zum Teil eingestellt, weil der Beschuldigte nichtüberführt werden kann, und zum Teil aber auch wegen Geringfügigkeit oder gegen Zahlung von freiwilligen Geldbussen an irgendwelche gemeinnützigen Einrichtungen in Fällen, die Bagatellfälle sind. Und wenn man die Fälle alle zusammenzählt, die eingestellt werden, dann ist das – würde ich doch sagen: Die weitüberwiegende Mehrzahl der Fälle von Ermittlungsverfahren werden nicht angeklagt bei den Gerichten.
   Frage: Und hach der Ermittlungstätigkeit nun: Wie sieht die Tätigkeit des Staatsanwalts danach aus?
   Ja, der spannendste Moment ist dann, wenn der Staatsanwalt oder jedenfalls der junge Staatsanwalt, der ich ja damals war, in der Hauptverhandlung vor Gericht auftreten und seine Fälle dort vertreten muss. Da ist man also dann zum ersten Mal in der Situation – ich damals als, was weiss ich, junger Sieben– oder Achtundzwanzigjährigen – im der Situation, in eineröffentlichen Verhandlung eine Straftat anzuklagen, ein Plädoyer halten zu müssen. Das sind Dinge, die ich damals als sehr aufregend empfunden habe. Erstens, weiless ohnehin für einen Anfänger eine aufregende Situation ist. Zum andern kam bei mir allerdings auch noch hinzu, dass mir das auch Probleme gemacht hat, weil ich mir nicht immer sicher war, ob das gut ist, was ich da mache.
 
   5. Juristen als Hochschullehrer
   (Dr. Volkmar Gessner, Professor am Zentrum für Europäische Rechtspolitik «ZERP» an der Universität Bremen)
 
   Frage: Herr Professor Gessner, wie wird man in Deutschland Hochschullehrer?
   Das ist in Deutschland ein recht langer Weg. Man muss zunächst sich promovieren, was etwa drei Jahre in Anspruch nimmt. Man istüblicherweise in der Zeit Hochschulassistent. Und in der Folge muss man eine Habilitationsschrift schreiben, was etwa vier bis fünf Jahre in Anspruch nimmt. Dann ist man Privatdozent und wartet auf einer Ruf. Das kann gleich erfolgen, kann aber zehn Jahre dauern, bis man den Ruf bekommt auf einen Lehrstuhl. Im Augenblick sind Wissenschaftler, die einen Ruf bekommen, etwa 40 Jahre alt.
   Frage: Ist der Beruf eines Hochschullehrers in Deutschland für Juristen ein erstrebenswerter Beruf?
   Ja, nicht nur für Juristen. Das ist in Deutschland allgemein sehr attaktiv. Die Positionen sind gut bezahlt und sind mit einem hohen Prestige behaftet. Ein Professor in Deutschland ist immer noch fast an der Spitze der Prestigeskala. Insofern ist das ein durchaus attraktiver Beruf, auch finanziell, weil man neben dem ohnehin schon hohen Gehalt noch weitere Einkünfte hat, vor allem in den Naturwissenschaften: als Sachverständiger, als Gutachter. Aber das gilt auch für juristische Hochschullehrer.
   Frage: Wie viele weibliche Hochschullehrer gibt es unter den Juristen in Deutschland?
   Eine sehr peinliche Frage für jeden männlichen Hochschullehrer. Wir haben es durch irgendwelche Mechanismen geschafft, dass etwa 95 % der Hochschullehrer Männer sind. Ich schätze die Zahl der weiblichen Hochschullehrer auf höchstens 5 %. Das sind Zahlen für die juristischen Fakultäten. In anderen Fakultäten dürfte der Anteil der weiblichen Hochschullehrer erheblich höher sein.
   Frage: Welchen Lehrstuhl haben Sie nun selbst inne?
   Ja, jeder Lehrstuhl hat eine bestimmte Bezeichnung. Die richtet sich danach, welche Lehrbefugnis man im Habilitationsverfahren erworben hat. In meinem Fall ist das ein Lehrstuhl für Rechtssoziologie und Rechtsvergleichung.
   Frage: Sind sie selbst Jurist?
   Ja, ich bin Jurist und Soziologe. Ich habe beide Studien vollständig absolviert.
   Frage: Hat ein Jurist, der an einer Hochschule lehrt, praktische Erfahrung?
   Das ist eiderüblicherweise nicht der Fall. Junge Juristen bleiben nach dem Studium an der Universität als Assistent, sind dann voll beschäftigt mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit als Habilitationsschrift und bekommen dann mehr oder weniger bald einen Lehrstuhl. Eine praktische Erfahrung haben Juristen allenfalls in der Referendarzeit, wo sie für zwei Jahre verschiedene Praxisstationen durchlaufen. Aber sie haben, wenn sie Hochshullehrer werden, nie einen praktischen juristischen Beru ausgeübt. In meinem Fall war das etwas anders. Ich war zwei Jahre Rechtsanwalt und anderthalb Jahre als Richter tätig.

Thema 2
Funktionen des Rechts

   Text 1: Der Bundesrepublik Deutschland
   Text 2: Das Recht sichert den Frieden
   Text 3: Das Recht gewährleistet die Freiheit
   Text 4: Das Recht regelt die privaten Rechtsbeziehungen
   Text 5: Das Recht gestaltet die Gesellschaft
 
   Grammatik:
   1. Сложноподчиненные предложения
   2. Причастие II в функции определения
   3. Инфинитивные группы (повторение)
   4. Страдательный залог (повторение)

Text 1. Der Bundesrepublik Deutschland

   In der Bundesrepublik Deutschland leben die Menschen friedlich zusammen. Es herrschen Recht und Gesetz, wenn es auch keine perfekte Sicherheit vor dem Verbrechen gibt.
   Das ist keineswegs selbstverständlich. In vielen Ländern der Welt herrschen keine rechtsstaatlichen Verhältnisse. In einigen Staaten hat sich die Rechtsordnung förmlich aufgelöst. In sinnlosen Kriegen wird keine Rücksicht auf die wehrlose Zivilbevölkerung genommen. Frauen, Kinder und alte Menschen werden vertrieben, terrorisiert oder getötet.
   Das war in früheren Jahrhunderten in Europa nicht anders. Das ganze Mittelalter war gekennzeichnet durch Friedlosigkeit, der die «Friedensbewegungen» jener Zeit, die Gottesfriedensbewegung und die Landfriedensbewegung, nur mit geringem Erfolg entgegenzuwirken vermochten. Die Erfahrungen der mörderischen Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts führten schliesslich zu der Einsicht, dass die Wahrung des Friedens die wichtigste Aufgabe des Gemeinwesens ist und dass allein der Staat die Befugnis zur Gewaltausübung haben darf. Das staatliche Gewaltmonopol ist ein Wesensmerkmal des neuzeitlichen Staates. Später trat die Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz hinzu. Beide zusammen begründen den Rechtsstaat.
Слова к тексту
   Sicherheit f =, -en – безопасность
   perfekt – 1. совершенный; 2. законченный
   Verhältnis n – ses, – se – 1. соотношение, пропорция; 2. pl. условия, обстоятельства
   auflösen, sich – разрешаться; совершаться; осуществляться
   Rechtsordnung f =, -en – правопорядок
   Rücksicht f =, -en – внимание, уважение
   auf etw. (A) Rücksicht nehmen (a; o) – принимать что-либо в расчет, учитывать что-либо
   vertreiben (ie; ie) – прогонять, изгонять
   vermögen (vermochte, vermocht) – быть в состоянии, мочь
   entgegenwirken (D) – противодействовать (чему-либо); бороться (с чем-либо)
   zur Einsicht führen – привести к убеждению
   Gemeinwesen n – s, = – общественность
   Gewalt f =, -en – 1. власть; 2. сила
Лексико-грамматические упражнения
   1. Переведите слова с общим компонентом:
   – das Recht, die Rechtsordnung, der Rechtsstaat, rechtsstaatlich;
   – die Gewalt, die Staatsgewalt, das Gewaltmonopol, die Gewaltausübung, die Gewaltpolitik, das Gewaltverbot, das Gewaltverhältnis, gewaltsam;
   – der Frieden, die Friedensbewegung, die Gottesfriedensbewegung, die Landfriedensbewegung, die Friedlosigkeit, friedlich.
 
   2. Переведите словосочетания:
   rechtsstaatliche Verhältnisse, die sinnlosen Kriegen, das ganze Mittelalter, die Friedensbewegungen jener Zeit, die mörderischen Religionskriege, die Wahrung des Friedens, das geringe Erfolg, die wichtigste Aufgabe des Gemeinwesens, die wehrlose Zivilbevölkerung, die Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz.
 
   3. Переведите следующие глаголы и укажите их основные формы:
   herrschen, geben, sich auflösen, nehmen, vertreiben, töten, terrorisieren, kennzeichnen, entgegenwirken, vermöchten, hinzutreten, begründen.
 
   4. Выпишите из текста глагольные конструкции в страдательном залоге.
 
   5. Укажите эквиваленты:
   1) keine perfekte Sicherheit vor dem Verbrechen geben
   2) friedlich zusammenleben
   3) keine Rücksicht auf die wehrlose Zivilbevölkerung nehmen
   4) durch Friedlosigkeit gekennzeichnet werden
   5) mit geringem Erfolg entgegenwirken
   6) zur Einsicht führen
   7) die wichtigste Aufgabe des Gemeinwesens sein
   8) die Befugnis zur Gewaltausübung haben
   9) den Rechtsstaat begründen
   10) die Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz hinzutreten
   ______________________
   a) характеризоваться отсутствием мира
   b) добавить зависимость государственной власти от закона
   c) противодействовать чему-либо с ограниченным успехом
   d) быть важнейшей задачей общественности
   e) мирно сосуществовать
   f) заложить основы правового государства
   g) не обеспечивать совершенной защиты от преступления
   h) привести к убеждению
   i) иметь полномочие на применение силы
   j) не принимать в расчет безоружное гражданское население
 
   6. Переведите сложноподчиненные предложения, указывая подчинительные союзы, подлежащие и сказуемые придаточных предложений.
   1) Im Alltagsverständnis meint der Begriff «Rechtsstaat» ganz allgemein einen Staat, in dem das Recht gilt und nicht das Unrecht herrscht.
   2) Nachdem sich das Rechtsstaatsprinzip im Laufe der Zeit in zahlreichen rechtlichen Bestimmungen konkretisiert hatte, nahm das Grundgesetz das Wort "Rechtsstaat" in den Verfassungstext auf.
   3) Ein wichtiger Element eines Rechtsstaates ist die Gewährleistung der Grundrechte, die die gleiche Freiheit aller Bürger festlegen.
   4) Das Grundgesetz sagt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht.
   5) Die Rechtsnormen legen nicht nur fest, wie man handeln oder nicht handeln soll, sondern sie bestimmen auch, welche Folgen eintreten sollen, wenn jemand etwas getan oder nicht getan hat.
 
   7. Найдите в тексте сложноподчиненные предложения. Назовите союз придаточного предложения и укажите подлежащее и сказуемое. Предложения переведите.
Задания к тексту
   1. Выполните сплошной перевод текста и подберите подходящее название.
 
   2. Ответьте на следующие вопросы:
   1) Wie leben die Menschen in der BRD zusammen?
   2) Gibt es in der BRD perfekte Sicherheit vor dem Verbrechen?
   3) Wie leidet (страдает) die Zivilbevölkerung durch den Krieg?
   4) Wodurch war das ganze Mittelalter gekennzeichnet?
   5) Zu welcher Einsicht führten das Gemeinwesen die Erfahrungen der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts?
   6) Was wurde zu einem Wesensmerkmal des neuzeitlichen Staates?
   7) Was begründet den Rechtsstaat zusammen?
 
   3. Дополните предложения подходящими словами и словосочетаниями и переведите их.
   1) In der BRD leben die Menschen… zusammen und herrschen… und Gesetz.
   2) Aber es gibt noch keine perfekte… vor dem Verbrechen.
   3) In vielen Ländern der Welt herrschen keine… Verhältnisse.
   4) In sinnlosen Kriegen wird keine… auf die wehrlose Zivilbevölkerung genommen.
   5) Die Wahrung des Friedens ist das wichtigste Aufgabe…
   6) Der Staat allein darf… haben.
   7) Das staatliche… ist ein Wesensmerkmal des neuzeitlichen Staates.
   8) Das staatliche Gewaltmonopol und die Bindung der Staatsgewalt an das… begründen den…
   
Конец бесплатного ознакомительного фрагмента