weggenommen. Einer ist entronnen, Euch's anzusagen.

Abt. Eine Hiobspost.

Olearius. Es tut mir von Herzen leid.

Bischof. Ich will den Knecht sehn, bringt ihn herauf - Ich will ihn
selbst sprechen. Bringt ihn in mein Kabinett. (Ab.)

Abt (setzt sich). Noch einen Schluck.

(Die Knechte schenken ein.)

Olearius. Belieben Ihro Hochwurden nicht eine kleine Promenade in den
Garten zu machen? Post coenam stabis seu passus mille meabis.

Liebetraut. Wahrhaftig, das Sitzen ist Ihnen nicht gesund. Sie kriegen.
noch einen Schlagflu?.

Abt (hebt sich auf).

Liebetraut (vor sich). Wann ich ihn nur drau?en hab, will ich ihm furs
Exerzitium sorgen.

(Gehn ab.)

Jagsthausen
Maria. Weislingen.

Maria. Ihr liebt mich, sagt Ihr. Ich glaub es gerne und hoffe, mit Euch
glucklich zu sein und Euch glucklich zu machen.

Weislingen. Ich fuhle nichts, als nur da? ich ganz dein bin. (Er umarmt
sie.)

Maria. Ich bitte Euch, la?t mich. Einen Ku? hab ich Euch zum
Gottespfennig erlaubt; Ihr scheint aber schon von dem Besitz nehmen zu
wollen, was nur unter Bedingungen Euer ist.

Weislingen. Ihr seid zu streng, Maria! Unschuldige Liebe erfreut die
Gottheit, statt sie zu beleidigen.

Maria. Es sei! Aber ich bin nicht dadurch erbaut. Man lehrte mich:
Liebkosungen sein wie Ketten, stark durch ihre Verwandtschaft, und Madchen,
wenn sie liebten, sein schwacher als Simson nach Verlust seiner Locken.

Weislingen. Wer lehrte Euch das?

Maria. Die Abtissin meines Klosters. Bis in mein sechzehntes Jahr war
ich bei ihr, und nur mit Euch empfind ich das Gluck, das ich in ihrem Umgang
geno?. Sie hatte geliebt und durfte reden. Sie hatte ein Herz voll
Empfindung! Sie war eine vortreffliche Frau.

Weislingen. Da glich sie dir! (Er nimmt ihre Hand.) Wie wird mir's
werden, wenn ich Euch verlassen soll!

Maria (zieht ihre Hand zuruck). Ein bi?chen eng, hoff ich, denn ich
wei?, wie's mir sein wird. Aber Ihr sollt fort.

Weislingen. Ja, meine Teuerste, und ich will. Denn ich fuhle, welche
Seligkeiten ich mir durch dies Opfer erwerbe. Gesegnet sei dein Bruder, und
der Tag, an dem er auszog, mich zu fangen!

Maria. Sein Herz war voll Hoffnung fur ihn und dich. >Lebt wohl!< sagt'
er beim Abschied, >ich will sehen, da? ich ihn wiederfinde.<

Weislingen. Er hat's. Wie wunscht ich, die Verwaltung meiner Guter und
ihre Sicherheit nicht durch das leidige Hofleben so versaumt zu haben! Du
konntest gleich die Meinige sein.

Maria. Auch der Aufschub hat seine Freuden.

Weislingen. Sage das nicht, Maria, ich mu? sonst furchten, du
empfindest weniger stark als ich. Doch ich bu?e verdient; und welche
Hoffnungen werden mich auf jedem Schritt begleiten! Ganz der Deine zu sein,
nur in dir und dem Kreise von Guten zu leben, von der Welt entfernt,
getrennt, alle Wonne zu genie?en, die so zwei Herzen, einander gewahren! Was
ist die Gnade des Fursten, was der Beifall der Welt gegen diese einfache
Gluckseligkeit? Ich habe viel gehofft und gewunscht, das widerfahrt mir uber
alles Hoffen und Wunschen.

(Gotz kommt.)

Gotz. Euer Knab ist wieder da. Er konnte vor Mudigkeit und Hunger kaum
etwas vorbringen. Meine Frau gibt ihm zu essen. So viel hab ich verstanden:
der Bischof will den Knaben nicht herausgeben, es sollen Kaiserliche
Kommissarien ernannt und ein Tag ausgesetzt werden, wo die Sache dann
verglichen werden mag. Dem sei, wie ihm wolle, Adelbert, Ihr seid frei; ich
verlange weiter nichts als Eure Hand, da? Ihr ins kunftige meinen Feinden
weder offentlich noch heimlich Vorschub tun wollt.

Weislingen. Hier fa? ich Eure Hand. La?t, von diesem Augenblick an,
Freundschaft und Vertrauen, gleich einem ewigen Gesetz der Natur,
unveranderlich unter uns sein! Erlaubt mir zugleich, diese Hand zu fassen
(er nimmt Mariens Hand) und den Besitz des edelsten Frauleins.

Gotz. Darf ich ja fur Euch sagen?

Maria. Wenn Ihr es mit mir sagt.

Gotz. Es ist ein Gluck, da? unsere Vorteile diesmal miteinander gehn.
Du brauchst nicht rot zu werden. Deine Blicke sind Beweis genug. Ja denn,
Weislingen! Gebt Euch die Hande, und so sprech ich Amen! - Mein Freund und
Bruder! - Ich danke dir, Schwester! Du kannst mehr als Hanf spinnen. Du hast
einen Faden gedreht, diesen Paradiesvogel zu fesseln. Du siehst nicht ganz
frei, Adelbert! Was fehlt dir? Ich - bin ganz glucklich; was ich nur
traumend hoffte, seh ich, und bin wie traumend. Ach! nun ist mein Traum aus.
Mir war's heute nacht, ich gab dir meine rechte eiserne Hand, und du
hieltest mich so fest, da? sie aus den Armschienen ging wie abgebrochen. Ich
erschrak und wachte druber auf. Ich hatte nur forttraumen sollen, da wurd
ich gesehen haben, wie du mir eine neue lebendige Hand ansetztest - Du
sollst mir jetzo fort, dein Schlo? und deine Guter in vollkommenen Stand zu
setzen. Der verdammte Hof hat dich beides versaumen machen. Ich mu? meiner
Frau rufen. Elisabeth!

Maria. Mein Bruder ist in voller Freude.

Weislingen. Und doch darf ich ihm den Rang streitig machen.

Gotz. Du wirst anmutig wohnen.

Maria. Franken ist ein gesegnetes Land.

Weislingen. Und ich darf wohl sagen, mein Schlo? liegt in der
gesegnetsten und anmutigsten Gegend.

Gotz. Das durft Ihr, und ich will's behaupten. Hier flie?t der Main,
und allmahlich hebt der Berg an, der, mit Ackern und Weinbergen bekleidet,
von Euerm Schlo? gekront wird, dann biegt sich der Flu? schnell um die Ecke
hinter dem Felsen Eures Schlosses hin. Die Fenster des gro?en Saals gehen
steil herab aufs Wasser, eine Aussicht viel Stunden weit.

(Elisabeth kommt.)

Elisabeth. Was schafft ihr?

Gotz. Du sollst deine Hand auch dazu geben und sagen: >Gott segne
euch!< Sie sind ein Paar.

Elisabeth. So geschwind!

Gotz. Aber nicht unvermutet.

Elisabeth. Moget Ihr Euch so immer nach ihr sehnen als bisher, da ihr
um sie warbt! Und dann! Mochtet Ihr so glucklich sein, als Ihr sie lieb
behaltet!

Weislingen. Amen! Ich begehre kein Gluck als unter diesem Titel.

Gotz. Der Brautigam, meine liebe Frau, tut eine kleine Reise; denn die
gro?e Veranderung zieht viel geringe nach sich. Er entfernt sich zuerst vom
Bischoflichen Hof, um diese Freundschaft nach und nach erkalten zu lassen.
Dann rei?t er seine Guter eigennutzigen Pachtern aus den Handen. Und -
kommt, Schwester, komm, Elisabeth! Wir wollen ihn allein lassen. Sein Knab
hat ohne Zweifel geheime Auftrage an ihn.

Weislingen. Nichts, als was Ihr wissen durft.

Gotz. Braucht's nicht. - Franken und Schwaben! Ihr seid nun
verschwisterter als jemals. Wie wollen wir den Fursten den Daumen auf dem
Aug halten!

(Die drei gehn.)

Weislingen. Gott im Himmel! Konntest du mir Unwurdigem solch eine
Seligkeit bereiten? Es ist zu viel fur mein Herz. Wie ich von den elenden
Menschen abhing, die ich zu beherrschen glaubte, von den Blicken des
Fursten, von dem ehrerbietigen Beifall umher! Gotz, teurer Gotz, du hast
mich mir selbst wiedergegeben, und, Maria, du vollendest meine
Sinnesanderung. Ich fuhle mich so frei wie in heiterer Luft. Bamberg will
ich nicht mehr sehen, will all die schandlichen Verbindungen durchschneiden,
die mich unter mir selbst hielten. Mein Herz erweitert sich, hier ist kein
beschwerliches Streben nach versagter Gro?e. So gewi? ist der allein
glucklich und gro?, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht, um
etwas zu sein!

(Franz tritt auf.)

Franz. Gott gru? Euch, gestrenger Herr! Ich bring Euch so viel Gru?e,
da? ich nicht wei?, wo anzufangen. Bamberg und zehn Meilen in die Runde
entbieten Euch ein tausendfaches: Gott gru? Euch!

Weislingen. Willkommen, Franz! Was bringst du mehr?

Franz. Ihr steht in einem Andenken bei Hof und uberall, da? es nicht zu
sagen. ist.

Weislingen. Das wird nicht lange dauern.

Franz. So lang Ihr lebt! und nach Eurem Tod wird's heller blinken als
die messingenen Buchstaben auf einem Grabstein. Wie man sich Euern Unfall zu
Herzen nahm!

Weislingen. Was sagte der Bischof?

Franz. Er war so begierig zu wissen, da? er mit geschaftiger
Geschwindigkeit der Fragen meine Antwort verhinderte. Er wu?t es zwar schon;
denn Farber, der von Haslach entrann, brachte ihm die Botschaft. Aber er
wollte alles wissen. Er fragte so angstlich, ob Ihr nicht versehrt waret?
Ich sagte: >Er ist ganz, von der au?ersten Haarspitze bis zum Nagel des
kleinen Zehs.<

Weislingen. Was sagte er zu den Vorschlagen?

Franz. Er wollte gleich alles herausgeben, den Knaben und noch Geld
darauf, nur Euch zu befreien. Da er aber horte, Ihr solltet ohne das
loskommen und nur Euer Wort das Aquivalent gegen den. Buben sein, da wollte
er absolut den Berlichingen vertagt haben. Er sagte mir hundert Sachen an
Euch - ich hab sie wieder vergessen. Es war eine lange Predigt uber die
Worte: >Ich kann Weislingen nicht entbehren.<

Weislingen. Er wird's lernen mussen!

Franz. Wie meint Ihr? Er sagte: >Mach ihn eilen, es wartet alles auf
ihn.<

Weislingen. Es kann warten. Ich gehe nicht nach Hof.

Franz. Nicht nach Hof? Herr! Wie kommt Euch das? Wenn Ihr wu?tet, was
ich wei?. Wenn Ihr nur traumen konntet, was ich gesehen habe.

Weislingen. Wie wird dir's?

Franz. Nur von der blo?en Erinnerung komm ich au?er mir. Bamberg ist
nicht mehr Bamberg, ein Engel in Weibesgestalt macht es zum Vorhofe des
Himmels.

Weislingen. Nichts weiter?

Franz. Ich will ein Pfaff werden, wenn Ihr sie sehet und nicht au?er
Euch kommt.

Weislingen. Wer ist's denn?

Franz. Adelheid von Walldorf.

Weislingen. Die! Ich habe viel von ihrer Schonheit gehort.

Franz. Gehort? Das ist eben, als wenn Ihr sagtet: >Ich hab die Musik
gesehen.< Es ist der Zunge so wenig moglich, eine Linie ihrer
Vollkommenheiten auszudrucken, da das Aug sogar in ihrer Gegenwart sich
nicht selbst genug ist.

Weislingen. Du bist nicht gescheit.

Franz. Das kann wohl sein. Das letztemal, da ich sie sahe, hatte ich
nicht mehr Sinne als ein Trunkener. Oder vielmehr, kann ich sagen, ich
fuhlte in dem Augenblick, wie's den Heiligen bei himmlischen Erscheinungen
sein mag. Alle Sinne starker, hoher, vollkommener, und doch den Gebrauch von
keinem.

Weislingen. Das ist seltsam.

Franz. Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, sa? sie bei ihm. Sie
spielten Schach. Er war sehr gnadig, reichte mir seine Hand zu kussen, und
sagte mir vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich sah seine Nachbarin,
sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem gro?en Streich
nachsanne. Ein feiner lauernder Zug um Mund und Wange! Ich hatt' der
elfenbeinerne Konig sein mogen. Adel und Freundlichkeit herrschten auf ihrer
Stirn. Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens, wie es von den
finstern Haaren erhoben ward!

Weislingen. Du bist druber gar zum Dichter geworden.

Franz. So fuhl ich denn in dem Augenblick, was den Dichter macht, ein
volles, ganz von einer Empfindung volles Herz! Wie der Bischof endigte und
ich mich neigte, sah sie mich an und sagte: >Auch von mir einen Gru?
unbekannterweise! Sag ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf
ihn; er soll sie nicht verachten, wenn er schon an alten so reich ist.< -
Ich wollte was antworten, aber der Pa? vom Herzen nach der Zunge war
versperrt, ich neigte mich. Ich hatte mein Vermogen gegeben, die Spitze
ihres kleinen Fingers kussen zu durfen! Wie ich so stund, warf der Bischof
einen Bauern herunter, ich fuhr darnach und ruhrte im Aufheben den Saum
ihres Kleides, das fuhr mir durch alle Glieder, und ich wei? nicht, wie ich
zur Tur hinausgekommen bin.

Weislingen. Ist ihr Mann bei Hofe?

Franz. Sie ist schon vier Monat Witwe. Um sich zu zerstreuen, halt sie
sich in Bamberg auf. Ihr werdet sie sehen. Wenn sie einen ansieht, ist's,
als wenn man in der Fruhlingssonne stunde.

Weislingen. Es wurde eine schwachere Wirkung auf mich haben.

Franz. Ich hore, Ihr seid so gut als verheiratet.

Weislingen. Wollte, ich war's. Meine sanfte Marie wird das Gluck meines
Lebens machen. Ihre su?e Seele bildet sich in ihren blauen Augen. Und wei?
wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe, leitet sie mein
Herz zur Ruhe und Gluckseligkeit. Pack zusammen! und dann auf mein Schlo?!
Ich will Bamberg nicht sehen, und wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte.
(Geht ab.)

Franz. Da sei Gott vor! Wollen das Beste hoffen! Maria ist liebreich
und schon, und einem Gefangenen und Kranken kann ich's nicht ubelnehmen, der
sich in sie verliebt. In ihren Augen ist Trost, gesellschaftliche
Melancholie. - Aber um dich, Adelheid, ist Leben, Feuer, Mut - Ich wurde! -
Ich bin ein Narr - dazu machte mich ein Blick von ihr. Mein Herr mu? hin!
Ich mu? hin! Und da will ich mich wieder gescheit oder vollig rasend gaffen.

Zweiter Akt
Bamberg. Ein Saal
Bischof, Adelheid spielen Schach. Liebetraut mit einer Zither. Frauen,
Hofleute um ihn herum am Kamin.

Liebetraut (spielt und singt).
Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen,
Die Fackel in Brand,
Wollt mutilich kriegen
Und mannilich siegen
Mit sturmender Hand.
Auf! Auf!
An! An!
Die Waffen erklirrten,
Die Flugelein schwirrten,
Die Augen entbrannt.
Da fand er die Busen
Ach leider so blo?,
Sie nahmen so willig
Ihn all auf den Scho?.
Er schuttet' die Pfeile
Zum Feuer hinein,
Sie herzten und druckten
Und wiegten ihn ein.
Hei ei o! Popeio!



Adelheid. Ihr seid nicht bei Eurem Spiele. Schach dem Konig!

Bischof. Es ist noch Auskunft.

Adelheid. Lange werdet Ihr's nicht mehr treiben. Schach dem Konig!

Liebetraut. Dies Spiel spielt ich nicht, wenn ich ein gro?er Herr war,
und verbot's am Hofe und im ganzen Land.

Adelheid. Es ist wahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns.

Liebetraut. Nicht darum! Ich wollte lieber das Geheul der Totenglocke
und ominoser Vogel, lieber das Gebell des knurrischen Hofhunds Gewissen,
lieber wollt ich sie durch den tiefsten Schlaf horen, als von Laufern,
Springern und andern Bestien das ewige: >Schach dem Konig!<

Bischof. Wem wird auch das einfallen!

Liebetraut. Einem zum Exempel, der schwach ware und ein stark Gewissen
hatte, wie denn das meistenteils beisammen ist. Sie nennen's ein koniglich
Spiel und sagen, es sei fur einen Konig erfunden worden, der den Erfinder
mit einem Meer von Uberflu? belohnt habe. Wenn das wahr ist, so ist mir's,
als wenn ich ihn sahe. Er war minorenn an Verstand oder an Jahren, unter der
Vormundschaft seiner Mutter oder seiner Frau, hatte Milchhaare im Bart und
Flachshaare um die Schlafe, er war so gefallig wie ein Weidenscho?ling und
spielte gern Dame und mit den Damen, nicht aus Leidenschaft, behute Gott!
nur zum Zeitvertreib. Sein Hofmeister, zu tatig, um ein Gelehrter, zu
unlenksam, ein Weltmann zu sein, erfand das Spiel in usum Delphini, das so
homogen mit Seiner Majestat war - und so ferner.

Adelheid. Matt! Ihr solltet die Lucken unsrer Geschichtsbucher
ausfullen, Liebetraut.

(Sie stehen auf.)

Liebetraut. Die Lucken unsrer Geschlechtsregister, das ware
profitabler. Seitdem die Verdienste unserer Vorfahren mit ihren Portrats zu
einerlei Gebrauch dienen, die leeren Seiten namlich unsrer Zimmer und unsers
Charakters zu tapezieren; da ware was zu verdienen.

Bischof. Er will nicht kommen, sagtet Ihr!

Adelheid. Ich bitt Euch, schlagt's Euch aus dem Sinn.

Bischof. Was das sein mag?

Liebetraut. Was? Die Ursachen lassen sich herunterbeten wie ein
Rosenkranz. Er ist in eine Art von Zerknirschung gefallen, von der ich ihn
leicht kurieren wollt.

Bischof. Tut das, reitet zu ihm.

Liebetraut. Meinen Auftrag!

Bischof. Er soll unumschrankt sein. Spare nichts, wenn du ihn
zuruckbringst.

Liebetraut. Darf ich Euch auch hineinmischen, gnadige Frau?

Adelheid. Mit Bescheidenheit.

Liebetraut. Das ist eine weitlaufige Kommission.

Adelheid. Kennt Ihr mich so wenig, oder seid Ihr so jung, um nicht zu
wissen, in welchem Ton Ihr mit Weislingen von mir zu reden habt?

Liebetraut. Im Ton einer Wachtelpfeife, denk ich.

Adelheid. Ihr werdet nie gescheit werden!

Liebetraut. Wird man das, gnadige Frau?

Bischof. Geht, geht. Nehmt das beste Pferd aus meinem Stall, wahlt Euch
Knechte, und schafft mir ihn her!

Liebetraut. Wenn ich ihn nicht herbanne, so sagt: ein altes Weib, das
Warzen und Sommerflecken vertreibt, verstehe mehr von der Sympathie als ich.

Bischof. Was wird das helfen! Berlichingen hat ihn ganz eingenommen.
Wenn er herkommt, wird er wieder fort wollen.

Liebetraut. Wollen, das ist keine Frage, aber ob er kann. Der
Handedruck eines Fursten, und das Lacheln einer schonen Frau! Da rei?t sich
kein Weisling los. Ich eile und empfehle mich zu Gnaden.

Bischof. Reist wohl.

Adelheid. Adieu.

(Er geht.)

Bischof. Wenn er einmal hier ist, verla? ich mich auf Euch.

Adelheid. Wollt Ihr mich zur Leimstange brauchen?

Bischof. Nicht doch.

Adelheid. Zum Lockvogel denn?

Bischof. Nein, den spielt Liebetraut. Ich bitt Euch, versagt mir nicht,
was mir sonst niemand gewahren kann.

Adelheid. Wollen sehn.


Jagsthausen
Hans von Selbitz. Gotz.

Selbitz. Jedermann wird Euch loben, da? Ihr denen von Nurnberg Fehd
angekundigt habt.

Gotz. Es hatte mir das Herz abgefressen, wenn ich's ihnen hatte lang
schuldig bleiben sollen. Es ist am Tag, sie haben den Bambergern meinen
Buben verraten. Sie sollen an mich denken!

Selbitz. Sie haben einen alten Groll gegen Euch.

Gotz. Und ich wider sie; mir ist gar recht, da? sie angefangen haben.

Selbitz. Die Reichsstadte und Pfaffen halten doch von jeher zusammen.

Gotz. Sie haben's Ursach.

Selbitz. Wir wollen ihnen die Holle hei? machen.

Gotz. Ich zahlte auf Euch. Wollte Gott, der Burgemeister von Nurnberg,
mit der guldenen Kett um den Hals, kam uns in Wurf, er sollt sich mit all
seinem Witz verwundern.

Selbitz. Ich hore, Weislingen ist wieder auf Eurer Seite. Tritt er zu
uns?

Gotz. Noch nicht; es hat seine Ursachen, warum er uns noch nicht
offentlich Vorschub tun darf; doch ist's eine Weile genug, da? er nicht
wider uns ist. Der Pfaff ist ohne ihn, was das Me?gewand ohne den Pfaffen.

Selbitz. Wann ziehen wir aus?

Gotz. Morgen oder ubermorgen. Es kommen nun bald Kaufleute von Bamberg
und Nurnberg aus der Frankfurter Messe. Wir werden einen guten Fang tun.

Selbitz. Will's Gott. (Ab.)


Bamberg. Zimmer der Adelheid
Adelheid. Kammerfraulein.

Adelheid. Er ist da! sagst du. Ich glaub es kaum.

Fraulein. Wenn ich ihn nicht selbst gesehn hatte, wurd ich sagen, ich
zweifle.

Adelheid. Den Liebetraut mag der Bischof in Gold einfassen: er hat ein
Meisterstuck gemacht.

Fraulein. Ich sah ihn, wie er zum Schlo? hereinreiten wollte, er sa?
auf einem Schimmel. Das Pferd scheute, wie's an die Brucke kam, und wollte
nicht von der Stelle. Das Volk war aus allen Stra?en gelaufen, ihn zu sehn.
Sie freuten sich uber des Pferds Unart. Von allen Seiten ward er gegru?t,
und er dankte allen. Mit einer angenehmen Gleichgultigkeit sa? er droben,
und mit Schmeicheln und Drohen bracht er es endlich zum Tor herein, der
Liebetraut mit, und wenig Knechte.

Adelheid. Wie gefallt er dir?

Fraulein. Wie mir nicht leicht ein Mann gefallen hat. Er glich dem
Kaiser hier (deutet auf Maximilians Portrat), als wenn er sein Sohn ware.
Die Nase nur etwas kleiner, ebenso freundliche lichtbraune Augen, ebenso ein
blondes schones Haar, und gewachsen wie eine Puppe. Ein halb trauriger Zug
auf seinem Gesicht - ich wei? nicht - gefiel mir so wohl!

Adelheid. Ich bin neugierig, ihn zu sehen.

Fraulein. Das war ein Herr fur Euch.

Adelheid. Narrin!

Fraulein. Kinder und Narren -

(Liebetraut kommt.)

Liebetraut. Nun, gnadige Frau, was verdien ich?

Adelheid. Horner von deinem Weibe. Denn nach dem zu rechnen, habt Ihr
schon manches Nachbars ehrliches Hausweib aus ihrer Pflicht
hinausgeschwatzt.

Liebetraut. Nicht doch, gnadige Frau! Auf ihre Pflicht, wollt Ihr
sagen; denn wenn's ja geschah, schwatzt ich sie auf ihres Mannes Bette.

Adelheid. Wie habt Ihr's gemacht, ihn herzubringen?

Liebetraut. Ihr wi?t zu gut, wie man Schnepfen fangt; soll ich Euch
meine Kunststuckchen noch dazu lehren? - Erst tat ich, als wu?t ich nichts,
verstund nichts von seiner Auffuhrung, und setzt ihn dadurch in den
Nachteil, die ganze Historie zu erzahlen. Die sah ich nun gleich von einer
ganz andern Seite an als er, konnte nicht finden - nicht einsehen - und so
weiter. Dann redete ich von Bamberg allerlei durcheinander, Gro?es und
Kleines, erweckte gewisse alte Erinnerungen, und wie ich seine
Einbildungskraft beschaftigt hatte, knupfte ich wirklich eine Menge Fadchen
wieder an, die ich zerrissen fand. Er wu?te nicht, wie ihm geschah, fuhlte
einen neuen Zug nach Bamberg, er wollte - ohne zu wollen. Wie er nun in sein
Herz ging und das zu entwickeln suchte, und viel zu sehr mit sich
beschaftigt war, um auf sich achtzugeben, warf ich ihm ein Seil um den Hals,
aus drei machtigen Stricken, Weiber-, Furstengunst und Schmeichelei,
gedreht, und so hab ich ihn hergeschleppt.

Adelheid. Was sagtet Ihr von mir?

Liebetraut. Die lautre Wahrheit. Ihr hattet wegen Eurer Guter
Verdrie?lichkeiten - hattet gehofft, da er beim Kaiser so viel gelte, werde
er das leicht enden konnen.

Adelheid. Wohl.

Liebetraut. Der Bischof wird ihn Euch bringen.

Adelheid. Ich erwarte sie. (Liebetraut ab.) Mit einem Herzen, wie ich
selten Besuch erwarte.


Im Spessart
Berlichingen. Selbitz. Georg als Reitersknecht.

Gotz. Du hast ihn nicht angetroffen, Georg!

Georg. Er war tags vorher mit Liebetraut nach Bamberg geritten und zwei
Knechte mit.

Gotz. Ich seh nicht ein, was das geben soll.

Selbitz. Ich wohl. Eure Versohnung war ein wenig zu schnell, als da?
sie dauerhaft hatte sein sollen. Der Liebetraut ist ein pfiffiger Kerl; von
dem hat er sich beschwatzen lassen.

Gotz. Glaubst du, da? er bundbruchig werden wird?

Selbitz. Der erste Schritt ist getan.

Gotz. Ich glaub's nicht. Wer wei?, wie notig es war, an Hof zu gehen;
man ist ihm noch schuldig; wir wollen das Beste hoffen.

Selbitz. Wollte Gott, er verdient' es und tate das Beste!

Gotz. Mir fallt eine List ein. Wir wollen Georgen des Bamberger Reiters
erbeuteten Kittel anziehen und ihm das Geleitzeichen geben; er mag nach
Bamberg reiten und sehen, wie's steht.

Georg. Da hab ich lange drauf gehofft.

Gotz. Es ist dein erster Ritt. Sei vorsichtig, Knabe! Mir ware leid,
wenn dir ein Unfall begegnen sollt.

Georg. La?t nur, mich irrt's nicht, wenn noch so viel um mich
herumkrabbeln, mir ist's, als wenn's Ratten und Mause waren. (Ab.)


Bamberg
Bischof. Du willst dich nicht langer halten lassen!

Weislingen. Ihr werdet nicht verlangen, da? ich meinen Eid brechen
soll.

Bischof. Ich hatte verlangen konnen, du solltest ihn nicht schworen.
Was fur ein Geist regierte dich? Konnt ich dich ohne das nicht befreien?
Gelt ich so wenig am Kaiserlichen Hofe?

Weislingen. Es ist geschehen; verzeiht mir, wenn Ihr konnt.

Bischof. Ich begreif nicht, was nur im geringsten dich notigte, den
Schritt zu tun! Mir zu entsagen? Waren denn nicht hundert andere
Bedingungen, loszukommen? Haben wir nicht seinen Buben? Hatt ich nicht Gelds
genug gegeben und ihn wieder beruhigt? Unsere Anschlage auf ihn und seine
Gesellen waren fortgegangen - Ach ich denke nicht, da? ich mit seinem
Freunde rede, der nun wider mich arbeitet und die Minen leicht entkraften
kann, die er selbst gegraben hat.

Weislingen. Gnadiger Herr!

Bischof. Und doch - wenn ich wieder dein Angesicht sehe, deine Stimme
hore. Es ist nicht moglich, nicht moglich.

Weislingen. Lebt wohl, gnadiger Herr.

Bischof. Ich gebe dir meinen Segen. Sonst, wenn du gingst, sagt ich:
>Auf Wiedersehn!< Jetzt - Wollte Gott, wir sahen einander nie wieder!

Weislingen. Es kann sich vieles andern.

Bischof. Vielleicht seh ich dich noch einmal, als Feind vor meinen
Mauern, die Felder verheeren, die ihren bluhenden Zustand dir jetzo danken.

Weislingen. Nein, gnadiger Herr.

Bischof. Du kannst nicht nein sagen. Die weltlichen Stande, meine
Nachbarn, haben alle einen Zahn auf mich. Solang ich dich hatte - Geht,
Weislingen! Ich habe Euch nichts mehr zu sagen. Ihr habt vieles zunichte
gemacht. Geht!

Weislingen. Und ich wei? nicht, was ich sagen soll.

(Bischof ab. - Franz tritt auf.)

Franz. Adelheid erwartet Euch. Sie ist nicht wohl. Und doch will sie
Euch ohne Abschied nicht lassen.

Weislingen. Komm.

Franz. Gehn wir denn gewi??

Weislingen. Noch diesen Abend. -

Franz. Mir ist, als wenn ich aus der Welt sollte.

Weislingen. Mir auch, und noch darzu, als wu?t ich nicht wohin.

Adelheidens Zimmer
Adelheid. Fraulein.

Fraulein. Ihr seht bla?, gnadige Frau.

Adelheid. - Ich lieb ihn nicht, und wollte doch, da? er bliebe. Siehst
du, ich konnte mit ihm leben, ob ich ihn gleich nicht zum Manne haben
mochte.

Fraulein. Glaubt Ihr, er geht?

Adelheid. Er ist zum Bischof, um Lebewohl zu sagen.

Fraulein. Er hat darnach noch einen schweren Stand.

Adelheid. Wie meinst du?

Fraulein. Was fragt Ihr, gnadige Frau? Ihr habt sein Herz geangelt, und
wenn er sich losrei?en will, verblutet er.

(Adelheid. Weislingen.)

Weislingen. Ihr seid nicht wohl, gnadige Frau?

Adelheid. Das kann Euch einerlei sein. Ihr verla?t uns, verla?t uns auf
immer. Was fragt Ihr, ob wir leben oder sterben.

Weislingen. Ihr verkennt mich.

Adelheid. Ich nehme Euch, wie Ihr Euch gebt.

Weislingen. Das Ansehn trugt.

Adelheid. So seid Ihr ein Chamaleon?

Weislingen. Wenn Ihr mein Herz sehen konntet!

Adelheid. Schone Sachen wurden mir vor die Augen kommen.

Weislingen. Gewi?! Ihr wurdet Euer Bild drin finden.

Adelheid. In irgendeinem Winkel bei den Portraten ausgestorbener
Familien. Ich bitt Euch, Weislingen, bedenkt, Ihr redet mit mir. Falsche
Worte gelten zum hochsten, wenn sie Masken unserer Taten sind. Ein
Vermummter, der kenntlich ist, spielt eine armselige Rolle. Ihr leugnet Eure
Handlungen nicht und redet das Gegenteil; was soll man von Euch halten?

Weislingen. Was Ihr wollt. Ich bin so geplagt mit dem, was ich bin, da?
mir wenig bang ist, fur was man mich nehmen mag.

Adelheid. Ihr kommt, um Abschied zu nehmen.

Weislingen. Erlaubt mir, Eure Hand zu kussen, und ich will sagen. Lebt
wohl. Ihr erinnert mich! Ich bedachte nicht - Ich bin beschwerlich, gnadige
Frau.

Adelheid. Ihr legt's falsch aus: ich wollte Euch forthelfen; denn Ihr
wollt fort.

Weislingen. O sagt: ich mu?. Zoge mich nicht die Ritterpflicht, der
heilige Handschlag -

Adelheid. Geht! Geht! Erzahlt das Madchen, die den >Theuerdank< lesen
und sich so einen Mann wunschen. Ritterpflicht! Kinderspiel!

Weislingen. Ihr denkt nicht so.

Adelheid. Bei meinem Eid, Ihr verstellt Euch! Was habt Ihr versprochen?
Und wem? Einem Mann, der seine Pflicht gegen den Kaiser und das Reich
verkennt, in eben dem Augenblick Pflicht zu leisten, da er durch Eure
Gefangennehmung in die Strafe der Acht verfallt. Pflicht zu leisten! die
nicht gultiger sein kann als ungerechter gezwungener Eid. Entbinden nicht
unsere Gesetze von solchen Schwuren? Macht das Kindern weis, die den
Rubezahl glauben. Es stecken andere Sachen dahinter. Ein Feind des Reichs zu
werden, ein Feind der burgerlichen Ruh und Gluckseligkeit! Ein Feind des
Kaisers! Geselle eines Raubers! du, Weislingen, mit deiner sanften Seele!

Weislingen. Wenn Ihr ihn kenntet -

Adelheid. Ich wollt ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er hat eine
hohe unbandige Seele. Eben darum wehe dir, Weislingen! Geh und bilde dir
ein, Geselle von ihm zu sein. Geh! und la? dich beherrschen. Du bist
freundlich, gefallig -

Weislingen. Er ist's auch.

Adelheid. Aber du bist nachgebend und er nicht! Unversehens wird er
dich wegrei?en, du wirst ein Sklave eines Edelmanns werden, da du Herr von
Fursten sein konntest. - Doch es ist Unbarmherzigkeit, dir deinen
zukunftigen Stand zu verleiden.

Weislingen. Hattest du gefuhlt, wie liebreich er mir begegnete.

Adelheid. Liebreich! Das rechnest du ihm an? Es war seine Schuldigkeit;
und was hattest du verloren, wenn er widerwartig gewesen ware? Mir hatte das
willkommner sein sollen. Ein ubermutiger Mensch wie der -

Weislingen. Ihr redet von Euerm Feind.

Adelheid. Ich redete fur Eure Freiheit - Und wei? uberhaupt nicht, was
ich vor einen Anteil dran nehme. Lebt wohl.

Weislingen. Erlaubt noch einen Augenblick. (Er nimmt ihre Hand und
schweigt.)

Adelheid. Habt Ihr mir noch was zu sagen?

Weislingen. - - Ich mu? fort.

Adelheid. So geht.

Weislingen. Gnadige Frau! - Ich kann nicht.

Adelheid. Ihr mu?t.

Weislingen. Soll das Euer letzter Blick sein?

Adelheid. Geht, ich bin krank, sehr zur ungelegnen Zeit.

Weislingen. Seht mich nicht so an.

Adelheid. Willst du unser Feind sein, und wir sollen dir lacheln? Geh!

Weislingen. Adelheid!

Adelheid. Ich hasse Euch!

(Franz kommt.)

Franz. Gnadiger Herr! Der Bischof la?t Euch rufen.

Adelheid. Geht! Geht!

Franz. Er bittet Euch, eilend zu kommen.

Adelheid. Geht! Geht!

Weislingen. Ich nehme nicht Abschied, ich sehe Euch wieder! (Ab.)

Adelheid. Mich wieder? Wir wollen dafur sein. Margarete, wenn er kommt,
weis ihn ab. Ich bin krank, habe Kopfweh, ich schlafe - Weis ihn ab. Wenn er
noch zu gewinnen ist, so ist's auf diesem Wege. (Ab.)


Vorzimmer
Weislingen. Franz.

Weislingen. Sie will mich nicht sehn?

Franz. Es wird Nacht, soll ich die Pferde satteln?

Weislingen. Sie will mich nicht sehn?

Franz. Wann befehlen Ihro Gnaden die Pferde?

Weislingen. Es ist zu spat! Wir bleiben hier.

Franz. Gott sei Dank! (Ab.)

Weislingen. Du bleibst! Sei auf, deiner Hut, die Versuchung ist gro?.
Mein Pferd scheute, wie ich zum Schlo?tor herein wollte, mein guter Geist
stellte sich ihm entgegen, er kannte die Gefahren, die mein hier warteten. -
Doch ist's nicht recht, die vielen Geschafte, die ich dem Bischof
unvollendet liegen lie?, nicht wenigstens so zu ordnen, da? ein Nachfolger
da anfangen kann, wo ich's gelassen habe. Das kann ich doch alles tun,
unbeschadet Berlichingen und unserer Verbindung. Denn halten sollen sie mich
hier nicht. - Ware doch besser gewesen, wenn ich nicht gekommen ware. Aber
ich will fort - morgen oder ubermorgen. (Geht ab.)


Im Spessart
Gotz. Selbitz. Georg.

Selbitz. Ihr seht, es ist gegangen, wie ich gesagt habe.

Gotz. Nein! Nein! Nein!

Georg. Glaubt, ich berichte Euch mit der Wahrheit. Ich tat, wie Ihr
befahlt, nahm den Kittel des Bambergischen und sein Zeichen, und damit ich
doch mein Essen und Trinken verdiente, geleitete ich Reineckische Bauern
hinauf nach Bamberg.

Selbitz. In der Verkappung? Das hatte dir ubel geraten konnen.

Georg. So denk ich auch hintendrein. Ein Reitersmann, der das voraus
denkt, wird keine weiten Sprunge machen. Ich kam nach Bamberg, und gleich im
Wirtshaus horte ich erzahlen: Weislingen und der Bischof seien ausgesohnt,
und man redte viel von einer Heirat mit der Witwe des von Walldorf.

Gotz. Gesprache.

Georg. Ich sah ihn, wie er sie zur Tafel fuhrte. Sie ist schon, bei
meinem Eid, sie ist schon. Wir buckten uns alle, sie dankte uns allen, er
nickte mit dem Kopf, sah sehr vergnugt, sie gingen vorbei, und das Volk
murmelte: >Ein schones Paar!<

Gotz. Das kann sein.

Georg. Hort weiter. Da er des andern Tags in die Messe ging, pa?t ich
meine Zeit ab. Er war allein mit einem Knaben. Ich stund unten an der Treppe
und sagte leise zu ihm: >Ein paar Worte von Euerm Berlichingen.< Er ward
besturzt; ich sahe das Gestandnis seines Lasters in seinem Gesicht, er hatte
kaum das Herz, mich anzusehen, mich, einen schlechten Reitersjungen.

Selbitz. Das macht, sein Gewissen war schlechter als dein Stand.

Georg. >Du bist Bambergisch?< sagt' er. - >Ich bring einen Gru? vom
Ritter Berlichingen<, sagt ich, >und soll fragen -< - >Komm morgen fruh<,
sagt' er, >an mein Zimmer, wir wollen weiterreden.<

Gotz. Kamst du?

Georg. Wohl kam ich, und mu?t im Vorsaal stehn, lang, lang. Und die
seidnen Buben beguckten mich von vorn und hinten. Ich dachte, guckt ihr -
Endlich fuhrte man mich hinein, er schien bose, mir war's einerlei. Ich trat
zu ihm und legte meine Kommission ab. Er tat feindlich bose, wie einer, der
kein Herz hat und 's nit will merken lassen. Er verwunderte sich, da? Ihr
ihn durch einen Reitersjungen zur Rede setzen lie?t. Das verdro? mich. Ich
sagte, es gabe nur zweierlei Leut, brave und Schurken, und ich diente Gotzen
von Berlichingen. Nun fing er an, schwatzte allerlei verkehrtes Zeug, das
darauf hinausging: Ihr hattet ihn ubereilt, er sei Euch keine Pflicht
schuldig und wolle nichts mit Euch zu tun haben.

Gotz. Hast du das aus seinem Munde?

Georg. Das und noch mehr - Er drohte mir -

Gotz. Es ist genug! Der ware nun auch verloren! Treu und Glaube, du
hast mich wieder betrogen. Arme Marie! Wie werd ich dir's beibringen!

Selbitz. Ich wollte lieber mein ander Bein dazu verlieren, als so ein
Hundsfott sein. (Ab.)


Bamberg
Adelheid. Weislingen.

Adelheid. Die Zeit fangt mir an unertraglich lang zu werden; reden mag
ich nicht, und ich schame mich, mit Euch zu spielen. Langeweile, du bist
arger als ein kaltes Fieber.

Weislingen. Seid Ihr mich schon mude?

Adelheid. Euch nicht sowohl als Euern Umgang. Ich wollte, Ihr wart, wo
Ihr hinwolltet, und wir hatten Euch nicht gehalten.

Weislingen. Das ist Weibergunst! Erst brutet sie, mit Mutterwarme,
unsere liebsten Hoffnungen an; dann, gleich einer unbestandigen Henne,
verla?t sie das Nest und ubergibt ihre schon keimende Nachkommenschaft dem
Tode und der Verwesung.

Adelheid. Scheltet die Weiber! Der unbesonnene Spieler zerbei?t und
zerstampft die Karten, die ihn unschuldigerweise verlieren machten. Aber
la?t mich Euch was von Mannsleuten erzahlen. Was seid denn ihr, um von
Wankelmut zu sprechen? Ihr, die ihr selten seid, was ihr sein wollt,
niemals, was ihr sein solltet. Konige im Festtagsornat, vom Pobel beneidet.
Was gab eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen um ihren Hals zu haben,
von dem Saum eures Kleids, den eure Absatze verachtlich zurucksto?en!

Weislingen. Ihr seid bitter.

Adelheid. Es ist die Antistrophe von Eurem Gesang. Eh ich Euch kannte,
Weislingen, ging mir's wie der Schneidersfrau. Der Ruf, hundertzungig, ohne
Metapher gesprochen, hatte Euch so zahnarztma?ig herausgestrichen, da? ich
mich uberreden lie? zu wunschen: mochtest du doch diese Quintessenz des
mannlichen Geschlechts, den Phonix Weislingen zu Gesicht kriegen! Ich ward
meines Wunsches gewahrt.

Weislingen. Und der Phonix prasentierte sich als ein ordinarer
Haushahn.

Adelheid. Nein, Weislingen, ich nahm Anteil an Euch.

Weislingen. Es schien so -

Adelheid. Und war. Denn wirklich, ihr ubertraft Euern Ruf. Die Menge
schatzt nur den Widerschein des Verdienstes. Wie mir's denn nun geht, da?
ich uber die Leute nicht denken mag, denen ich wohlwill; so lebten wir eine
Zeitlang nebeneinander, es fehlte mir was, und ich wu?te nicht, was ich an
Euch vermi?te. Endlich gingen mir die Augen auf. Ich sah statt des aktiven
Mannes, der die Geschafte eines Furstentums belebte, der sich und seinen
Ruhm dabei nicht verga?, der auf hundert gro?en Unternehmungen, wie auf
ubereinander gewalzten Bergen, zu den Wolken hinaufgestiegen war: den sah
ich auf einmal, jammernd wie einen kranken Poeten, melancholisch wie ein
gesundes Madchen und mu?iger als einen alten Junggesellen. Anfangs schrieb
ich's Euerm Unfall zu, der Euch noch neu auf dem Herzen lag, und
entschuldigte Euch, so gut ich konnte. Jetzt, da es von Tag zu Tage
schlimmer mit Euch zu werden scheint, mu?t Ihr mir verzeihen, wenn ich Euch
meine Gunst entrei?e. Ihr besitzt sie ohne Recht, ich schenkte sie einem
andern auf Lebenslang, der sie Euch nicht ubertragen konnte.

Weislingen. So la?t mich los.

Adelheid. Nicht, bis alle Hoffnung verloren ist. Die Einsamkeit ist in
diesen Umstanden gefahrlich. - Armer Mensch! Ihr seid so mi?mutig, wie
einer, dem sein erstes Madchen untreu wird, und eben darum geb ich Euch
nicht auf. Gebt mir die Hand, verzeiht mir, was ich aus Liebe gesagt habe.

Weislingen. Konntest du mich lieben, konntest du meiner hei?en
Leidenschaft einen Tropfen Linderung gewahren! Adelheid! deine Vorwurfe sind
hochst ungerecht. Konntest du den hundertsten Teil ahnen von dem, was die
Zeit her in mir arbeitet, du wurdest mich nicht mit Gefalligkeit,
Gleichgultigkeit und Verachtung so unbarmherzig hin und her zerrissen haben
- Du lachelst! - Nach dem ubereilten Schritt wieder mit mir selbst einig zu
werden, kostete mehr als einen Tag. Wider den Menschen zu arbeiten, dessen
Andenken so lebhaft neu in Liebe bei mir ist.

Adelheid. Wunderlicher Mann, der du den lieben kannst, den du
beneidest! Das ist, als wenn ich meinem Feinde Proviant zufuhrte.

Weislingen. Ich fuhl's wohl, es gilt hier, kein Saumen. Er ist
berichtet, da? ich wieder Weislingen bin, und er wird sich seines Vorteils
uber uns ersehen. Auch, Adelheid, sind wir nicht so trag, als du meinst.
Unsere Reiter sind verstarkt und wachsam, unsere Unterhandlungen gehen fort,
und der Reichstag zu Augsburg soll hoffentlich unsere Projekte zur Reife
bringen.

Adelheid. Ihr geht hin?

Weislingen. Wenn ich eine Hoffnung mitnehmen konnte! (Ku?t ihre Hand.)

Adelheid. O ihr Unglaubigen! Immer Zeichen und Wunder! Geh, Weislingen,
und vollende das Werk. Der Vorteil des Bischofs, der deinige, der meinige,
sie sind so verwebt, da?, ware es auch nur der Politik wegen -

Weislingen. Du kannst scherzen.

Adelheid. Ich scherze nicht. Meine Guter hat der stolze Herzog inne,
die deinigen wird Gotz nicht lange ungeneckt lassen; und wenn wir nicht
zusammenhalten wie unsere Feinde und den Kaiser auf unsere Seite lenken,
sind wir verloren.

Weislingen. Mir ist's nicht bange. Der gro?te Teil der Fursten ist
unserer Gesinnung. Der Kaiser verlangt Hulfe gegen die Turken, und dafur
ist's billig, da? er uns wieder beisteht. Welche Wollust wird mir's sein,
deine Guter von ubermutigen Feinden zu befreien, die unruhigen Kopfe in
Schwaben aufs Kissen zu bringen, die Ruhe des Bistums, unser aller
herzustellen. Und dann -?

Adelheid. Ein Tag bringt den andern, und beim Schicksal steht das
Zukunftige.

Weislingen. Aber wir mussen wollen.

Adelheid. Wir wollen ja.

Weislingen. Gewi??

Adelheid. Nun ja. Geht.

Weislingen. Zauberin!


Herberge
Bauernhochzeit. Musik und Tanz drau?en
Der Brautvater, Gotz, Selbitz am Tische. Brautigam tritt zu ihnen.

Gotz. Das Gescheitste war, da? ihr euern Zwist so glucklich und
frohlich durch eine Heirat endigt.

Brautvater. Besser, als ich mir's hatte traumen lassen. In Ruh und
Fried mit meinem Nachbar, und eine Tochter wohl versorgt dazu!

Brautigam. Und ich im Besitz des strittigen Stucks, und druber den
hubschten Backfisch im ganzen Dorf. Wollte Gott, Ihr hattet Euch eher drein
geben.

Selbitz. Wie lange habt ihr prozessiert?

Brautvater. An die acht Jahre. Ich wollte lieber noch einmal so lang
das Frieren haben, als von vorn anfangen. Das ist ein Gezerre, Ihr glaubt's
nicht, bis man den Perucken ein Urteil vom Herzen rei?t; und was hat man
darnach? Der Teufel hol den Assessor Sapupi! 's is ein verfluchter schwarzer
Italiener.

Brautigam. Ja, das ist ein toller Kerl. Zweimal war ich dort.

Brautvater. Und ich dreimal. Und seht, ihr Herrn: kriegen wir ein
Urteil endlich, wo ich so viel Recht hab als er, und er so viel als ich, und
wir eben stunden wie die Maulaffen, bis mir unser Herrgott eingab, ihm meine
Tochter zu geben und das Zeug dazu.

Gotz (trinkt). Gut Vernehmen kunftig.

Brautvater. Geb's Gott! Geh aber, wie's will, prozessieren tu ich mein
Tag nit mehr. Was das ein Geldspiel kost! Jeden Reverenz, den euch ein
Prokurator macht, mu?t ihr bezahlen.

Selbitz. Sind ja jahrlich Kaiserliche Visitationen da.

Brautvater. Hab nichts davon gehort. Ist mir mancher schone Taler
nebenaus gangen. Das unerhorte Blechen!

Gotz. Wie meint Ihr?

Brautvater. Ach, da macht alles hohle Pfotchen. Der Assessor allein,
Gott verzeih's ihm, hat mir achtzehn Goldgulden abgenommen.

Brautigam. Wer?

Brautvater. Wer anders als der Sapupi?

Gotz. Das ist schandlich.

Brautvater. Wohl, ich mu?t ihm zwanzig erlegen. Und da ich sie ihm
hingezahlt hatte, in seinem Gartenhaus, das prachtig ist, im gro?en Saal,
wollt mir vor Wehmut fast das Herz brechen. Denn seht, eines Haus und Hof
steht gut, aber wo soll bar Geld herkommen? Ich stund da, Gott wei?, wie
mir's war. Ich hatte keinen roten Heller Reisegeld im Sack. Endlich nahm ich
mir 's Herz und stellt's ihm vor. Nun er sah, da? mir 's Wasser an die Seele
ging, da warf er mir zwei davon zuruck und schickt' mich fort.

Brautigam. Es ist nicht moglich! Der Sapupi?

Brautvater. Wie stellst du dich! Freilich! Kein andrer!

Brautigam. Den soll der Teufel holen, er hat mir auch funfzehn
Goldgulden abgenommen.

Brautvater. Verflucht!

Selbitz. Gotz! Wir sind Rauber!

Brautvater. Drum fiel das Urteil so scheel aus. Du Hund!

Gotz. Das mu?t ihr nicht ungerugt lassen.

Brautvater. Was sollen wir tun?

Gotz. Macht euch auf nach Speier, es ist eben Visitationszeit, zeigt's
an, sie mussen's untersuchen und euch zu dem Eurigen helfen.

Brautigam. Denkt Ihr, wir treiben's durch?

Gotz. Wenn ich ihm uber die Ohren durfte, wollt ich's euch versprechen.

Selbitz. Die Summe ist wohl einen Versuch wert.

Gotz. Bin ich wohl eher um des vierten Teils willen ausgeritten.

Brautvater. Wie meinst du?

Brautigam. Wir wollen, geh's wie's geh.

(Georg kommt.)

Georg. Die Nurnberger sind im Anzug.

Gotz. Wo?

Georg. Wenn wir ganz sachte reiten, packen wir sie zwischen Beerheim
und Muhlbach im Wald.

Selbitz. Trefflich!

Gotz. Kommt, Kinder. Gott gru? euch! Helf uns allen zum Unsrigen!

Bauer. Gro?en Dank! Ihr wollt nicht zum Nacht-Ims bleiben?

Gotz. Konnen nicht. Adies.

Dritter Akt
Augsburg. Ein Garten
Zwei Nurnberger Kaufleute.

Erster Kaufmann. Hier wollen wir stehn, denn da mu? der Kaiser vorbei.
Er kommt eben den langen Gang herauf.

Zweiter Kaufmann. Wer ist bei ihm?

Erster Kaufmann. Adelbert von Weislingen!

Zweiter Kaufmann. Bambergs Freund! Das ist gut.

Erster Kaufmann. Wir wollen einen Fu?fall tun, und ich will reden.

Zweiter Kaufmann. Wohl, da kommen sie.

(Kaiser. Weislingen.)

Erster Kaufmann. Er sieht verdrie?lich aus.

Kaiser. Ich bin unmutig, Weislingen, und wenn ich auf mein vergangenes
Leben zurucksehe, mocht ich verzagt werden; so viel halbe, so viel
verungluckte Unternehmungen! und das alles, weil kein Furst im Reich so
klein ist, dem nicht mehr an seinen Grillen gelegen ware als an meinen
Gedanken.

(Die Kaufleute werfen sich ihm zu Fu?en.)

Kaufmann. Allerdurchlauchtigster! Gro?machtigster!

Kaiser. Wer seid ihr? Was gibt's?

Kaufmann. Arme Kaufleute von Nurnberg, Eurer Majestat Knechte, und
flehen um Hulfe. Gotz von Berlichingen und Hans von Selbitz haben unser
drei?ig, die von der Frankfurter Messe kamen, im Bambergischen Geleite
niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure Kaiserliche Majestat um Hulfe,
um Beistand, sonst sind wir alle verdorbene Leute, genotigt, unser Brot zu
betteln.

Kaiser. Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was ist das? Der eine hat nur
eine Hand, der andere nur ein Bein; wenn sie denn erst zwei Hande hatten,
und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun?

Kaufmann. Wir bitten Eure Majestat untertanigst, auf unsere bedrangten
Umstande ein mitleidiges Auge zu werfen.

Kaiser. Wie geht's zu! Wenn ein Kaufmann einen Pfeffersack verliert,
soll man das ganze Reich aufmahnen; und wenn Handel vorhanden sind, daran
Kaiserlicher Majestat und dem Reich viel gelegen ist, da? es Konigreich,