“Dein Erbe und das meine, gleich sollen beide liegen;
Und wer dann von uns beiden den andern mag besiegen,
Dem soll es alles dienen, die Leute wie das Land.”
Dem widersprach da Hagen und auch Gernot zuhand. (118)
 
 
“So stehn uns nicht die Sinne,” sprach da Gernot,
“Nach neuen Lands Gewinne, dass jemand sollte tot
Vor Heldeshänden liegen: Reich ist unser Land,
Das uns mit Recht gehorsamt, zu niemand besser bewandt.” (119)
 
 
Da standen grimmen Mutes umher die Freunde sein;
Da war auch darunter von Metz Herr Ortewein:
Der sprach: “Diese Sühne ist mir von Herzen leid:
Euch ruft der starke Siegfried ohn allen Grund in den Streit. (120)
 
 
Steht ihr und eure Brüder ihm auch nicht zur Wehr,
Und ob er bei sich führte ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erstreiten, dass der kühne Held
Also hohen Übermut mit gutem Recht bei Seite stellt.” (121)
 
 
Darüber zürnte mächtig der Held von Niederland:
“Nicht wider mich vermessen darf sich deine Hand:
Ich bin ein reicher König, du bist in Königs Lehn;
Wohl dürfen deiner Zwölfe mit Streit mich nimmer bestehn.” (122)
 
 
Nach Schwertern rief da heftig von Metz Herr Ortewein:
Von Tronje Hagens Schwestersohn, der durft er wahrlich sein;
Dass der so lang geschwiegen, das war dem König leid.
Da unterfing sichs Gernot, der Ritter kühn und kampfbereit. (123)
 
 
Er sprach zu Ortweinen: “Lasst euer Zürnen sein;
Es soll der Degen Siegfried sich nicht mit uns entzwein;
Wir mögens wohl noch scheiden im Guten, rat ich sehr,
Und ihn zum Freunde haben; das geziemt uns wahrlich mehr.” (124)
 
 
Da sprach der starke Hagen: “In Wahrheit, mir ist leid,
Und deinen Degen allein, dass er je zum Streit
Her an den Rhein geritten: was ließ er das nicht sein?
Ihm wären nicht so übel begegnet hier die Herren mein.” (125)
 
 
Zur Antwort gab ihm Siegfried, der kräftige Held:
“Wenn euch, was ich gesprochen, Herr Hagen, missfällt,
So will ich schauen lassen, wie noch die Hände mein
So gewaltig wollen bei den Burgonden sein.” (126)
 
 
“Das hoff ich noch zu wenden;” sprach wieder Gernot.
Allen seinen Degen zu reden er verbot
In ihrem Übermute, was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried an die viel herrliche Maid. (127)
 
 
“Wie geziemt' uns mit euch zu streiten?”, sprach wieder Gernot.
“Wie viel dabei der Helden auch fielen in den Tod,
Uns brächt es wenig Ehre und euch geringen Lohn.”
Zur Antwort gab ihm Siegfried, König Siegmundes Sohn: (128)
 
 
“Warum zögert Hagen und auch Ortewein?
Was eilt er nicht zum Streite mit den Freunden sein,
Deren er so manchen bei den Burgonden hat?”
Sie blieben Antwort schuldig, das war Gernotens Rat. (129)
 
 
“Ihr seid uns hier willkommen,” sprach das Uten-Kind,
“Und eure Heergesellen, die mit euch kommen sind:
Wir wollen gern euch dienen, ich und die Freunde mein.”
Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers Wein. (130)
 
 
Da sprach der Wirt des Landes: “Was uns gehöret an,
Verlangt ihr es in Ehren, das sei euch untertan;
Wir wollen mit euch teilen unser Gut und Blut.”
Da ward dem Degen Siegfried ein wenig sanfter zu Mut. (131)
 
 
Da ließ man ihnen wahren all ihr Rüstgewand;
Man suchte Herbergen, die besten, die man fand,
Siegfriedens Knechten: die fanden gut Gemach.
Man sah den Fremdling gerne in Burgondenland hernach. (132)
 
 
Man bot ihm große Ehre darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tausend Malen als ich euch könnte sagen;
Das hatte seine Tugend verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn sah wohl selten jemand, der ihm nicht gewogen war. (133)
 
 
Der Kurzweil sich fließen die Könge und ihr Bann:
Da war er stets der Beste, was man auch begann;
Es konnt ihm niemand folgen, so groß war seine Kraft,
Ob sie den Stein warfen oder schossen den Schaft. (134)
 
 
So oft sie vor den Frauen in ihrer Höflichkeit
Der Kurzweile pflagen, die Degen allbereit,
Da sah man immer gerne den Held von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt. (135)
 
 
* Die schönen Fraun am Hofe fragten nach der Mär,
Wer doch dieser fremde, stolze Ritter wär?
“Er ist so schön von Leibe, so reich ist sein Gewand!”
Da sprachen ihrer Viele: “Das ist der Held von Niederland.” (136)
 
 
Was man je begonnte, er war dazu bereit;
Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Fraue, die er noch nie geschaut,
Und die ihm doch viel Gutes in der Stille zugetraut. (137)
 
 
So oft man auf dem Hofe das Waffenspiel begann,
Ritter so wie Knechte, immer sah es an
Kriemhilde durch die Fenster, die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil bedurfte sie fürder mehr. (138)
 
 
Und wüst er dass ihn sähe, die er im Herzen trug,
So hätt er Kurzweile immer auch genug,
Ersehn sie seine Augen, ich glaube sicherlich,
Wohl keine andre Freude auf Erden erwünscht' er sich. (139)
 
 
Wenn er bei den Helden auf dem Hofe stand,
Wie man noch zur Kurzweil pflegt in allem Land,
Wohl stand er dann so minniglich, der Sieglinden-Sohn,
Dass manche Frau ihm zollte der Minne herzlichen Frohn. (140)
 
 
Er gedacht auch manche Stunde: “Wie soll das geschehn,
Dass ich das edle Mägdelein mit Augen möge sehn,
Die ich von Herzen minne, wie ich schon längst getan?
Die ist mir noch gar fremde; mit Trauern denk ich daran.” (141)
 
 
So oft die reichen Könige ritten in ihr Land,
So mussten auch die Recken mit ihnen all zur Hand:
Auch Siegfried ritt mit ihnen; das war den Frauen leid:
Er litt durch ihre Minne Beschwerde zu mancher Zeit. (142)
 
 
So wohnt' er bei den Herren, das ist alles wahr,
In König Gunthers Lande völliglich ein Jahr,
Dass er die Minnigliche in all der Zeit nicht sah,
Durch die ihm bald vieles Liebes und auch viel Leides geschah. (143)
 

4. Abenteuer
Wie Siegfried mit den Sachsen stritt

 
Nun kommen fremde Mären in König Gunthers Land
Durch Boten, die von ferne ihnen wurden zugesandt
Von unbekannten Recken, die ihnen trugen Hass:
Als sie die Rede hörten, gewiss betrübte sie das. (144)
 
 
Die will ich euch nennen: Es war Lüdeger
Aus der Sachsen Lande, ein König reich und hehr,
Dazu vom Dänenlande der König Lüdegast;
Die sandten auf die Reise gar manchen herrlichen Gast. (145)
 
 
Ihre Boten kamen in König Gunthers Land,
Die seine Widersacher hatten hingesandt;
Da frug man um Märe die Unbekannten gleich,
Und führte bald die Boten zu Hofe vor den König reich. (146)
 
 
Schön grüßte sie der König und sprach: “Seid willkommen!
Wer euch hieher gesendet, hab ich noch nicht vernommen:
Das sollt ihr hören lassen,” sprach der König gut.
Da bangten sie gewaltig vor des grimmen Gunthers Mut. (147)
 
 
“Wollt ihr erlauben, König, dass wir uns des Berichts
Entledgen, den wir bringen, so hehlen wir euch nichts.
Wir nennen euch die Herren, die uns hieher gesandt:
Lüdegast und Lüdeger die suchen heim euer Land. (148)
 
 
“Ihren Zorn habt ihr verdienet: wir erfuhren das,
Dass euch die Herren beide tragen großen Hass.
Sie wollen heerfahren nach Wormes an den Rhein:
Ihnen helfen viel der Degen: des sollt ihr gewarnet sein. (149)
 
 
“Binnen zwölf Wochen muss ihres Fahrt geschehn;
Habt ihr nun guter Freunde, so lasst es balde sehn,
Die euch befrieden helfen die Burgen und das Land:
Hier werden sie verhauen manchen Helm und Schildesrand. (150)
 
 
“Oder wollt ihr unterhandeln, so macht es offenbar,
So reitet euch so nahe nicht so manche Schar
Eurer starken Feinde zu bitterm Herzeleid,
Davon verderben müssen viel gute Ritter kühn im Streit.” (151)
 
 
“Nun harret eine Weile (ich künd euch meinen Mut),
Dass ich mich recht bedenke,” sprach der König gut.
“Hab ich noch Getreue, denen will ichs sagen,
Diese schwere Botschaft muss ich meinen Freunden klagen.” (152)
 
 
Gunther dem reichen war es leid genug;
Den Botenspruch er heimlich in seinem Herzen trug.
Er ließ berufen Hagen und andr' in seinem Lehn,
Und ließ auch gar geschwinde zu Hof nach Gernoten gehn. (153)
 
 
Da kamen ihm die Besten, so viel man deren fand.
Er sprach: “Die Feinde wollen heimsuchen unser Land
Mit starken Heerfahrten, das sei euch geklagt.”
Zur Antwort gab da Gernot, ein Ritter kühn und unverzagt: (154)
 
 
“Dem wehren wir mit Schwertern,” sprach da Gernot,
“Da sterben nur die müssen: Die lasset liegen tot.
Ich werde nicht vergessen darum der Ehre mein:
Unsere Widersacher sollen uns willkommen sein.” (155)
 
 
Da sprach von Tronje Hagen: “Das dünket mich nicht gut;
Lüdegast und Lüdeger sind voll Übermut,
Wir können uns nicht sammeln in so kurzen Tagen;”
So sprach der kühne Recke: “Man soll es Siegfrieden sagen.” (156)
 
 
Da gab man den Boten Herbergen in der Stadt;
Wie feind man ihnen wäre, sie gut zu pflegen bat
Gunther der reiche (das war wohlgetan),
Bis er erprobt an Freunden, wer folgen wolle seinem Bann. (157)
 
 
Der König trug im Herzen Sorge viel und Leid.
Da sah ihn also trauern ein Degen allbereit,
Der nicht wissen mochte was ihm war geschehn;
Da bat er König Gunthern, ihm die Märe zu gestehn. (158)
 
 
Da sprach Degen Siegfried: “Wunder nimmt mich dies,
Wie euch die frohe Weise so völlig verließ,
Deren ihr so lange mit uns mochtet pflegen.”
Zur Antwort gab ihm Gunther, der viel zierliche Degen: (159)
 
 
“Wohl mag ich allen Leuten nicht von dem Leide sagen,
Das ich muss verborgen in meinem Herzen tragen:
Steten Freunden klagen soll man des Herzens Not.”
Siegfriedens Farbe ward da bleich und wieder rot. (160)
 
 
Er sprach zu dem Könige: “Ich hab euch nichts versagt,
Ich will euch wenden helfen alles was ihr klagt;
Wollt ihr Freunde suchen, so will ich einer sein,
Und getrau es zu vollbringen mit Ehren bis ans Ende mein. (161)
 
 
Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, die Rede dünkt mich gut;
Und kann mir nimmer helfen eure Kraft und hoher Mut,
So freut mich doch die Märe, dass ihr so hold mir seid:
Leb ich noch eine Weile, ich bins zu lohnen bereit. (162)
 
 
Ich will euch hören lassen was mich traurig macht.
Von meinen Feinden wurde mir Botschaft überbracht,
Dass sie mich suchen wollen mit Heerfahrten hie:
Das geschah uns von Degen in diesem Lande noch nie.” (163)
 
 
“Das lasst euch wenig kümmer,” der Degen Siegfried bat
“Sänftet eure Gemüte und tut nach meinem Rat.
Lasst mich für euch erwerben Ehre so wie Frommen,
Und entbietet eure Degen, dass sie euch zu Hilfe kommen. (164)
 
 
Ob eure starken Feinde zu Helfern sich ersehn
Dreißigtausend Degen, so wollt ich sie bestehn,
Und hätt ich selbst nur tausend; verlasst euch auf mich.”
Da sprach der König Gunther: “Das verdien ich stets um dich. (165)
 
 
So helft mir eure Leute gewinnen tausend Mann,
Weil ich von den Meinen mehr nicht stellen kann
Als der Recken zwölfe: so wehr ich euer Land:
Immer soll getreulich euch dienen Siegfriedens Hand. (166)
 
 
Dazu sollen Hagen helfen und auch Ortewein,
Dankwart und Sindolt, die lieben Recken dein;
Auch soll da mit uns reiten Volker der kühne Mann;
Der soll die Fahne führen: keinen Bessern trefft ihr an. (167)
 
 
Und lasst die Boten reiten in ihrer Herren Land;
Dass sie uns bald da sähen, macht ihnen das bekannt,
So dass unsre Burgen befriedet müssen sein.”
Der König hieß besenden Freund und Mannen insgemein. (168)
 
 
Zu Hofe gingen wieder die Lüdeger gesandt,
Sie freuten sich der Reise zurück ins Heimatland;
Da bot ihnen reiche Gabe Gunther der König gut,
Und sicheres Geleite: des waren sie wohlgemut. (169)
 
 
“Nun saget,” sprach da Gunther, “den starken Feinden mein;
Sie möchten nicht zu eilig mit ihrer Reise sein;
Doch wollten sie mich suchen hier in meinem Land,
Mir zerrännen denn die Freunde, so werd ihnen Not bekannt.” (170)
 
 
Den Boten reiche Gabe man da zur Stelle trug,
Deren hatte Gunther zu geben genug:
Die durften nicht verschmähen die Lüdeger gesandt.
Sie nahmen ihren Urlaub und räumten fröhlich das Land. (171)
 
 
Als die Boten waren nach Dänemark gekommen,
Und der König Lüdegast den Botenspruch vernommen,
Wie sie vom Rheine schieden, als man ihm das gesagt,
Sein übermütig Wesen ward da sehr von ihm beklagt. (172)
 
 
Sie sagten ihm, sie hätten manch kühnen Mann im Lehn:
“Darunter sah man einen vor König Gunthern stehn,
Der war geheißen Siegfried, ein Held von Niederland.”
Leid war es Lüdegasten, als er die Dinge so befand. (173)
 
 
Als die vom Dänenlande hörten diese Mär,
Da eilten sie, der Freunde zu gewinnen desto mehr,
Bis der König Lüdegast aus seinem kühnen Bann
Zwanzig tausend Degen zu seiner Heerfahrt gewann. (174)
 
 
Da besandte sich auch von Sachsen der König Lüdeger,
Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr,
Womit sie reiten wollten nach Burgondenland.
Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt. (175)
 
 
Zu seinen Lehnsleuten und seiner Brüder Bann,
Die sie führen wollten im Kriegszug hindann,
Und auch zu Hagnes Recken: das tat den Helden Not.
Darum mussten Degen bald erschauen den Tod. (176)
 
 
Sie eilten sich zu rüsten. Als man die Fahrt begann,
Die Fahne musste führen Volker der kühne Mann;
So wollten sie von Wormes reiten überrhein:
Hagen von Tronje, der musste Scharmeister sein. (177)
 
 
“Herr König,” sprach da Siegfried, “bleibet ihr zu Haus,
Da mir eure Degen folgen zu dem Strauß,
So weilet bei den Frauen und traget hohen Mut:
Ich will euch wohl behüten die Ehre und auch das Gut. (178)
 
 
Die euch heimsuchen wollen zu Wormes an dem Rhein,
Dass sie zu Hause bleiben, will ich ihr Hüter sein:
Wir wollen ihnen reiten so nah ins eigne Land,
Dass ihnen bald in Sorge der Übermut wird gewandt.” (179)
 
 
Vom Rheine sie durch Hessen mit ihren Helden ritten
Nach dem Sachsenlande: da wurde bald gestritten.
Mit Raub und mit Brande verheerten sie das Land,
Dass bald den Fürsten beiden ward Not und Sorge bekannt. (180)
 
 
Sie kamen an die Marke; die Knechte rückten an.
Siegfried der Starke zu fragen da begann:
“Wer soll nun der Hüter des Gesindes sein?”
Wohl konnte nie den Sachsen ein Heerzug übler gedeihn. (181)
 
 
Sie sprachen: “Lasst des Volkes hüten auf den Wegen
Dankwart den kühnen, das ist ein schneller Degen:
Wir verlieren desto minder durch die in Lüdgers Lehn;
Lasst ihn mit Ortweinen hie die Nachhut versehn.” (182)
 
 
“So will ich selber reiten,” sprach Siegfried der Degen,
“Den Feinden gegenüber der Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde, wo die Recken sind.”
Da stand bald in den Waffen der schönen Sieglinde Kind. (183)
 
 
Das Volk befahl er Hagen als er zog hindann,
Und auch Gernoten, diesem kühnen Mann.
So ritt er ganz alleine in der Sachsen Land;
Da ward von ihm verhauen des Tages manches Helmes Band. (184)
 
 
Er sah ein groß Geschwader, das auf dem Felde zog,
Und eines einzeln Kräfte gewaltig überwog:
Es waren vierzigtausend oder wohl noch mehr;
Siegfried in hohem Mute sah gar fröhlich das Heer. (185)
 
 
Auch hatte sich ein Recke aus der Feinde Schar
Erhoben auf die Warte, der Macht heilt immerdar:
Den sah der Degen Siegfried, und ihn der kühne Mann;
Jedweder da des andern mit Zorn zu hüten begann. (186)
 
 
Ich sag euch, wer der wäre, der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde vor der Hand ihm lag;
Es war der König Lüdegast, der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte gewaltig auf ihn daher. (187)
 
 
Nun hatt auch ihn sich Lüdegast feindlich auserkoren;
Ihre Rosse reizten beide zur Seite mit den Sporen,
Sie neigten auf die Schilde den Schaft mit aller Kraft:
Da kam der reiche König davon in großer Sorgen Haft. (188)
 
 
Dem Stich gehorsam trugen die Rosse pfeilgeschwind
Die Könge zueinander, als wehte sie der Wind:
Dann mit den Zäumen lenkten sie ritterlich zurück:
Die grimmen zwei versuchten da mit dem Schwerte das Glück. (189)
 
 
Da schlug der Degen Siegfried, dass rings das Feld erklang.
Da stoben aus dem Helme, als ob man Brände schwang,
Die feuerroten Funken von des Helden Hand;
Den seinen jedweder an dem andern wieder fand. (190)
 
 
Da schlug auch ihm Herr Lüdegast gar manchen grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde mit allen Kräften lag.
Da hatten es wohl dreißig gewahrt aus seinem Bann:
Eh die zu Hilfe kamen den Sieg doch Siegfried gewann. (191)
 
 
Mit dreien starken Wunden, die er dem König schlug,
Durch einen weißen Harnisch; der war doch fest genug.
Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut;
Da gewann der König Lüdegast einen traurigen Mut. (192)
 
 
Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land,
Und sagt' ihm wie er wäre Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken, die hatten wohl gesehn
Was da von ihnen beiden war auf der Warte geschehn. (193)
 
 
Er wollt ihn führen dannen: Da ward er angerannt
Von dreißig seiner Mannen: Doch wehrte seine Hand
Seinen reichen Geisel mit ungestümen Schlägen:
Bald tat noch größern Schaden Siegfried der zierliche Degen. (194)
 
 
Die Dreißig da zu Tode der Degen wehrlich schlug;
Ihrer einen ließ er leben: Der ritt da schnell genug
Und brachte hin die Märe von dem was hier geschehn;
Auch konnte man die Wahrheit an seinem roten Helme sehn. (195)
 
 
Gar leid war das den Recken aus dem Dänenland,
Als ihres Herrn Gefängnis ihnen ward bekannt;
Man sagt' es seinem Bruder: der fing zu toben an
In ungestümem Zorne, denn ihm war wehe getan. (196)
 
 
Lüdegast der Recke ward hinweggebracht
Zu Gunthers Ingesinde von Siegfriedens Macht;
Er übergab ihn Hagen. Als ihnen ward gesagt,
Dass es der König wäre, da wurde mäßig geklagt. (197)
 
 
Man gebot den Burgonden: die Fahne bindet an.
“Wohlauf,” sprach da Siegfried, “hier wird noch mehr getan
Eh der Tag sich neiget, verlier ich nicht den Leib:
Das betrübt in Sachsen noch manches waidliche Weib. (198)
 
 
Ihr Helden von dem Rheine, ihr sollt mein nehmen wahr:
Ich kann euch wohl geleiten zu Lüdegers Schar;
Da gilts ein Helmverhauen von guter Helden Hand:
Eh wir uns wieder wenden, wird ihnen Sorge bekannt.” (199)
 
 
Zu den Rossen sprangen Gernot und die in seinem Bann.
Bald trug die Heerfahne der kühne Fiedelmann,
Volker der Herre, und ritt der Schar vorauf.
Da war auch das Gesinde zum Streite mutig und wohlauf. (200)
 
 
Es waren doch der Degen nicht mehr als tausend Mann,
Darüber zwölf Recken. Zu stieben da begann
Der Staub von den Straßen. Sie ritten über Land,
Man sah von ihnen glänzen manchen schönen Schildesrand. (201)
 
 
Nun waren auch die Sachsen mit ihrer Schar gekommen,
Mit Schwertern wohl gewachsen, das hab ich wohl vernommen;
Die Waffen schnitten mächtig den Helden an der Hand:
Da wollten sie die Gäste von Burgen wehren und Land. (202)
 
 
Der Herren Scharmeister führten das Volk hindann.
Da war auch Siegfried kommen mit den zwölf Mann,
Die er mit sich führte aus dem Niederland.
Des Tags sah man im Sturme manche blutige Hand. (203)
 
 
Sindold und Haunolt und auch Gernot,
Sie schlugen in dem Streite viel der Helden tot,
Eh sie recht erkundeten wie kühn war ihr Leib;
Das musste bald beweinen gar manches waidliche Weib. (204)
 
 
Volker und Hangen und auch Ortewein
Löschten in dem Streite manches Helmes Schein
Mit fließendem Blute, die Kühnen in der Schlacht.
Von Dankwarten wurden viel große Wunder vollbracht. (205)
 
 
Die vom Dänenlande versuchten ihre Hand;
Von Stößen laut erschallte mancher Schildesrand,
Und auch von scharfen Schwertern, deren man viel zerschlug;
Die streitkühnen Sachsen taten Schadens auch genug. (206)
 
 
Als die Burgonden drangen in den Streit,
Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit;
Da sah man über Sättel fließen das Blut:
So warben um die Ehre diese Helden kühn und gut. (207)
 
 
Man hörte laut erhallen den Helden an der Hand
Ihre scharfen Waffen, als die von Niederland
Ihrem Herrn nachdrangen in die dichte Schar:
Die Zwölfe kamen ritterlich zugleich mit Siegfrieden dar. (208)
 
 
Deren von dem Rheine kam ihnen niemand nach.
Man konnte fließen sehen den blutroten Bach
Durch die lichten Helme von Siegfriedens Hand,
Bis er Lüdegeren vor seinen Heergesellen fand. (209)
 
 
Dreimal die Wiederkehre hatt er nun genommen
Bis an des Heeres Ende; da war auch Hagen kommen:
Der half ihm wohl erfüllen im Kampfe seien Mut.
Da musste bald ersterben vor ihnen mancher Ritter gut. (210)
 
 
Als der starke Lüdeger Siegfrieden fand,
Wie er so erhaben trug in seiner Hand
Balmung den guten und da so manchen schlug,
Darüber ward der Degen erzürnt und grimmig genug. (211)
 
 
Da gab es stark Gedränge und großen Schwerterklang,
Als ihr Ingesinde aufeinander drang:
Da versuchten desto grimmer die beiden Recken sich;
Die Scharen wichen beide: Der Zorn wurde fürchterlich. (212)
 
 
Dem Vogt vom Sachsenlande war es wohl bekannt,
Sein Bruder sei gefangen, drum war er zornentbrannt;
Auch wusst er, ders vollbrachte, sei der Sieglinden-Sohn.
Man zeihte des Gernoten; doch bald befand es sich schon. (213)
 
 
Da schlug so starke Schläge König Lüdgers Schwert,
Dass ihm unterm Sattel strauchelte das Pferd;
Doch bald erhob sichs wieder. Der kühne Siegfried auch,
Der gewann in dem Sturme einen furchtbaren Brauch. (214)
 
 
Ihm half dabei Herr Hagen wohl und Gerenot,
Dankwart und Volker: da lagen viele tot.
Sindolt und Haunolt und Ortwein der Degen,
Die konnten in dem Streite zum Tote manchen niederlegen. (215)
 
 
Untrennbar in dem Sturme waren die Fürsten hehr.
Über die Helme fliegen sah man da manchen Speer
Durch die lichten Schilde von der Helden Hand;
Da sah man blutgerötet manchen schönen Schildesrand. (216)
 
 
In dem starken Sturme ließ sich mancher Mann
Nieder von den Rossen. Einander liefen an
Siegfried der kühne und König Lüdeger;
Da sah man Schäfte fliegen und manchen schneidigen Speer. (217)
 
 
Der Schildbeschlag des Königs zerbrach vor Siegfrieds Hand
Sieg zu erwerben dachte der Held von Niederland
An den kühnen Sachsen; sie litten Ungemach.
Hei! Was da lichte Panzer der kühne Dankwart zerbrach! (218)
 
 
Da hatte König Lüdeger auf einem Schild erkannt
Eine gemalte Krone vor Siegfriedens Hand:
Da wusst er wohl, er kämpfe mit dem kräftgen Mann:
Laut auf zu seinen Freunden der Held zu rufen begann: (219)
 
 
“Begebet euch des Streites, ihr all in meinem Bann!
Den Sohn Siegmundens traf ich hier an,
Siegfried den starken, den hab ich hier erkannt;
Den hat der böse Teufel her zu den Sachsen gesandt.” (220)
 
 
Er gebot die Fahne nieder zu lassen in dem Streit.
Friedens er begehrte: der ward ihm nach der Zeit.
Doch musst er Geisel werden in König Gunthers Land:
Das hat an ihm erzwungen König Siegfriedens Hand. (221)
 
 
Nach allgemeinem Rate ließ man ab vom Streit:
Viel der zerschlagnen Helme und der Schilde breit
Legten sie aus Händen; so viel man deren fand,
Sie waren blutgerötet von der Burgonden Hand. (222)
 
 
Sie fingen wen sie wollten, sie hatten volle Macht.
Gernot und Hagen, die schnellen hatten Acht,
Dass man die Wunden bahrte; da führten sie hindann
Gefangen nach dem Rheine der Kühnen fünfhundert Mann. (223)
 
 
Die sieglosen Recken zum Dänenlande ritten.
Da hatten auch die Sachsen so tapfer nicht gestritten,
Dass sie sich Lob erworben: Das War den Helden leid.
Da beklagten ihre Freunde die Gefallnen in dem Streit. (224)
 
 
Sie ließen ihre Waffen aufsäumen nach dem Rhein.
Es hatte wohl geworben mit den Händen sein
Siegfried der Recke, er hatt es wohl vollbracht:
Das musst ihm zugestehen König Gunthers ganze Macht. (225)
 
 
Nach Wormes sandte Boten der Degen Gernot:
Daheim in seinem Lande den Freunden er entbot,
Wie es gelungen wäre ihm und seinem Bann;
Wohl hatten da die Kühnen nach allen Ehren getan. (226)
 
 
Die Botenknaben liefen; da ward es angesagt;
Da freuten sich in Liebe, die eben Leid geklagt,
Dieser lieben Märe, die ihnen war gekommen.
Da ward von edeln Frauen großes Fragen vernommen: (227)
 
 
“Wie es gelungen wäre des reichen Königs Lehn?”
Man ließ der Boten einen zu Kriemhilden gehn.
Das geschah verstohlen, sie durft es wohl nicht laut;
Es war ja der darunter, dem ihr Herz sie vertraut. (228)
 
 
Als sie in ihre Kammer den Boten kommen sah,
Kriemhild die schöne gar gütlich sprach sie da:
“Nun sag mir frohe Märe, so geb ich dir mein Gold,
Und tust dus ohne Lügen, will ich dir immer bleiben hold. (229)
 
 
Wie schied aus dem Streite mein Bruder Gernot
Und andre meiner Freunde? Blieb uns jemand tot?
Oder wer tat das Beste? Das sollst du mir sagen.”
Da sprach der Bote balde: “Wir hatten nirgend einen Zagen. (230)
 
 
Zu des Streites Ernste ritt niemand so wohl,
viel edle Königstochter, weil ich es sagen soll,
Als der edle Fremdling aus dem Niederland:
Da wirkte große Wunder des kühnen Siegfriedes Hand. (231)
 
 
Was die Recken alle im Streite da getan,
Dankwart und Hagen und des Königs ganzer Bann,
Wie herrlich sie auch stritten, das war doch gar ein Wind
Allein gegen Siegfried, des Königs Siegmundes Kind. (232)
 
 
Sie haben in dem Sturme der Helden viel erschlagen;
Doch möcht euch dieser Wunder niemand ein Ende sagen,
Die da Siegfried wirkte, ritt er in den Streit.
Den Fraun an ihren Freunden tat er da mächtiges Leid. (233)
 
 
Da musste vor ihm fallen der Liebling mancher Braut.
Seine Schläge schollen auf Helmen also laut,
Dass sie aus Wunden brachten das fließende Blut:
Er ist in allen Dingen ein Ritter kühn und auch gut. (234)
 
 
Was da hat begangen von Metz Herr Ortewein:
Was er nur mocht erlangen mit dem Schwerte sein,
Das fiel vor ihm verwundert oder meistens tot.
Da schuf euer Bruder die allergrößeste Not, (235)
 
 
Die nur in Stürmen jemals mochte sein geschehn;
Man muss dem Auserwählten die Wahrheit zugestehn.
Die stolzen Burgonden sind da so gefahren,
Das sie vor allen Schanden die Ehre mochten bewahren. (236)
 
 
Man sah von ihren Händen der Sättel viel geleert,
Als so laut das Feld erhallte von manchem lichten Schwert.
Die Recken von dem Rheine, die ritten allezeit,
Dass ihre Feinde besser vermieden hätten den Streit. (237)
 
 
Auch die kühnen Tronjer schufen viel Beschwer,
Als mit Volkeskräften zusammen ritt das Heer.
Da schlug so manchen nieder des kühnen Hagen Hand,
Dass viel davon zu sagen wär in der Burgonden Land. (238)
 
 
Sindolt und Haunolt in Gernotens Bann,
Und Rumolt der kühne haben so viel getan,
Dass es Lüdeger wahrlich immerdar beklagt,
Dass er euern Brüdern hier am Rhein hat abgesagt. (239)
 
 
Streit, den allerhöchsten, der aber da geschah,
Vom ersten bis zum letzten, den jemand nur sah,
Den focht der Degen Siegfried mit ritterlicher Hand:
Er bringt reiche Geisel her in König Gunthers Land. (240)
 
 
Die zwang mit seinen Kräften der streitbare Held,
Wovon der König Lüdegast den Schaden nun behält,
Und auch von Sachsenlanden sein Bruder Lüdeger:
Nun höret meine Märe, viel edle Königin hehr! (241)
 
 
Die beiden hat gefangen Siegfriedens Hand;
Nie so mancher Geisel kam in dieses Land
Als nun durch seine Tugend kommt an den Rhein.”
Ihr konnten diese Mären wohl nicht willkommener sein. (242)
 
 
“Die bringen der Gesunden fünfhundert oder mehr,
Und der zum Sterben wunden, das wisset, Königin hehr,
Wohl achtzig rote Bahren her in unser Land:
die hat zumeist verhauen des kühnen Siegfriedes Hand. (243)
 
 
Die uns so übermütig widersagten hier am Rhein,
Die müssen nun Gefangene König Gunthers sein:
Die bringt man mit Freuden her in dieses Land.”
Ihre lichte Farb erblühte, als ihr die Märe ward bekannt. (244)
 
 
Ihr Antlitz, das schöne, wurde rosenrot,
Da glücklich war geschieden aus so großer Not
Siegfried der junge, der waidliche Mann.
Sie war auch froh der Freunde; da tat sie gar wohl daran. (245)
 
 
Da sprach die Minnigliche: “Du hast mir Heil bekannt,
Dafür zum Lohne lass ich dir geben reich Gewand,
Und zehen Mark von Golde; die soll man dir tragen.”
Drum mag man solche Märe reichen Frauen gerne sagen. (246)
 
 
Man gab ihm zum Lohne das Geld und auch das Kleid.
Da trat an die Fenster wohl manche schöne Maid
Und schaute nach der Straße, durch die man reiten fand
Viel hochbeherzte Degen in der Burgonden Land. (247)
 
 
Da kamen die Gesunden, der Wunden Schar auch kam:
Die mochten grüßen hören von Freunden ohne Scham.
Der Wirt ritt seinen Gästen entgegen hoch erfreut:
Mit Freuden war beendet all sein mächtiges Leid. (248)
 
 
Da empfing er wohl die Seinen, die Fremden auch zugleich,
Wie es nicht anders ziemte dem Könige reich,
Als denen gütlich danken, die da waren kommen,
Dass sie den Sieg mit Ehren im Sturme hatten genommen. (249)
 
 
Da ließ sich Gunther Kunde von seinen Freunden sagen,
Wer ihm auf der Reise zu Tode wär erschlagen:
Da hatt er nichts verloren bis auf sechzig Mann;
Die musste man verschmerzen wie man noch manchen getan. (250)
 
 
Da brachten die Gesunden zerhauen manchen Rand,
Und viel zerschrotne Helme in König Gunthers Land.
Das Volk sprang von den Rossen vor des Königs Saal;
Zu liebem Empfange vernahm man größlichen Schall. (251)
 
 
Da gab man Herbergen den Recken in der Stadt.
Der König seine Gäste wohl zu pflegen bat;
Den Wunden ließ er Wartung und gute Ruh verleihn:
Wohl ließ er seine Tugend an den Feinden sichtbar sein. (252)
 
 
Er sprach zu Lüdegasten: “Nun seid mir willkommen.
Ich habe großen Schaden durch eure Schuld genommen:
Das wird mir nun vergolten, wenn ich das Glück gewann.
Gott lohne meinen Freunden; sie haben Liebes mir getan.” (253)
 
 
“Wohl mögt ihr ihnen danken,” sprach da Lüdeger,
“Solche hohe Geisel gewann kein König mehr.
Um ritterlich gewahrsam geben wir großes Gut,
Und bitten, dass ihr gnädiglich hier an euern Feinden tut.” (254)
 
 
“Ich will euch,” sprach er, “Beide ledig lassen gehn;
Nur dass meine Feinde hier bei mir bestehn,
Dafür verlang ich Bürgschaft, auf dass sie nicht mein Land
Verlassen ohne Frieden.” Darauf gab Lüdger die Hand. (255)
 
 
Man brachte sie zur Ruhe, wo man sie wohl verpflag,
Und bald auf guten Betten mancher Wunde lag.
Man schenkte den Gesunden Met und guten Wein:
Da konnte das Gesinde nimmer fröhlicher sein. (256)
 
 
Die zerhaunen Schilde man zum Verschlusse trug;
Blutgefärbter Sättel waren da genug:
Die ließ man verbergen, so weinten nicht die Fraun.
Da waren reisemüde viel gute Ritter zu schaun. (257)
 
 
Der König seine Gäste gar gütlich verpflag.
Von Heimischen und Fremden das Land erfüllet lag;
Er ließ die Fährlichwunden gütlich verpflegen:
Wie hart war darnieder nun ihr Übermut gelegen! (258)
 
 
Den wohlerfahrnen Ärzten bot man reichen Sold,
Silber ungewogen, dazu das lichte Gold,
Wenn sie die Helden heilten nach des Streites Not
Dazu viel große Gabe der König seinen Gästen bot. (259)
 
 
Wer wieder heimzureisen sann in seinem Mut,
Den bat man noch zu bleiben, wie man mit Freunden tut.
Der König ging zu Rate, wie er lohne seinen Bann:
Sie hatten seinen Willen nach allen Ehren getan. (260)
 
 
Da sprach der Herrne Gernot: “Lasst sie jetzt hindann:
Über sechs Wochen, sei ihnen kund getan,
Mögen sie wieder kommen zu einem Hofgelag:
Heil ist dann mancher, der erst schwer verwundet lag.” (261)
 
 
Da bat auch um den Urlaub Siegfried von Niederland.
Als dem König Gunther sein Wille ward bekannt,
Bat er ihn gar minniglich, noch bei ihm zu bestehn:
Wenn nicht um seine Schwester, so wär es nimmer geschehn. (262)
 
 
Dazu war er zu mächtig, dass man ihm böte Sold;
Er hätt es wohl verdienet. Der König war ihm hold,
Und alle seine Freunde, die das mit angesehn,
Was da von seinen Händen in dem Kampfe war geschehn. (263)
 
 
Um der Schönen willen er noch zu bleiben sann,
Vielleicht, dass er sie sähe; was ward auch bald getan:
Ganz nach seinem Wunsche ward ihm die Magd bekannt.
Dann ritt er reich an Freuden heim in König Siegmunds Land. (264)
 
 
Der Wirt bat alle Tage der Ritterschaft zu pflegen:
Das tat mit gutem Willen mancher junge Degen;
Auch ließ er Sitz' errichten vor Wormes an dem Strand,
Denen die kommen sollten in der Burgonden Land. (265)
 
 
Nun hatt auch in den Tagen, als sie sollten kommen,
Kriemhild die schöne die Märe wohl vernommen,
Er stellt ein Hofgelage mit lieben Freunden an:
Da dachten schöne Frauen mit großem Fleiße daran, (266)
 
 
Gewand und Band zu suchen, das sie da wollten tragen.
Ute die Reiche vernahm die Märe sagen
Von den stolzen Recken, die da sollten kommen:
Da wurden aus der Lade viel reiche Kleider genommen. (267)
 
 
Ihrer Kinder willen ließ sie bereiten manches Kleid,
Womit gezieret wurden viel Fraun und manche Maid,
Und viel der jungen Recken aus Burgondenland.
Sie ließ auch manchem Fremden bereiten herrlich Gewand. (268)
 

5. Abenteuer
Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah

 
Man sah der Helden täglich reiten an den Rhein,
Die bei dem Hofgelage gerne wollten sein.
Die Gunthern zu Liebe kamen in das Land,
Deren bot man Etlichen so Rosse wie auch Gewand. (269)
 
 
Da waren auch die Sitze allen schon erhöht,
Den Höchsten und den Besten, wie die Sage geht,
Zweiunddreißig Fürsten bei dem Hofgelag:
Da zierten alle Frauen sich um die Wette für den Tag. (270)
 
 
Da zeigte sich geschäftig der junge Geiselher.
Die Heimischen und Fremden mit gütlicher Gebehr
Empfing er sie mit Gernot und beider Fürsten Bann:
Wohl grüßten sie die Degen, wie es nach Ehren ward getan. (271)
 
 
Viel goldroter Sättel führten sie ins Land;
Zierliche Schilde und herrlich Gewand
Brachten sie zum Rheine bei dem Hofgelag:
Mancher Ungesunde der Freude von neuem pflag. (272)
 
 
Die wund im Bette lagen und litten harte Not,
Die mussten nun vergessen wie bitter sei der Tod;
Die Siechen und die Kranken vergaß man zu beklagen:
Es freute sich ein jeder entgegen festlichen Tagen. (273)
 
 
Wie sie da leben wollten im gastlichen Genuss!
Wonnen ohne Maßen, Freuden im Überfluss
Hatten alle Leute, so viel man immer fand:
Da hob sich große Freude über Gunthers ganzes Land. (274)
 
 
An einem Pfingsttage sah man des Morgens ziehn
Wonniglich gekleidet gar manchen Ritter kühn,
Fünftausend oder drüber, dem Hofgelag entgegen;
Da hub um die Wette viel Kurzweil sich allerwegen. (275)
 
 
Der Wirt, der hatt im Sinne, was er schon längst erkannt,
Wie so aus ganzer Seele der Held von Niederland
Seine Schwester liebe, ob er sie nie gesehn,
Der man den Preis erteilte vor allen Jungfrauen schön. (276)
 
 
* Er sprach: “Nun ratet alle, Freund oder Untertan,
Wie wir das Hofgelage am besten ordnen an,
Dass man uns nicht drum schelten möge nach der Zeit;
Es liegt doch an den Werken zuletzt das Lob, das man uns beut.” (277)
 
 
Da sprach zu dem Könige der Degen Ortwein:
“Wollt ihr mit vollen Ehren bei dem Hofgelage sein,
So lasst die lieben Kinder vor euern Gästen sehn,
Denen so viel Ehren bei den Burgonden geschehn. (278)
 
 
“Was wäre Mannes Wonne, was sollt er gerne schaun,
Wenn nicht schöne Mägdlein und herrliche Fraun?
Drum lasst eure Schwester zu den Gästen gehn.”
Der Rat war manchem Helden zu großer Freude geschehn. (279)
 
 
“Dem will ich gerne folgen,” der König sprach da so.
Alle die es hörten waren darüber froh.
Er entbots Frau Utens Tochter wohlgetan,
Dass sie mit ihren Mägdelein zu Hofe ginge hinan. (280)
 
 
Da ward aus den Schreinen gesuchet gut Gewand,
So viel man in der Lade des edeln Staates fand,
Von Borten und von Spangen: Des lag genug bereit.
Da zierte sich gar ritterlich manche waidliche Maid. (281)
 
 
Mancher junger Recke wünschte heut so sehr,
Dass er bei den Frauen gern gesehen wär,
Dass er dafür nicht nähme eines reichen König Land:
Sie sahen die da gerne, die ihnen waren bekannt. (282)
 
 
Da ließ der reiche König mit seiner Schwester gehn
Hundert seiner Recken, zu ihrem Dienst ersehn,
Mit ihr und seiner Mutter, die Schwerter in der Hand:
Das war das Hofgesinde in der Burgonden Land. (283)
 
 
Ute die reiche sah man mit ihr kommen,
Die hatte schöner Frauen sich zum Geleit genommen
Hundert oder drüber, geschmückt mit reichem Kleid;
Auch ihrer Tochter folgte manche waidliche Maid. (284)
 
 
Aus eines Zimmers Türe sah man sie alle gehn.
Da musste großes Drängen von Helden bald geschehn,
Die alle harrend standen, ob es möge sein,
Dass sie da fröhlich sähen dieses edle Mägdelein. (285)
 
 
Da kam die Minnigliche: So tritt das Morgenrot
Hervor aus trüben Wolken. Da schied von mancher Not
Der sie im Herzen hegte, was lange war geschehn.
Er sah die Minnigliche nun gar herrlich vor sich stehn. (286)
 
 
Von ihrem Kleide leuchtete mancher Edelstein,
Ihre rosenrote Farbe gab minniglichen Schein.
Was jemand wünschen mochte, er musste doch gestehn,
Dass er auf dieser Erde noch nichts so Schönes gesehn. (287)
 
 
Wie der lichte Vollmond vor den Sternen schwebt,
Des Schein so hell und lauter sich aus den Wolken hebt,
So glänzte sie in Wahrheit vor andern Frauen gut:
Das mochte wohl erheben hier manchem Helden den Mut. (288)
 
 
Die reichen Kämmerlinge schritten vor ihr her;
Die hochgemuten Degen ließen es nun nicht mehr:
Sie drängten, dass sie sähen die minnigliche Maid.
Siegfried dem Degen war es leib und wieder leid. (289)
 
 
Er sprach in seinem Sinne: “Wie dacht ich je daran,
Dass ich dich minnen sollte? Das ist ein eitler Wahn;
Soll ich dich aber meiden so wär ich sanfter tot.”
Er ward von Gedanken oft bleich und oft wieder rot. (290)
 
 
Da sah man den Sieglinden-Sohn so minniglich da stehn,
Als ob er wär entworfen auf einem Pergamen
Von guten Meisters Händen: Gern man ihm gestand,
Dass man nie im Leben so schönen Helden noch fand. (291)
 
 
Die mit der Fraue gingen, die hießen aus den Wegen
Jeden vor ihr weichen: dem folgte mancher Degen.
Sie freuten sich im Herzen die Wonnigen zu schaun:
Man sah in hohen Züchten viel der waidlichen Fraun. (292)
 
 
Da sprach von Burgonden der Herre Gernot:
“Dem Helden der so gütlich euch seine Dienste bot,
Gunther, lieber Bruder, dem bietet hier den Lohn
Vor allen diesen Recken: Des Rates spricht mir niemand Hohn. (293)
 
 
“Heißet Siegfrieden zu meiner Schwester kommen,
Dass ihn das Mägdlein grüße: Das bringt uns immer Frommen:
Die niemals Recken grüßte, soll sein mit Grüßen pflegen,
Dass wir uns so gewinnen diesen zierlichen Degen.” (294)
 
 
Des Wirtes Freunde gingen, wo man den Helden fand;
Sie sprachen zu dem Recken aus dem Niederland;
“Der König hat erlaubet, ihr sollt zu Hofe gehn,
Seine Schwester soll euch grüßen, die Ehre soll euch geschehn.” (295)
 
 
Der Held in seinem Mute war da hoch erfreut,
Er trug in seinem Herzen Liebe sonder Leid,
Dass er der schönen Ute Tochter sollte sehn:
Minniglicher Weise sie grüßte Siegfrieden schön, (296)
 
 
Als sie den Hochgemuten vor sich stehen sah.
Da erglühte seine Farbe; die Schöne sagte da:
“Willkommen, Herr Siegfried, ein edler Ritter gut.
Da ward ihm von dem Gruße wohl erhöhet der Mut. (297)
 
 
Er neigte sich ihr minniglich, als er Dank ihr bot;
Da zwnag sie zueinander sehnender Minne Not;
Mit liebem Blick der Augen sahn einander an
Der Held und auch das Mägdelein; das ward verstohlen getan. (298)
 
 
Ward freundlich da geliebkos't ihre weiße Hand
In rechter Herzensminne, das ist mir nicht bekannt.
Doch kann ich auch nicht glauben, sie hättens nicht getan:
Zwei liebende Herzen täten unrecht daran. (299)
 
 
Zu des Sommers Zeiten und in des Maien Tagen
Durft er in seinem Herzen nimmer wieder tragen
So viel der hohen Wonne, als er da gewann,
Da sie ihm ging zur Seite, die der Held zu minnen sann. (300)
 
 
Da gedachte mancher Recke: “Hei! Wär mir so geschehn,
Dass ich ihr ging zur Seite, wie ich ihn gesehn,
Oder bei ihr läge! Das nähm ich gerne hin.”
Es diente nie ein Recke so gut einer Königin. (301)
 
 
Aus welchen Königs Landen ein Gast gekommen war,
Er nahm im ganzen Saale nur dieser beiden wahr.
Ihr ward erlaubt zu küssen den waidlichen Mann:
Ihm ward auf dieser Erde nie so Liebes getan. (302)
 
 
Von Dänemark der König begann und sprach sogleich:
“Des hohen Grußes willen liegt mancher krank und bleich,