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Zu der Mette ginge lange vor dem Tag,
Deren Frau Kriemhilde wohl selten eine verlag. (1034)
Da hörte man wie immer zum Münster das Geläut:
Die schöne Kriemhilde weckte manche Maid.
Ein Licht hieß sie sich bringen und auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer einer hin wo er Siegfrieden fand. (1035)
Er sah ihn rot von Blute, all sein Gewand war nass:
Dass sein Herr es wäre, mit Nichten wusst er das.
Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand,
Bei dem Frau Kriemhilde die leide Märe befand. (1036)
Als sie mit ihren Frauen zur Kirche wollte gehn,
“Fraue,” sprach der Kämmrer, “ihr mögt noch stille stehn:
Es liegt vor dem Gemache ein Ritter tot geschlagen.”
“O weh,” sprach Kriemhilde, “was willst du solche Botschaft sagen?” (1037)
Eh sie noch selbst gesehen es sei ihr lieber Mann,
An die Frage Hagens zu denken sie begann,
Wie er ihn schützen möge: da ahnte sie ihr Leid.
Mit seinem Tod entsagte sie aller Lust und Fröhlichkeit. (1038)
Sie sank zu der Erden, kein Wort mehr sprach sie da;
Die schöne Freudenlose man da liegen sah.
Kriemhildens Jammer wurde groß und voll;
Sie schrie mit solchen Kräften, dass all die Kammer erscholl. (1039)
Da sprach das Gesinde: “Ists nicht ein fremder Mann?”
Das Blut ihr aus dem Munde vor Herzensjammer rann.
Sie sprach: “Nein, Siegfried ist es, mein geliebter Mann:
Brunhild hats geraten und Hagen hat es getan.” (1040)
Sie ließ sich hingeleiten wo sie den Helden fand,
Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand.
So rot er war von Blute, sie hatt ihn gleich erkannt:
Da lag zu großem Jammer der Held von Nibelungenland. (1041)
Da rief in Trauertönen die Königin mild:
“O weh mir dieses Leides! Nun ist dir doch dein Schild
Mit Schwertern nicht verhauen: Dich fällte Meuchelmord.
Wüsst ich wers vollbrachte, ich wollt es rächen immerfort.” (1042)
All ihr Ingesinde wehklagte laut und schrie
Mir seiner lieben Fraue; heftig schmerzte sie
Der Tod des edeln Herren, der da war verlorn.
Gar übel hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn. (1043)
Da sprach die Jammerhafte: “Nun mag einer gehn,
Und mir in Eile wecken die in Siegfrieds Lehn.
Ihr sollt auch Siegmunden meinen Jammer sagen,
Ob er mir helfen wolle den kühnen Siegfried beklagen.” (1044)
Da lief ein Bote balde wo er sie schlafen fand,
Siegfriedens Helden von Nibelungenland.
Mit seinen leiden Mären ihre Freud er ihnen nahm;
Sie wollten es nicht glauben, bis man das Weinen vernahm. (1045)
Dahin auch kam der Bote wo der König lag.
Siegmund der Herre keines Schlafes pflag:
Er fühlte wohl im Herzen voraus, was ihm geschehn
Und dass er Siegfrieden nimmer sollte wiedersehn. (1046)
“Wacht auf, König Siegmund, es hieß mich zu euch gehn
Kriemhilde, meine Fraue: Der ist ein Leid geschehn,
Das ihr vor allen Leiden wohl das Herz versehrt;
Das sollt ihr klagen helfen, da es auch euch widerfährt.” (1047)
Auf richtete sich Siegmund: “Was ist es, was sie klagt,
Die schöne Kriemhilde, das Leid, das du gesagt?”
Da sprach der Bote weinend: “Ich muss es euch wohl sagen:
Es liegt von Niederlanden der kühne Siegfried erschlagen.” (1048)
Da sprach König Siegmund: “Lasst das Scherzen sein,
Und so böse Märe, bei der Liebe mein!
Und sagt es niemand wieder, dass er sei erschlagen,
Denn ich konnt es nie genug bis an mein Ende beklagen.” (1049)
“Wollt ihr mir nicht glauben, was ich euch gesagt,
So mögt ihr selber hören wie Kriemhilde klagt,
Und all ihr Ingesinde um Siegfriedens Tor.”
Gar sehr erschrak da Siegmund, es schuf ihm wahrhafte Not. (1050)
Mit hundert seiner Mannen er von dem Bette sprang.
Sie zuckten zu den Händen die scharfen Waffen lang;
Zu dem Wehruf liefen sie jammersvoll heran.
Da kamen tausend Recken in des kühnen Siegfried Bann. (1051)
Wo sie in Jammerlauten die Frauen hörten klagen:
Da meint' ein Teil, sie müssten doch billig Kleider tragen.
Wohl mochten sie vor Jammer der Sinne Macht nicht haben:
Es lag eine große Schwere in ihrem Herzen begraben. (1052)
Da kam der König Siegmund hin wo er Kriemhild fand.
Er sprach: “O weh der Reise hieher in dieses Land!
Wer hat euch euern Gatten, wer hat mir selbst mein Kind
So mörderisch entrissen, wenn wir bei guten Freunden sind?” (1053)
“Wenn ich den nur kennte,” sprach die Königin,
“Hold würd ihm nimmer mein Herz noch mein Sinn:
Ich wollt es so vergelten, dass all die Freunde sein
Um meinetwillen sollten in währender Klage sein.” (1054)
Siegmund der König den Fürsten umschloss;
Da ward von seinen Freunden der Jammer also groß,
Dass von dem starken Wehruf Pallas und Saal
Und die Stadt zu Wormes rings erscholl im Wiederhall. (1055)
Da konnte niemand trösten Siegfriedens Weib.
Man zog aus den Kleidern seinen schönen Leib,
Man wusch ihm seine Wunde und legt' ihn auf die Bahr;
Wie weh vor großem Jammer seinen Leuten da war! (1056)
Da sprachen seine Recken aus Nibelungenland:
“Immer ihn zu rächen ist willig unsre Hand.
Er ist in diesem Hause der es hat getan.”
Da eilten sich zu waffnen die Degen in Siegfrieds Bann. (1057)
Die Auserwählten kamen mit ihren Schilden her,
Elfhundert Recken; die hatt in seinem Heer
Siegmund der Reiche: Seines Sohnes Tod
Hätt er gern gerochen, wie seine Treue das gebot. (1058)
Sie wussten nicht, mit wem sie zu streiten sollten gehn,
Wenn es nicht Gunther wäre und die in seinem Lehn,
Mit welchen Herr Siegfried zur Jagd ritt jenen Tag.
Kriemhild sah sie gewaffnet: Das war ihr ander Ungemach. (1059)
Wie groß auch war ihr Jammer, wie stark auch ihre Not,
Sie besorgte doch so heftig der Nibelungen Tod
Von ihrer Brüder Mannen, dass sie dawider sprach:
Sie warnten sie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden pflag. (1060)
Da sprach die Jammersreiche: “Mein König Siegmund,
Was wollt ihr beginnen? Euch ist wohl nicht kund:
Es hat der König Gunther so manchen kühnen Mann:
Ihr wollt euch all verderben, greift ihr diese Recken an.” (1061)
Mit aufgehobnen Schwerten tat ihnen Streiten Not.
Die edle Königstochter, sie hat und auch gebot
Dass es meiden sollten die Recken allbereit:
Sie wollten es nicht lassen: Das war ihr gar ein Herzeleid. (1062)
Sie sprach: “Mein König Siegmund, steht damit noch an,
Bis es sich besser füget: So will ich meinen Mann
Euch immer rächen helfen. Der mir ihn hat benommen,
Wird er mir bewiesen, dem muss es noch zu Schaden kommen. (1063)
“Es sind der Übermütigen hier am Rheine viel,
Dass ich euch zum Streite jetzt nicht raten will:
Sie haben wider einen wohl an dreißig Mann;
Mög ihnen Gott vergelten was sie uns haben getan. (1064)
“Bleibet hier im Hause und tragt mit mir das Leid
Bis es beginnt zu tagen, ihr Helden allbereit:
Dann helft ihr mir besargen meinen lieben Mann.”
Da sprachen die Degen: “Liebe Frau, das sei getan.” (1065)
Es könnt euch des Wunders ein Ende Niemand sagen,
Die Ritter und die Frauen, wie man sie hörte klagen
Bis man des Jammerrufes ward in der Stadt gewahr.
Die edeln Bürgersleute eilten sich und kamen dar. (1066)
Sie klagten mit den Gästen, sie schmerzte der Verlust.
Was Siegfried verbrochen war ihnen unbewusst,
Weshalb der edle Recke Leben ließ und Leib.
Da weinte mit den Frauen manchen guten Bürgers Weib. (1067)
Schmiede hieß man eilen und schaffen einen Sarg
Von Silber und von Golde, mächtig und stark,
Und hieß ihn wohl beschlagen mit Stahle, der war gut.
Da war allen Leuten gar sehr beschweret der Mut. (1068)
Die Nacht war vergangen, man sagt', es wollte tagen:
Da ließ die edle Fraue zu dem Münster tragen
Siegfried den Herren, ihren lieben Mann.
Mit ihr gingen weinend was sie der Freunde gewann. (1069)
Da sie zum Münster kamen, wie manche Glocke klang!
Man hörte allenthalben manchen Pfaffen Sang.
Da kam der König Gunther herzu mit seinem Bann
Und auch der grimme Hagen: Sie hättens klüger nicht getan. (1070)
Er sprach: “Liebe Schwester, o weh des Leides dein,
Dass wir nicht ledig mögen so großen Schadens sein!
Wir müssen immer klagen um Siegfriedens Leib.”
“Daran tut ihr Unrecht,” sprach das jammerhafte Weib. (1071)
“Wenn euch das betrübte, so wär es nicht geschehn.
Ihr hattet mein vergessen, das muss ich wohl gestehn,
Als ich geschieden wurde, von meinem lieben Mann.
Wollte Gott vom Himmel, ihr hättet mir das getan.” (1072)
Sie hielten sich am Leugnen. Kriemhilde da begann:
Wer unschuldig sein will, leicht ist es dargetan,
Er darf nur zu der Bahre hier vor dem Volke gehn:
Da mag man gleich zur Stelle sich der Wahrheit versehn. (1073)
Das ist ein großes Wunder, wie es noch oft geschieht,
Wenn man den Mordbefleckten bei dem Toten sieht,
So bluten ihm die Wunden, wie es auch jetzt geschah;
Daher man nun der Untat sich zu Hagen versah. (1074)
Die Wunden flossen wieder so stark als je vorher.
Die erst so heftig klagten, die weinten nun noch mehr.
Da sprach König Gunther: “Nun hört die Wahrheit an:
Ihn erschlugen Schächer: Hagen hat es nicht getan.” (1075)
“Mir sind diese Schächer,” sprach sie, “wohl bekannt:
Nun lass es Gott noch rächen von seiner Freunde Hand!
Gunther und Hagen, ihr habt es wohl getan.”
Da wollten wieder streiten die Degen in Siegfrieds Bann. (1076)
Da sprach aber Kriemhild: “Ertragt mit mir die Not.”
Da kamen auch die beiden, wo sie ihn fanden tot,
Gernot ihr Bruder und Geiselher das Kind:
Sie beklagten ihn in Wahrheit; ihr Augen wurden tränenblind. (1077)
Da weinten sie von Herzen um Kriemhildens Mann.
Man wollte Messe singen. Zum Münster heran
Gingen allenthalben, beides, Mann und Weib.
Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten um Siegfrieds Leib. (1078)
Geiselher und Gernot, die sprachen: “Schwester mein,
Nun tröste dich des Todes, es muss nun also sein;
Wir wollen dirs ersetzen so lange wir leben.”
Da wusst ihr doch niemand auf Erden Trostes zu geben. (1079)
Sein Sarg war geschmiedet wohl um den hohen Tag;
Man hob ihn von der Bahre, worauf der Tote lag.
Da wollt ihn noch die Fraue nicht lassen begraben:
Drob mussten alle Leute großen Kummer noch haben. (1080)
In kostbare Zeuge man den Toten wand.
Gewiss dass man da niemand ohne Tränen fand.
Da klagt' aus vollem Herzen Ute das edle Weib,
Und all ihr Ingesinde um Siegfrieds herrlichen Leib. (1081)
Als das Volk vernommen, dass man im Münster sang
Und ihn besargt hatte, da hob sich großer Drang;
Um seiner Seele willen was man da Opfer trug!
Er hatte bei den Feinden doch guter Freunde genug. (1082)
Kriemhild die arme zu den Kämmerlingen sprach:
“Ihr sollt um meinetwillen leiden Ungemach:
Die ihm Gutes gönnen und mir blieben hold,
Um Siegfriedens Seele verteilt an diese sein Gold.” (1083)
Da war kein Kind so kleine, mocht es Verstand nur haben
Das nicht zum Opfer ginge eh er ward begraben.
Wohl an hundert Messen man des Tages sang;
Von Siegfriedens Freunden hob sich da mächtiger Drang, (1084)
Als die gesungen waren verlief die Menge sich
Da sprach Frau Kriemhilde: “Ihr sollt nicht einsam mich
Heunt bewachen lassen den auserwählten Degen:
Es ist an seinem Leibe all meine Freude gelegen. (1085)
“Drei Tag und drei Nächte will ich verwachen dran,
Bis ich mich ersättige an meinem lieben Mann.
Vielleicht dass Gott gebietet, dass mich auch rafft der Tod:
So wäre wohl beendet der armen Kriemhilde Not.” (1086)
Zu den Herbergen gingen die Leute von der Stadt
Die Pfaffen und die Mönche sie zu verweilen bat
Und all das Ingesinde, das des Helden pflag:
Sie hatten üble Nächte und gar mühselgen Tag. (1087)
Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann
Wers nicht gern entbehrte, dem ward kundgetan,
Man gäb ihm gern die Fülle: Das schuf Herr Siegemund.
Da ward den Nibelungen große Beschwerde kund. (1088)
* In diesen drei Tagen, so hörten wir sagen,
Mussten mit Kriemhilden viel Beschwerde tragen
Die da singen konnten: Was man der Opfer trug!
Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug. (1089)
Was man fand der Armen, die wenig mochten haben,
Die ließ sie mit dem Golde bringen Opfergaben
Aus ihrer eignen Kammer: Er durfte nicht mehr leben,
Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben. (1090)
Urbarer Erde Güter verteilte sie im Land,
So viel man da der Klöster und guter Leute fand.
Den Armen gab man Silber und Gewand genug.
Sie ließ es wohl erkennen wie holde Liebe sie ihm trug. (1091)
An dem dritten Morgen zur rechten Messezeit
Sah man bei dem Münster den ganzen Kirchhof weit
Von des Volkes Weinen und Klagen also voll:
Sie dienten ihm im Tode wie man lieben Freunden soll. (1092)
In diesen vier Tagen, so hörten wir die Mär,
An dreißigtausend Marken oder gar noch mehr
Ward um seine Seele den Armen hingegeben.
Indes war gar zerronnen seine Schöne wie sein Leben. (1093)
Als der Dienst beendet, verhallt war der Gesang,
Mit ungestümen Leide des Volkes Menge rang.
Man ließ ihn aus dem Münster zu dem Grabe tragen:
Da hörte man nichts anders als ein Weinen und ein Klagen. (1094)
Mit lautem Wehrufe schloss das Volk sich an:
Froh war da niemand, weder Weib noch Mann.
Eh er bestattet wurde las und sang man da:
Hei! Was man guter Pfaffen bei seinem Begräbnis sah! (1095)
Bevor da kam zum Grabe Siegfriedens Weib,
Da rang mit solchem Jammer ihr getreuer Leib,
Dass man sie aus dem Brunnen mit Wasser oft begoss:
Ihre Herzenschwere war über die Maßen groß. (1096)
Es war ein großes Wunder, dass sie gesund entkam,
Es halfen ihr mit Klagen viel Frauen lobesam.
Da sprach die Königswitwe: “Ihr in Siegfrieds Lehn,
Ihr sollt bei eurer Treue an mir Genade begehn. (1097)
“Lasst mir nach meinem Leide eine kleine Gunst geschehn,
Dass ich sein schönes Angesicht noch einmal möge sehn.”
Sie bat mit Jammerssinnen so lang und so stark,
Dass man zerbrechen musste den schön geschmiedeten Sarg. (1098)
Da brachte man die Fraue, wo sie ihn liegen fand:
Sie erhob sein schönes Angesicht mit ihrer weißen Hand
Und küsste so den Toten, den edeln Ritter gut:
Ihre lichten Augen vor Leide weinten sie Blut. (1099)
Ein jammervolles Scheiden sah man da geschehn.
Da trug man sie von dannen, sie vermochte nicht zu gehn.
Da fand man ohne Sinne das herrliche Weib:
Vor Leide wollt ersterben ihr viel wonniglicher Leib. (1100)
Als der edle Degen also begraben war,
Sah man in großem Leide die Helden immerdar,
Die mit ihm hergezogen von Nibelungenland:
Fröhlich gar selten man da Siegmunden fand. (1101)
Wohl mancher war darunter, der drei Tage lang
Vor dem großen Leide weder aß noch trank:
Da konnten sie's nicht länger dem Leib entziehen mehr:
Sie genasen von den Schmerzen, wie wohl noch mancher seither. (1102)
* Kriemhild der Sinne ledig in Ohnmächten lag
Den Tag und den Abend bis an den andern Tag.
Was jemand sprechen mochte, es ward ihr gar nicht kund;
Es lag in gleichen Nöten auch der König Siegemund. (1103)
* Kaum dass ihn zur Besinnung zu bringen noch gelang.
Seine Kräfte waren von starkem Leide krank,
Das war wohl kein Wunder. Da sprach zu ihm sein Bann:
“Herr, ihr sollt zur Heimat: Uns duldets hier nicht mehr fortan.” (1104)
18. Abenteuer
19. Abenteuer
20. Abenteuer
Deren Frau Kriemhilde wohl selten eine verlag. (1034)
Da hörte man wie immer zum Münster das Geläut:
Die schöne Kriemhilde weckte manche Maid.
Ein Licht hieß sie sich bringen und auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer einer hin wo er Siegfrieden fand. (1035)
Er sah ihn rot von Blute, all sein Gewand war nass:
Dass sein Herr es wäre, mit Nichten wusst er das.
Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand,
Bei dem Frau Kriemhilde die leide Märe befand. (1036)
Als sie mit ihren Frauen zur Kirche wollte gehn,
“Fraue,” sprach der Kämmrer, “ihr mögt noch stille stehn:
Es liegt vor dem Gemache ein Ritter tot geschlagen.”
“O weh,” sprach Kriemhilde, “was willst du solche Botschaft sagen?” (1037)
Eh sie noch selbst gesehen es sei ihr lieber Mann,
An die Frage Hagens zu denken sie begann,
Wie er ihn schützen möge: da ahnte sie ihr Leid.
Mit seinem Tod entsagte sie aller Lust und Fröhlichkeit. (1038)
Sie sank zu der Erden, kein Wort mehr sprach sie da;
Die schöne Freudenlose man da liegen sah.
Kriemhildens Jammer wurde groß und voll;
Sie schrie mit solchen Kräften, dass all die Kammer erscholl. (1039)
Da sprach das Gesinde: “Ists nicht ein fremder Mann?”
Das Blut ihr aus dem Munde vor Herzensjammer rann.
Sie sprach: “Nein, Siegfried ist es, mein geliebter Mann:
Brunhild hats geraten und Hagen hat es getan.” (1040)
Sie ließ sich hingeleiten wo sie den Helden fand,
Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand.
So rot er war von Blute, sie hatt ihn gleich erkannt:
Da lag zu großem Jammer der Held von Nibelungenland. (1041)
Da rief in Trauertönen die Königin mild:
“O weh mir dieses Leides! Nun ist dir doch dein Schild
Mit Schwertern nicht verhauen: Dich fällte Meuchelmord.
Wüsst ich wers vollbrachte, ich wollt es rächen immerfort.” (1042)
All ihr Ingesinde wehklagte laut und schrie
Mir seiner lieben Fraue; heftig schmerzte sie
Der Tod des edeln Herren, der da war verlorn.
Gar übel hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn. (1043)
Da sprach die Jammerhafte: “Nun mag einer gehn,
Und mir in Eile wecken die in Siegfrieds Lehn.
Ihr sollt auch Siegmunden meinen Jammer sagen,
Ob er mir helfen wolle den kühnen Siegfried beklagen.” (1044)
Da lief ein Bote balde wo er sie schlafen fand,
Siegfriedens Helden von Nibelungenland.
Mit seinen leiden Mären ihre Freud er ihnen nahm;
Sie wollten es nicht glauben, bis man das Weinen vernahm. (1045)
Dahin auch kam der Bote wo der König lag.
Siegmund der Herre keines Schlafes pflag:
Er fühlte wohl im Herzen voraus, was ihm geschehn
Und dass er Siegfrieden nimmer sollte wiedersehn. (1046)
“Wacht auf, König Siegmund, es hieß mich zu euch gehn
Kriemhilde, meine Fraue: Der ist ein Leid geschehn,
Das ihr vor allen Leiden wohl das Herz versehrt;
Das sollt ihr klagen helfen, da es auch euch widerfährt.” (1047)
Auf richtete sich Siegmund: “Was ist es, was sie klagt,
Die schöne Kriemhilde, das Leid, das du gesagt?”
Da sprach der Bote weinend: “Ich muss es euch wohl sagen:
Es liegt von Niederlanden der kühne Siegfried erschlagen.” (1048)
Da sprach König Siegmund: “Lasst das Scherzen sein,
Und so böse Märe, bei der Liebe mein!
Und sagt es niemand wieder, dass er sei erschlagen,
Denn ich konnt es nie genug bis an mein Ende beklagen.” (1049)
“Wollt ihr mir nicht glauben, was ich euch gesagt,
So mögt ihr selber hören wie Kriemhilde klagt,
Und all ihr Ingesinde um Siegfriedens Tor.”
Gar sehr erschrak da Siegmund, es schuf ihm wahrhafte Not. (1050)
Mit hundert seiner Mannen er von dem Bette sprang.
Sie zuckten zu den Händen die scharfen Waffen lang;
Zu dem Wehruf liefen sie jammersvoll heran.
Da kamen tausend Recken in des kühnen Siegfried Bann. (1051)
Wo sie in Jammerlauten die Frauen hörten klagen:
Da meint' ein Teil, sie müssten doch billig Kleider tragen.
Wohl mochten sie vor Jammer der Sinne Macht nicht haben:
Es lag eine große Schwere in ihrem Herzen begraben. (1052)
Da kam der König Siegmund hin wo er Kriemhild fand.
Er sprach: “O weh der Reise hieher in dieses Land!
Wer hat euch euern Gatten, wer hat mir selbst mein Kind
So mörderisch entrissen, wenn wir bei guten Freunden sind?” (1053)
“Wenn ich den nur kennte,” sprach die Königin,
“Hold würd ihm nimmer mein Herz noch mein Sinn:
Ich wollt es so vergelten, dass all die Freunde sein
Um meinetwillen sollten in währender Klage sein.” (1054)
Siegmund der König den Fürsten umschloss;
Da ward von seinen Freunden der Jammer also groß,
Dass von dem starken Wehruf Pallas und Saal
Und die Stadt zu Wormes rings erscholl im Wiederhall. (1055)
Da konnte niemand trösten Siegfriedens Weib.
Man zog aus den Kleidern seinen schönen Leib,
Man wusch ihm seine Wunde und legt' ihn auf die Bahr;
Wie weh vor großem Jammer seinen Leuten da war! (1056)
Da sprachen seine Recken aus Nibelungenland:
“Immer ihn zu rächen ist willig unsre Hand.
Er ist in diesem Hause der es hat getan.”
Da eilten sich zu waffnen die Degen in Siegfrieds Bann. (1057)
Die Auserwählten kamen mit ihren Schilden her,
Elfhundert Recken; die hatt in seinem Heer
Siegmund der Reiche: Seines Sohnes Tod
Hätt er gern gerochen, wie seine Treue das gebot. (1058)
Sie wussten nicht, mit wem sie zu streiten sollten gehn,
Wenn es nicht Gunther wäre und die in seinem Lehn,
Mit welchen Herr Siegfried zur Jagd ritt jenen Tag.
Kriemhild sah sie gewaffnet: Das war ihr ander Ungemach. (1059)
Wie groß auch war ihr Jammer, wie stark auch ihre Not,
Sie besorgte doch so heftig der Nibelungen Tod
Von ihrer Brüder Mannen, dass sie dawider sprach:
Sie warnten sie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden pflag. (1060)
Da sprach die Jammersreiche: “Mein König Siegmund,
Was wollt ihr beginnen? Euch ist wohl nicht kund:
Es hat der König Gunther so manchen kühnen Mann:
Ihr wollt euch all verderben, greift ihr diese Recken an.” (1061)
Mit aufgehobnen Schwerten tat ihnen Streiten Not.
Die edle Königstochter, sie hat und auch gebot
Dass es meiden sollten die Recken allbereit:
Sie wollten es nicht lassen: Das war ihr gar ein Herzeleid. (1062)
Sie sprach: “Mein König Siegmund, steht damit noch an,
Bis es sich besser füget: So will ich meinen Mann
Euch immer rächen helfen. Der mir ihn hat benommen,
Wird er mir bewiesen, dem muss es noch zu Schaden kommen. (1063)
“Es sind der Übermütigen hier am Rheine viel,
Dass ich euch zum Streite jetzt nicht raten will:
Sie haben wider einen wohl an dreißig Mann;
Mög ihnen Gott vergelten was sie uns haben getan. (1064)
“Bleibet hier im Hause und tragt mit mir das Leid
Bis es beginnt zu tagen, ihr Helden allbereit:
Dann helft ihr mir besargen meinen lieben Mann.”
Da sprachen die Degen: “Liebe Frau, das sei getan.” (1065)
Es könnt euch des Wunders ein Ende Niemand sagen,
Die Ritter und die Frauen, wie man sie hörte klagen
Bis man des Jammerrufes ward in der Stadt gewahr.
Die edeln Bürgersleute eilten sich und kamen dar. (1066)
Sie klagten mit den Gästen, sie schmerzte der Verlust.
Was Siegfried verbrochen war ihnen unbewusst,
Weshalb der edle Recke Leben ließ und Leib.
Da weinte mit den Frauen manchen guten Bürgers Weib. (1067)
Schmiede hieß man eilen und schaffen einen Sarg
Von Silber und von Golde, mächtig und stark,
Und hieß ihn wohl beschlagen mit Stahle, der war gut.
Da war allen Leuten gar sehr beschweret der Mut. (1068)
Die Nacht war vergangen, man sagt', es wollte tagen:
Da ließ die edle Fraue zu dem Münster tragen
Siegfried den Herren, ihren lieben Mann.
Mit ihr gingen weinend was sie der Freunde gewann. (1069)
Da sie zum Münster kamen, wie manche Glocke klang!
Man hörte allenthalben manchen Pfaffen Sang.
Da kam der König Gunther herzu mit seinem Bann
Und auch der grimme Hagen: Sie hättens klüger nicht getan. (1070)
Er sprach: “Liebe Schwester, o weh des Leides dein,
Dass wir nicht ledig mögen so großen Schadens sein!
Wir müssen immer klagen um Siegfriedens Leib.”
“Daran tut ihr Unrecht,” sprach das jammerhafte Weib. (1071)
“Wenn euch das betrübte, so wär es nicht geschehn.
Ihr hattet mein vergessen, das muss ich wohl gestehn,
Als ich geschieden wurde, von meinem lieben Mann.
Wollte Gott vom Himmel, ihr hättet mir das getan.” (1072)
Sie hielten sich am Leugnen. Kriemhilde da begann:
Wer unschuldig sein will, leicht ist es dargetan,
Er darf nur zu der Bahre hier vor dem Volke gehn:
Da mag man gleich zur Stelle sich der Wahrheit versehn. (1073)
Das ist ein großes Wunder, wie es noch oft geschieht,
Wenn man den Mordbefleckten bei dem Toten sieht,
So bluten ihm die Wunden, wie es auch jetzt geschah;
Daher man nun der Untat sich zu Hagen versah. (1074)
Die Wunden flossen wieder so stark als je vorher.
Die erst so heftig klagten, die weinten nun noch mehr.
Da sprach König Gunther: “Nun hört die Wahrheit an:
Ihn erschlugen Schächer: Hagen hat es nicht getan.” (1075)
“Mir sind diese Schächer,” sprach sie, “wohl bekannt:
Nun lass es Gott noch rächen von seiner Freunde Hand!
Gunther und Hagen, ihr habt es wohl getan.”
Da wollten wieder streiten die Degen in Siegfrieds Bann. (1076)
Da sprach aber Kriemhild: “Ertragt mit mir die Not.”
Da kamen auch die beiden, wo sie ihn fanden tot,
Gernot ihr Bruder und Geiselher das Kind:
Sie beklagten ihn in Wahrheit; ihr Augen wurden tränenblind. (1077)
Da weinten sie von Herzen um Kriemhildens Mann.
Man wollte Messe singen. Zum Münster heran
Gingen allenthalben, beides, Mann und Weib.
Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten um Siegfrieds Leib. (1078)
Geiselher und Gernot, die sprachen: “Schwester mein,
Nun tröste dich des Todes, es muss nun also sein;
Wir wollen dirs ersetzen so lange wir leben.”
Da wusst ihr doch niemand auf Erden Trostes zu geben. (1079)
Sein Sarg war geschmiedet wohl um den hohen Tag;
Man hob ihn von der Bahre, worauf der Tote lag.
Da wollt ihn noch die Fraue nicht lassen begraben:
Drob mussten alle Leute großen Kummer noch haben. (1080)
In kostbare Zeuge man den Toten wand.
Gewiss dass man da niemand ohne Tränen fand.
Da klagt' aus vollem Herzen Ute das edle Weib,
Und all ihr Ingesinde um Siegfrieds herrlichen Leib. (1081)
Als das Volk vernommen, dass man im Münster sang
Und ihn besargt hatte, da hob sich großer Drang;
Um seiner Seele willen was man da Opfer trug!
Er hatte bei den Feinden doch guter Freunde genug. (1082)
Kriemhild die arme zu den Kämmerlingen sprach:
“Ihr sollt um meinetwillen leiden Ungemach:
Die ihm Gutes gönnen und mir blieben hold,
Um Siegfriedens Seele verteilt an diese sein Gold.” (1083)
Da war kein Kind so kleine, mocht es Verstand nur haben
Das nicht zum Opfer ginge eh er ward begraben.
Wohl an hundert Messen man des Tages sang;
Von Siegfriedens Freunden hob sich da mächtiger Drang, (1084)
Als die gesungen waren verlief die Menge sich
Da sprach Frau Kriemhilde: “Ihr sollt nicht einsam mich
Heunt bewachen lassen den auserwählten Degen:
Es ist an seinem Leibe all meine Freude gelegen. (1085)
“Drei Tag und drei Nächte will ich verwachen dran,
Bis ich mich ersättige an meinem lieben Mann.
Vielleicht dass Gott gebietet, dass mich auch rafft der Tod:
So wäre wohl beendet der armen Kriemhilde Not.” (1086)
Zu den Herbergen gingen die Leute von der Stadt
Die Pfaffen und die Mönche sie zu verweilen bat
Und all das Ingesinde, das des Helden pflag:
Sie hatten üble Nächte und gar mühselgen Tag. (1087)
Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann
Wers nicht gern entbehrte, dem ward kundgetan,
Man gäb ihm gern die Fülle: Das schuf Herr Siegemund.
Da ward den Nibelungen große Beschwerde kund. (1088)
* In diesen drei Tagen, so hörten wir sagen,
Mussten mit Kriemhilden viel Beschwerde tragen
Die da singen konnten: Was man der Opfer trug!
Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug. (1089)
Was man fand der Armen, die wenig mochten haben,
Die ließ sie mit dem Golde bringen Opfergaben
Aus ihrer eignen Kammer: Er durfte nicht mehr leben,
Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben. (1090)
Urbarer Erde Güter verteilte sie im Land,
So viel man da der Klöster und guter Leute fand.
Den Armen gab man Silber und Gewand genug.
Sie ließ es wohl erkennen wie holde Liebe sie ihm trug. (1091)
An dem dritten Morgen zur rechten Messezeit
Sah man bei dem Münster den ganzen Kirchhof weit
Von des Volkes Weinen und Klagen also voll:
Sie dienten ihm im Tode wie man lieben Freunden soll. (1092)
In diesen vier Tagen, so hörten wir die Mär,
An dreißigtausend Marken oder gar noch mehr
Ward um seine Seele den Armen hingegeben.
Indes war gar zerronnen seine Schöne wie sein Leben. (1093)
Als der Dienst beendet, verhallt war der Gesang,
Mit ungestümen Leide des Volkes Menge rang.
Man ließ ihn aus dem Münster zu dem Grabe tragen:
Da hörte man nichts anders als ein Weinen und ein Klagen. (1094)
Mit lautem Wehrufe schloss das Volk sich an:
Froh war da niemand, weder Weib noch Mann.
Eh er bestattet wurde las und sang man da:
Hei! Was man guter Pfaffen bei seinem Begräbnis sah! (1095)
Bevor da kam zum Grabe Siegfriedens Weib,
Da rang mit solchem Jammer ihr getreuer Leib,
Dass man sie aus dem Brunnen mit Wasser oft begoss:
Ihre Herzenschwere war über die Maßen groß. (1096)
Es war ein großes Wunder, dass sie gesund entkam,
Es halfen ihr mit Klagen viel Frauen lobesam.
Da sprach die Königswitwe: “Ihr in Siegfrieds Lehn,
Ihr sollt bei eurer Treue an mir Genade begehn. (1097)
“Lasst mir nach meinem Leide eine kleine Gunst geschehn,
Dass ich sein schönes Angesicht noch einmal möge sehn.”
Sie bat mit Jammerssinnen so lang und so stark,
Dass man zerbrechen musste den schön geschmiedeten Sarg. (1098)
Da brachte man die Fraue, wo sie ihn liegen fand:
Sie erhob sein schönes Angesicht mit ihrer weißen Hand
Und küsste so den Toten, den edeln Ritter gut:
Ihre lichten Augen vor Leide weinten sie Blut. (1099)
Ein jammervolles Scheiden sah man da geschehn.
Da trug man sie von dannen, sie vermochte nicht zu gehn.
Da fand man ohne Sinne das herrliche Weib:
Vor Leide wollt ersterben ihr viel wonniglicher Leib. (1100)
Als der edle Degen also begraben war,
Sah man in großem Leide die Helden immerdar,
Die mit ihm hergezogen von Nibelungenland:
Fröhlich gar selten man da Siegmunden fand. (1101)
Wohl mancher war darunter, der drei Tage lang
Vor dem großen Leide weder aß noch trank:
Da konnten sie's nicht länger dem Leib entziehen mehr:
Sie genasen von den Schmerzen, wie wohl noch mancher seither. (1102)
* Kriemhild der Sinne ledig in Ohnmächten lag
Den Tag und den Abend bis an den andern Tag.
Was jemand sprechen mochte, es ward ihr gar nicht kund;
Es lag in gleichen Nöten auch der König Siegemund. (1103)
* Kaum dass ihn zur Besinnung zu bringen noch gelang.
Seine Kräfte waren von starkem Leide krank,
Das war wohl kein Wunder. Da sprach zu ihm sein Bann:
“Herr, ihr sollt zur Heimat: Uns duldets hier nicht mehr fortan.” (1104)
18. Abenteuer
Wie Siegmund heimkehrte
Der Schwäher Kriemhildens ging hin wo er sie fand:
Da sprach er zu der Königin: “Lasst uns in unser Land:
Wir sind unliebe Gäste, wähn ich, hier am Rhein.
Kriemhild, liebe Fraue, nun folgt uns zu dem Lande mein. (1105)
“Dass man in diesen Landen uns so beraubet hat
Eures edeln Mannes durch böslichen Verrat,
Ihr sollt es nicht entgelten: Getreu will ich euch sein.
Aus Liebe meines Sohnes und des edeln Kindes sein. (1106)
Ihr sollt auch, Fraue, herrschen mit aller der Gewalt,
Die Siegfried euch verliehen, der Degen wohlgestalt.
Das Land und auch die Krone sei euch untertan:
Euch sollen gerne dienen die Degen in Siegfrieds Bann.” (1107)
Dass man reiten wollte, den Knechten wards gesagt:
Da sah man nach den Rossen eine schnelle Jagd;
Sie mochten ungern leben in der starken Feinde Land.
Fraun und Maide suchten hervor ihr Reisegewand. (1108)
Als König Siegmund gerne wäre weg geritten,
Da begann Kriemhilden die Mutter zu bitten,
Sie sollte bei den Freunden im Lande doch bestehn.
Da sprach die Freudenarme: “Das kann schwerlich geschehn: (1109)
Wie vermöcht ichs, mit den Augen den immer anzusehn,
Von dem mir armen Weibe so großes Leid geschehn?”
Da sprach der junge Geiselher: “Liebe Schwester mein,
Du sollst bei deiner Treue hier bei deiner Mutter sein. (1110)
Die dir das Herz beschwerten und trübten deinen Mut,
Du bedarfst nicht ihrer Dienste, du zehrst von meinem Gut.”
Sie sprach zu dem Recken: “Das kann ja nicht geschehn:
Vor Leide müsst ich sterben, wenn ich Hagen sollte sehn.” (1111)
“Der soll dir nicht begegnen, viel liebe Schwester mein.
Du sollst bei Geiselheren, deinem Bruder sein;
Ich will die wohl vergüten deines Mannes Tod.”
Da sprach die Freudenarme: “Das täte Kriemhilden Not.” (1112)
Als er ihr der Junge so gütlich erbot,
Da begannen auch zu flehen Ute und Gernot
Und ihre treuen Freunde, sie möchte da bestehn:
Sie habe wenig Sippen unter Siegfriedens Lehn. (1113)
“Sie sind euch alle fremde;” sprach da Gernot,
“Wie stark auch einer gelte, so rafft ihn doch der Tod.
Bedenkt das, liebe Schwester und tröstet euern Mut:
Bleibt hier bei euern Freunden, es gerät euch sicher gut.” (1114)
Sie gelobt' es Geiselheren, sie wolle da bestehn.
Da brachte man die Rosse denen in Siegmunds Lohn,
Als sie reiten wollten nach Nibelungenland;
Da war auch aufgesäumt der Recken Zeuch und Gewand. (1115)
Da ging König Siegmund vor Kriemhilde stehn
Und sprach zu der Fraue: “Die in Siegfrieds Lehn
Warten bei den Rossen: Reiten wir denn hin,
Da ich gar so ungern hier bei den Burgonden bin.” (1116)
Da sprach Frau Kriemhilde: “Mir raten Freunde mein,
Die besten die ich habe, bei ihnen soll ich sein.
Ich habe wenig Freunde in Nibelungenland.”
Leid tat es Siegmunden, da ers an Kriemhilden fand. (1117)
Da sprach König Siegmund: Das lasst euch niemand sagen:
Vor allen meinen Freunden sollt ihr die Krone tragen
Nach rechter Königswürde, wie ihr sonst getan:
Ihr sollt es nicht entgelten, dass ihr verloren habt den Mann. (1118)
“Fahrt auch mit uns zur Heimat um euer Kindelein:
Das sollt ihr keine Waise, Fraue, lassen sein.
Ist euer Sohn erwachsen, der tröstet euch den Mut;
Derweilen soll euch dienen mancher Degen kühn und gut.” (1119)
Da sprach sie: “Herr Siegmund, ich kann nicht mit euch gehn,
Ich muss hier verbleiben, mag was da will geschehn,
Bei meinen Anverwandten, die mir helfen klagen.”
Da wollten diese Mären den guten Recken nicht behagen. (1120)
Sie sprachen einhellig: “So möchten wir gestehn,
Es sei in dieser Stunde uns erst ein Leid geschehn.
Wollt ihr nun hier im Lande bei unsern Feinden sein,
So könnte Heiden niemals eine Hoffahrt übler gedeihn.” (1121)
“Ihr sollt ohne Sorge Gott befohlen fahren:
Man gibt euch gut Geleite, ich lass euch wohl bewahren
Bis zu euerm Lande; mein liebes Kindelein,
Das soll euch guten Recken auf Gnade befohlen sein.” (1122)
Als sie das recht vernahmen, sie wolle nicht von dann,
Da weinten all die Degen in Siegmundens Bann.
Mit welchem Herzensjammer nahm da Siegmund
Urlaub von Kriemhilden! Da ward ihm Unfreude kund. (1123)
“Weh dieses Hofgelages!”, sprach der König hehr:
“Einem Fürsten und den seinen geschieht wohl nimmermehr
Einer Kurzweil willen, was uns hier ist geschehn:
Man soll uns nimmer wieder hier bei den Burgonden sehn.” (1124)
Da sprachen laut die Degen in Siegfriedens Lehn:
“Wohl möchte noch die Reise in dieses Land geschehn,
Wenn wir den nur fänden, der uns den Herrn erschlug:
Sie haben starker Feinde bei seinen Freunden genug.” (1125)
Er küsste Kriemhilden; jammernd sprach er da,
Als er daheim zu bleiben sie so entschlossen sah:
“Wir reiten arm an Freuden nun heim in unser Land.
Alle meine Sorgen sind wir erst jetzo bekannt.” (1126)
Sie ritten ungeleitet von Wormes überrhein.
Sie mochten voll Vertrauens in ihrem Mute sein.
Würden sie von jemand in Feindschaft angerannt,
Dass sich wohl wehren sollte der kühnen Nibelungen Hand. (1127)
Sie beurlaubten bei niemanden sich.
Da sah man Geiselheren und Gernot minniglich
Zu dem Degen kommen; ihnen war sein Schade leid:
Das ließen ihn wohl schauen die kühnen Helden allbereit. (1128)
Da sprach wohl gezogen zu ihm Herr Gerenot:
“Wohl weiß es Gott im Himmel, an Siegfriedens Tod
Bin ich ganz unschuldig: Ich hört auch niemals sagen,
Wer ihm feind hier wäre: Ich muss ihn billig beklagen.” (1129)
Da gab ihm gut Geleite Geiselher das Kind.
Da bracht er ohne Sorgen, die sonst bei Leide sind,
Den König und die Recken heim nach Niederland;
Wie wenig der Verwandten man dort fröhlich wieder fand! (1130)
Wie's ihnen nun ergangen, weiß ich nicht zu sagen
Man hörte Kriemhilden zu allen Zeiten klagen,
Dass ihr Niemand tröstete das Herz noch den Mut,
Außer Geiselheren; der war getreu und auch gut. (1131)
Brunhild die schöne des Übermutes pflag:
Wie viel Kriemhilde weinte, was fragte sie darnach!
Sie war zu Lieb und Treue ihr nimmermehr bereit:
Bald schuf auch ihr Kriemhilde noch viel schweres Herzeleid. (1132)
19. Abenteuer
Wie der Nibelungenhort nach Worms kam
Als die edle Kriemhild so verwitwet ward,
Verblieb bei ihr im Lande der Markgraf Eckewart
Mit seinem Ingesinde: Er dient' ihr zu allen Tagen
Und half auch seiner Frauen seinen Herren oft beklagen. (1133)
Zu Wormes bei dem Münster gab man ihr ein Schloss,
Weit und geräumig, reich dazu und groß,
Worin mit dem Gesinde die Freudenlose saß.
Gern ging sie zur Kirche, mit großer Andacht tat sie das. (1134)
Wo ihr Freund begraben lag, wie fleißig ging sie hin!
Sie tat es alle Tage mit traurigem Sinn,
Und bat dass Gott der gute seiner Seele möge pflegen:
Gar oft beweint wurde mit großer Treue der Degen. (1135)
Ute und ihr Gesinde sprachen ihr immer zu,
Und doch im wunden Herzen fand sie so wenig Ruh,
Es konnte nicht verfangen der Trost den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Teuern die allergrößeste Not, (1136)
Die nach dem lieben Manne je ein Weib gewann:
Ihre große Tugend mochte man erkennen wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende, bis sie verlor den Leib:
Bald rächte sich gewaltig des kühnen Siegfriedes Weib. (1137)
Sie saß nach ihrem Leide, das ist alles wahr,
Nach ihres Mannes Tode bis an das vierte Jahr
Und hatte nie zu Gunthern gesprochen einen Laut,
Und ihren Feind Hagen in all der Zeit nicht erschaut. (1138)
Da sprach von Tronje Hagen: “Könnte das geschehn,
Dass ihr eure Schwester euch hold möchtet sehn,
So käm zu diesem Lande der Nibelungen Gold:
Des mögt ihr viel gewinnen, wird uns die Königin hold.” (1139)
Er sprach: “Man solls versuchen: Meine Brüder stehn ihr bei,
Die sollen für uns werben, dass sie uns freundlich sei,
Wenn wir den Hort gewinnen, dass sie das gerne sieht.”
“Ich glaube nicht,” sprach Hagen, “dass es jemals geschieht.” (1140)
Da hat er Ortweinen an den Hof zu gehn
Und den Markgraf Gere: Als das war geschehn
Rief man auch Gernoten und Geiselhern das Kind:
Da versuchten bei Kriemhilden sie es freundlich und gelind. (1141)
Da sprach von Burgonden der kühne Gernot:
“Ihr klagt zu lange, Fraue, um Siegfriedens Tod.
Der König will euch zeigen, er hab ihn nicht erschlagen;
Man hört zu allen Zeiten euch so heftig um ihn klagen.” (1142)
Sie sprach: “Des zeiht ihn niemand, ihn schlug Hagens Hand:
Wo er verwundbar wäre, macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich michs versehen, er trüg ihm solchen Hass!
Ich hätte wohl vermieden,” so sprach die Königin, “das. (1143)
“Hätt ich nicht vermeldet seinen schönen Leib,
So ließ ich nun mein Weinen, ich unselig Weib!
Hold werd ich denen nimmer, die das an ihm getan!”
Da begann zu flehen Geiselher, dieser waidliche Mann. (1144)
* Sie sprach: “Ich muss ihn grüßen, ihr liegt zu sehr mir an.
Von euch ists große Sünde: Er hat mir angetan
So viel Herzensschwere ganz ohne meine Schuld:
Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld.” (1145)
* “Nun wird es besser werden,” ihre Freunde sprachen so.
“Vielleicht wirds ihm gelingen, dass sie noch werde froh.
Er mags ihr wohl ersetzen,” sprach Gerenot.
Da sprach die Jammersreiche: “Ich tu nach euerm Gebet: (1146)
Ich will den König grüßen.” Als er das vernahm,
Mit seinen besten Freunden der König zu ihr kam.
Da wagte doch Herr Hagen sich nicht zu ihr heran:
Er kannte seine Schuld wohl, er hatt ihr Leides getan. (1147)
Als sie verschmerzen wollte auf Gunther den Hass,
Dass er sie küssen sollte, wohl ziemte sich ihm das,
Wär ihr mit seinem Willen das Übel nicht geschehn;
So durft er dreistes Mutes immer zu Kriemhilden gehn. (1148)
Es ward mit solchen Tränen nie eine Sühne mehr
Gestiftet unter Freunden: Sie schmerzt' ihr Schaden sehr;
Doch verzieh sie allen bis auf den einen Mann:
Erschlagen hätt ihn niemand, hätt es Hagen nicht getan. (1149)
Darauf nicht lange währt' es, so stellten sie es an,
Dass Kriemhild die Fraue den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande und bracht ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es und musst ihr billig eigen sein. (1150)
Nach diesem fuhr da Geiselher und auch Gernot.
Achtzighundert Mannen Frau Kriemhild gebot
Dass sie ihn holen sollten, wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich mit seinen besten Freunden pflag. (1151)
Als man des Schatzes willen vom Rhein sie kommen sah,
Alberich der Kühne sprach zu den Freunden da:
“Wir dürfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn,
Da sein als Morgengabe heischt die edle Königin. (1152)
“Dennoch sollt es nimmer,” sprach Alberich, “geschehn,
Müssten wir nicht leider für uns verloren sehn
Mitsamt Siegfrieden den guten Nebelhut,
Den immer hat getragen Kriemhilds Gemahl, der Degen gut. (1153)
“Nun ist es Siegfrieden leider schlimm bekommen,
Dass uns die Tarnkappe der Held hat genommen,
Und dass ihm dienen musste dieses ganze Land.”
Hin ging der Kammerhüter, wo er des Hortes Schlüssel fand. (1154)
Da standen vor dem Berge die Kriemhild gesandt
Und mancher ihrer Freunde: Man ließ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen an die guten Schiffelein
Und führt' ihn auf den Wellen bis zu Berg auf den Rhein. (1155)
Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen:
Zwölf Doppelwagen konnten ihn kaum von dannen tragen
In der Tag und Nächte vieren aus des Berges Schacht,
Und hätten sie den Weg auch des Tages dreimal gemacht. (1156)
Es war auch nichts anders als Gestein und Gold.
Und hätte man die Erde erkauft mit diesem Gold,
Um keine Mark vermindert hätt es seinen Wert.
Wohl hatte sein mit Unrecht der Degen Hagen nicht begehrt. (1157)
Der Wunsch der lag darunter, ein goldnes Rütelein:
Wer das erkundet hätte, der mochte Meister sein
Auf der weiten Erde wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden schlossen Gernoten viele sich an. (1158)
* Als sich Gernot der Degen und der junge Geiselher
Des Hortes unterwanden, da wurden sie auch Herr
Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt:
Die mussten ihnen dienen zumal durch Furcht und Gewalt. (1159)
Als sie den Hort gewannen in König Gunthers Land,
Und sich darob die Königin der Herrschaft unterwand,
Die Kammern und die Türme, die wurden voll getragen.
Man hörte nie von Schätzen so große Wunder wieder sagen. (1160)
Und wären auch die Schätze noch größer tausendmal,
Und wär der Degen Siegfried erstanden von dem Fall,
Gern wär bei ihm Kriemhilde geblieben hemdebloß.
Nie war zu einem Helden eines Weibes Treue so groß. (1161)
Als sie den Hort nun hatte, da bracht er in das Land
Viel der fremden Recken: Wohl gab der Frauen Hand,
Dass man so große Milde nie zuvor gesehn.
sie übte hohe Tugend: Das musste man ihr zugestehn. (1162)
Den Armen und den Reichen zu geben sie begann.
Hagen sprach zum König: “Lässt man sie so fortan
Noch eine Weile leben, so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen, dass es uns übel muss ergehn.” (1163)
Da sprach König Gunther: “Ihr gehört das Gut:
Wie darf er mich bekümmern, was sie damit tut?
Ich konnt es kaum erlangen, dass sie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie sie teilet ihr Gestein und rotes Gold.” (1164)
Hagen sprach zum König: “Es vertraut ein kluger Mann
Solche Schätze nimmer einer Frauen an:
Sie bringts mit ihren Gaben wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen die kühnen Burgonden mag.” (1165)
Da sprach König Gunther: “Ich schwur ihr einen Eid,
Dass ich ihr nimmer wieder fügen wollt ein Leid
Und will es künftig meiden: Sie ist die Schwester mein.”
Da sprach wieder Hagen: “Lasst mich den Schuldigen sein.” (1166)
Sie nahmen ihre Eide meistens schlecht in Hut:
Da raubten sie der Witwe das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüssel dazu sich unterwand;
Ihr Bruder Gernot zürnte, als ihm das wurde bekannt. (1167)
Da sprach der junge Geiselher: “Viel Leides ist geschehn
Durch Hagen meiner Schwester: Dem sollt ich widerstehn:
Wär er nicht mein Vetter, es ging' ihm an den Leib.”
Wieder neues Weinen begann da Siegfriedens Weib. (1168)
Im Unmut sprach da Gernot: “Eh wir solche Pein
Mit diesem Golde litten, wir solltens in den Rhein
Allzumal versenken: So hört es niemand an.”
Sie kam mit Klaggebärde da zu Geiselher heran. (1169)
Sie sprach: “Lieber Bruder, du sollst gedenken mein,
Des Lebens und des Gutes sollst du ein Vogt mir sein.”
Da sprach er zu der Fraue: “Wohl, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen: Eine Fahrt ist zu bestehn.” (1170)
Gunther und seine Freunde räumten da das Land.
Die allerbesten drunter, die man irgend fand.
Hagen nur alleine verblieb um seinen Hass,
Den er Kriemhilden hegte: zu ihrem Schaden tat er das. (1171)
Eh der reiche König wieder war gekommen,
Derweilen hatte Hagen den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn dort bei Lochheim versenken in den Rhein.
Er wähnt', er sollt ihn nutzen; das aber konnte nicht sein. (1172)
Die Fürsten kamen wieder, mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den großen Schaden zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen: Sie hatten Herzeleid.
Gern war ihnen Geiselher zu aller Treue bereit. (1173)
Da sprachen sie einhellig: “Er hat nicht wohlgetan.”
Bis er zu Freunden wieder die Fürsten sich gewann
Entwich er ihrem Zorne: Sie ließen ihn genesen.
Da könnt ihm Kriemhilde wohl nicht feinder sein gewesen. (1174)
Bevor von Tronje Hagen den Schatz also verbarg,
Da hatten sie's beschworen mit Eiden hoch und stark,
Dass er verhohlen bliebe so lang sie möchten leben:
So konnten sie ihn nicht nutzen noch ihn jemand anders geben. (1175)
Mit neuem Leide wieder belastet war ihr Mut,
Erst um des Mannes Leben und nun da sie das Gut
Ihr so gar benahmen: Da ruht' auch ihre Klage
So lange sie lebte nimmer bis zu ihrem jüngsten Tage. (1176)
Nach Siegfriedens Tode, das ist alles wahr,
Lebte sie im Leide wohl dreizehn Jahr,
Dass ihr der Tod des Recken stets im Sinne lag:
Sie war ihm je getreue; das rühmen ihr die Meisten nach. (1177)
* Eine reiche Fürstenabtei stiftete Ute
Nach Dankratens Tode von ihrem Gute,
Mit großen Einkünften, die es noch heute zieht,
Dort zu Lorsch das Kloster, das man in hohen Ehren sieht. (1178)
* Dazu gab auch Kriemhilde hernach ein großes Teil,
Um Siegfriedens Seele und aller Seelen Heil,
Gold und Edelsteine mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden ward uns selten noch bekannt. (1179)
* Seit Kriemhild König Gunthern hold ward wie zuvor,
Und doch den großen Hort dann durch seine Schuld verlor,
Ihres Herzeleides wurde da noch mehr:
Da zöge gern von dannen die Fraue edel und hehr. (1180)
* Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit
Zu Lorsch bei ihrem Kloster, reich, groß und weit,
Dahin von ihren Kindern sie zog und sich verbarg,
Wo noch die hehre Königin begraben liegt in einem Sarg. (1181)
* Da sprach die Königswitwe: “Liebe Tochter mein,
Hier magst du nicht verbleiben: Bei mir denn sollst du sein
Zu Lorsch in meinem Hause und lässt dein Weinen dann.”
Kriemhilde gab ihr Antwort: “Wo ließ ich aber meinen Mann?” (1182)
* “Den lass nur dort verbleiben,” sprach Frau Ute.
“Nicht woll es Gott vom Himmel,” sprach die Gute.
“Meine liebe Mutter, davor will ich mich wahren,
Nein, er muss von hinnen in Wahrheit auch mit mir fahren.” (1183)
* Da schuf die Jammersreiche, dass man ihn erhub
Und sein Gebein, das edle, wiederum begrub
Zu Lorsch bei dem Münster, mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge noch der Degen wohlgestalt. (1184)
* Zu denselben Zeiten, da Kriemhild gesollt
Zu ihrer Mutter ziehen, wohin sie auch gewollt,
Da musste sie verbleiben, weil es nicht sollte sein:
Das schufen neue Mären, die da kamen über Rhein. (1185)
20. Abenteuer
Wie König Etzel um Kriemhilden sandte
Das war in jenen Zeiten, als Frau Helke starb
Und der König Etzel um andre Frauen warb,
Da rieten seine Freunde in Burgondenland
Zu einer stolzen Witwe, die war Frau Kriemhild genannt. (1186)
Seit dahingestorben der schönen Helke Leib
Sie sprachen: “So gewinnen ihr wollt ein edel Weib,
Die Höchste und die Beste, die ein König je gewann,
So nehmet Kriemhilden; der starke Siegfried war ihr Mann.” (1187)
Da sprach der reiche König: “Wie ginge das wohl an,
Bin ich doch ein Heide, der die Taufe nicht gewann;
Und sie ist eine Christin: Sie nimmt mich nimmermehr.
Ein Wunder müsst es heißen, käm sie jemals hieher.” (1188)
Da sprachen die Schnellen: “Vielleicht, dass sie es tut
Um euern hohen Namen und euer großes Gut.
Man soll es doch versuchen bei dem edeln Weib:
Euch ziemte wohl zu minnen ihren waidlichen Leib.” (1189)
Da sprach der edle König: “Wem ist nun bekannt
Unter euch am Rheine das Volk und auch das Land?”
Da sprach von Bechlaren der gute Rüdiger:
“Mir sind die edeln Könige kund von Kindesjahren her, (1190)
Gunther und Gernot, die edeln Ritter gut;
Der dritte heißet Geiselher: Ein Jeglicher tut
Was er nach bester Sitte und Tugend mag begehn;
Auch ist von ihren Ahnen noch stets dasselbe geschehn.” (1191)
Da sprach wieder Etzel: “Freund, du sollst mir sagen,
Ob sie in meinem Lande wohl soll die Krone tragen
Und ob ihr Leib so schön ist als mir ward gesagt,
Von meinen besten Freunden wird es nimmer beklagt.” (1192)
“Sie vergleicht sich an der Schöne wohl der Frauen mein,
Helke, der reichen: Nicht schöner könnte sein
Auf der weiten Erde eine Königin:
Wen sie erwählt zum Freunde, der mag wohl trösten seinen Sinn. (1193)
“Und wisse, edler König, stehst du darob nicht an,
Sie war dem besten Manne, Siegfrieden untertan,
Dem Sohne Siegmundens; du hast ihn hier gesehn:
Man mocht ihm große Ehre wohl in Wahrheit zugestehn.” (1194)
Da sprach König Etzel: “War sie des Recken Weib,
So war wohl also teuer des edeln Fürsten Leib,
Dass ich nicht verschmähen darf die Königin:
Ob ihrer großen Schönheit gefällt sie wohl meinem Sinn.” (1195)
Er sprach: “So wird sie, Rüdiger, so lieb als ich dir sei.
Und lieg ich Kriemhilden je als Gatte bei,
Das will ich dir vergelten so gut ich immer kann;
Auch hast du meinen Willen mit aller Treue getan. (1196)
“Von meinem Kammergute lass ich so viel dir geben,
Dass du mit den Gefährten in Freuden mögest leben;
Von Rossen und Gewanden was ihr nur begehrt,
Das wird zu dieser Botschaft auf mein Geheiß euch gewährt.” (1197)
Zur Antwort gab der Markgraf, der reiche Rüdiger:
“Unlöblich wär es, hätt ich deines Guts Begehr.
Ich will dein Bote gerne werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute; ich hab es aus den Händen dein.” (1198)
Da sprach der reiche König: “Wann denkt ihr zu fahren
Zu der Minniglichen? So soll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren und auch die Fraue mein:
Und mag das Glück mir helfen, dass sie uns gnädig möge sein.” (1199)
Da sprach wieder Rüdiger: “Eh wir räumen dieses Land
Müssen wir uns rüsten mit Waffen und Gewand,
Dass wir vor den Königen mit Ehren dürfen stehn:
Ich will zum Rheine führen fünfhundert Degen ausersehn. (1200)
“Wenn man in Burgonden mich und die Meinen seh,
Dass dann einstimmig das Volk im Land gesteh,
Es habe nie ein König so manchen kühnen Mann
So fern daher gesendet als du zum Rheine getan.” (1201)
Da sprach der Markgraf wieder: “Wohlan, ich will euch sagen,
Wir heben uns von hinnen in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotlinden, der lieben Fraue mein,
Dass ich zu Kriemhilden selber wolle Bote sein.” (1202)
Rüdiger sandte Boten nach Bechlaren hin.
Darüber wurde traurig und froh die Markgräfin;
Er entbot ihr, für den König werb er um ein Weib:
Da gedachte sie mit Liebe an der schönen Helke Leib. (1203)
Als die Botenkunde die Markgräfin gewann,
Leid war es ihr zum Teile, zu sorgen hub sie an,
Ob sie wohl eine Herrin gewänne so wie eh?
Gedachte sie an Helke, das tat ihr inniglich weh. (1204)
Nach sieben Tagen Rüdiger ritt aus Ungerland,
Worüber wohl gemutet man König Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider in der Stadt zu Wien:
Da wollt er mit der Reise auch nicht mehr länger verziehn. (1205)
Zu Bechlaren harrte sein Frau Gotelind.
Die junge Markgräfin, Herrn Rüdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne und die in seinem Bann;
Da ward ein liebes Harren von schönen Frauen getan. (1206)
Eh der edle Rüdiger aus der Stadt zu Wien
Ritt nach Bechlaren, da waren hier für ihn
Die Kleider wohl bereitet auf Säumern angekommen;
Sie fuhren solcherweise, dass ihnen wenig ward genommen. (1207)
Als sie zu Bechlaren kamen in die Stadt,
Für seine Heergesellen um Herbergen bat
Der wirt mit holden Worten: Wohl pflegte man sie da.
Die reiche Gotlinde den Wirt gar gerne kommen sah. (1208)
Auch seine liebe Tochter, die Markgräfin jung,
Ob ihres Vaters Kommen war sie froh genung.
Aus Heunenland die Helden, wie gerne sie die sah!
Mit lachendem Mute sprach die edle Jungfrau da: (1209)
“Nun seid mit Gott willkommen, mein Vater und sein Bann.”
Da ward ein schönes Danken von manchem werten Mann
Mit allem Fleiß geboten der jungen Markgräfin.
Wohl kannte Gotelinde des edeln Rüdiger Sinn. (1210)
Als des Nachts Gotlinde bei Rüdigern lag,
Da frug mit holden Worten die Markgräfin nach,
Wohin ihn denn gesendet der Fürst von Heunenland?
Er sprach: “Meine Frau Gotlinde, ich mach es gern euch bekannt: (1211)
“Meinem Herren werben soll ich ein ander Weib,
Da ihm ist erstorben der schönen Helke Leib;
Da will ich zu Kriemhilden reiten an den Rhein:
Die soll hier bei den Heunen vielgewaltge Herrin sein.” (1212)
“Das wollte Gott!”, sprach Gotlind, “möchte das geschehn,
Da wir so hohe Ehren ihr hören zugestehn.
Sie ersetzt uns meine Fraue vielleicht in alten Tagen:
Wir mögen bei den Heunen sie gerne sehen Krone tragen.” (1213)
Da sprach der Markgraf Rüdiger: “Liebe Fraue mein,
Die mit mir fahren sollen von hinnen an den Rhein,
Denen sollt ihr minniglich bieten euer Gut:
Wenn Helden reichlich leben, so tragen sie hohen Mut.” (1214)
Sie sprach: “Da ist nicht einer, wenn er es gerne nähm,
Dem ich nicht willig böte was jeglichem genehm,
Eh ihr von hinnen scheidet und die in euerm Bann.”
“So wird mir,” sprach der Markgraf, “ein Gefallen getan.” (1215)
Hei! Was man reicher Zeuche von ihrer Kammer trug!
Da ward den edeln Recken Gewand zu Teil genug