Wie sollte das sich fügen, dass wir alle tot
Bei den Heunen blieben durch jemandes Groll?”
Da sagten sie dem Degen die Märe deutlich und voll. (1586)
 
 
Da sprach die eine wieder: “Wohl muss es so geschehn:
Keiner von euch Degen wird die Heimat wieder sehn
Als der Kaplan des Königs, das ist uns wohl bekannt,
Der kommt geborgen wieder heim in König Gunthers Land.” (1587)
 
 
Da sprach mit grimmem Mute der kühne Recke Hagen:
“Das ließen meine Herren schwerlich sich sagen,
Dass wir bei den Heunen verlören all den Leib:
Nun zeig uns übers Wasser, du allerweisestes Weib.” (1588)
 
 
Sie sprach: “Willst du nicht anders und soll die Fahrt geschehn,
So siebst du überm Wasser eine Herberge stehn:
Darinnen wohnt ein Fährmann und nirgend sonst umher.”
Der Mär, um die er fragte, glaubte nun der Degen hehr. (1589)
 
 
Dem unmutsvollen Recken rief noch die eine nach:
“Nun wartet, Herr Hagen, euch ist gar zu jach;
Vernehmet erst die Kunde wie ihr kommt durch das Land.
Der Herr dieser Marke, der ist Else genannt. (1590)
 
 
Sein Bruder ist geheißen Gelfrat der Held,
Ein Herr im Bayerlande: Nicht so leicht es hält,
Wollt ihr durch seine Marke: Ihr mögt euch wohl bewahren,
Und sollt auch mit dem Fergen gar bescheidentlich verfahren. (1591)
 
 
Der ist so grimmes Mutes, er lässt euch nicht gedeihn,
Wollt ihr nicht verständig bei dem Helden sein.
Soll er euch über holen, so gebt ihm guten Sold;
Er hütet dieses Land und ist Gelfraten hold. (1592)
 
 
Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruft über Flut,
Und sagt, ihr heißet Amelrich; das war ein Degen gut,
Der seiner Feinde willen räumte dieses Land:
So wird der Fährmann kommen, wird ihm der Name bekannt.” (1593)
 
 
Der übermütge Hagen dankte den Frauen hehr.
Der Degen schwieg stille, kein Wörtlein sprach er mehr;
Dann ging er bei dem Wasser hinauf an dem Strand,
Wo er auf jener Seite eine Herberge fand. (1594)
 
 
Laut begann zu rufen der Degen über Flut:
“Nun hol mich über, Ferge,” sprach der Degen gut,
“So geb ich dir zum Lohne eine Spange goldesrot;
Mir tut das Überfahren, das wisse, in Wahrheit Not.” (1595)
 
 
Es brauchte nicht zu dienen der reiche Schiffersmann,
Lohn nahm er selten von jemanden an;
Auch waren seine Knechte zumal von stolzem Mut.
Noch immer stand Hagen auf dieser Seite der Flut. (1596)
 
 
Da rief er so gewaltig, der ganze Strom erscholl
Von des Helden Stärke, die war so groß und voll:
“Mich Amelrich hol über; ich bin es, Elses Mann,
Der starker Feindschaft wegen aus diesen Landen entrann.” (1597)
 
 
Hoch an seinem Schwerte er ihm die Spange bot;
Die war schön und glänzte von lichtem Golde rot,
Dass man ihn überbrächte in Gelfratens Land.
Der übermütge Ferge nahm selbst das Ruder in die Hand. (1598)
 
 
Derselbe Schiffmann hatte neulich erst gefreit.
Die Gier nach großem Gute oft böses Ende leiht:
Er dachte zu verdienen Hagens Gold so rot;
Da litt er von dem Degen den schwertgrimmigen Tod. (1599)
 
 
Der Fährmann fuhr gewaltig hinüber an den Strand.
Den er nennen hörte, als er den nicht fand,
Da hub er an zu zürnen: Als er Hagen sah
Mit grimmen Ungestüme zu dem Helden sprach er da: (1600)
 
 
“Ihr mögt wohl sein geheißen mit Namen Amelrich:
Doch gleicht ihr dem mitnichten, des ich versehen mich.
Von Vater und Mutter war er der Bruder mein:
Nun ihr mich betrogen habt, so müsst ihr dieshalben sein.” (1601)
 
 
“Nein! Um Gottes willen,” sprach Hagen dagegen,
“Ich bin ein fremder Ritter, besorgt um andre Degen:
Nun nehmt, den ich geboten, freundlich hin den Sold
Und fahret uns hinüber: Ich bin euch wahrhaftig hold.” (1602)
 
 
Da sprach der Fährmann wieder: “Das kann nun nicht sein.
Viel Feinde haben die lieben Herren mein:
Drum fahr ich keinen Fremden hinüber in das Land;
Wenn euch das Leben lieb ist, so tretet aus an den Strand.” (1603)
 
 
“Nein, tut das nicht,” sprach Hagen, “traurig ist mein Mut;
Nehmt von mir zum Lohne die goldne Spange gut,
Und fahrt uns über, tausend Ross und auch so manchen Mann.”
Da sprach der grimme Fährmann: “Das wird nimmer getan.” (1604)
 
 
Er hob ein starkes Ruder, das war groß und breit,
Und schlug es auf Hagen; dem tat es solches Leid,
Dass er im Schiffe nieder strauchelt' auf das Knie.
Solchen grimmen Fährmann fand der von Tronje noch nie. (1605)
 
 
Noch stärker zu erzürnen den kühnen Fremdling, schwang
Er seine Ruderstange, dass sie ganz zersprang,
Auf das Haupt dem Hagen; er war ein starker Mann;
Davon Elses Ferge bald großen Schaden gewann. (1606)
 
 
Mit grimmigem Mute griff Hagen gleich zur Hand
Zur Seite nach der Scheide, wo er eine Waffe fand:
Er schlug das Haupt vom Rumpf ihm und warf es auf den Grund.
Bald macht' er diese Mären auch den Burgonden kund. (1607)
 
 
Im selben Augenblicke, als er den Fährmann schlug,
Glitt das Schiff zur Strömung; das war ihm leid genug.
Eh er es richten konnte, fiel ihn Ermüdung an:
Da zeigte große Kräfte König Gunthers Untertan. (1608)
 
 
Er versucht' es umzukehren mit schnellem Ruderschlag.
Bis ihm das starke Ruder in der Hand zerbrach.
Er wollte zu den Recken sich wenden an den Strand;
Da hat er keines weiter: Wie bald er es zusammen band. (1609)
 
 
Mit seinem Schildriemen! Einer Borte schmal.
Da kehrt' er nach dem Walde das Schifflein zu Tal.
Da fand er seine Herren harren an dem Strand;
Es gingen ihm entgegen viel der Degen auserkannt. (1610)
 
 
Mit Gruß ihn wohl empfingen die schnellen Ritter gut:
Sie sahen in dem Schiffe rauchen noch das Blut
Von einer starken Wunde, die er dem Fergen schlug:
Da ward darnach Degen Hagen ausgefragt genug. (1611)
 
 
Als der König Gunther das heiße Blut ersah
In dem Schiffe schwimmen, wie bald sprach er da:
“Wo ist denn, Herr Hagen, der Fährmann hingekommen?
Eure starken Kräfte haben ihm wohl das Leben benommen.” (1612)
 
 
Er sprach mit Lügenworten: “Als ich das Schifflein fand
Bei einer wilden Weide, da lös't es meine Hand:
Ich habe keinen Fergen heute hier gesehn,
Es ist auch niemand Leides von meinetwegen geschehn.” (1613)
 
 
Da sprach von Burgonden der Degen Gernot:
“Heute muss ich bangen um lieber Freunde Tod,
Da wir keinen Schiffmann hier am Strome sehn:
Wie wir hinüber kommen, darob muss ich in Sorgen stehn.” (1614)
 
 
Laut rief da Hagen: “Legt auf den Boden her,
Ihr Knechte, das Geräte: Ich war, gedenkt mir, mehr
Der allerbeste Ferge, den man am Rheine fand:
Ich bring euch hinüber gar wohl in Gelfratens Land.” (1615)
 
 
Dass sie desto schneller kämen über Flut,
Banden sie die Mähren an; ihr Schwimmen ward so gut,
Dass ihnen auch nicht eines die starke Flut benahm.
Einge trieben ferner, als Ermüdung ihnen kam. (1616)
 
 
* Das Schiff war ungefüge, stark und weit genug:
Fünfhundert oder drüber es leicht auf einmal trug
Ihres Volks mit Speise und Waffen über Flut:
Am Ruder musste ziehen des Tages mancher Ritter gut. (1617)
 
 
Sie trugen zu dem Schiffe ihr Gold und auch den Staat,
Da sie der Hofreise nicht wollten haben Rat.
Hagen fuhr sie über; da bracht er an den Strand
Manchen zieren Recken in das unbekannte Land. (1618)
 
 
Zum ersten bracht er über tausend Ritter hehr,
Dazu auch seine Recken; dann kamen ihrer mehr,
Neuntausend Knechte, die bracht er an das Land:
Das Tages war unmüßig des kühnen Tronejers Hand. (1619)
 
 
Da er sie wohlgeborgen brachte über Flut,
Da gedachte jener Märe der schnelle Degen gut,
Die ihm verkündet hatte das wilde Meerweib:
Dem Kaplan des Königs gings schier an Leben und Leib (1620)
 
 
Bei seinem Weihgeräte er den Pfaffen fand
Auf dem Heiligtume sich stützend mit der Hand:
Das kam ihm nicht zu Gute, als Hagen ihn ersah;
Der gottverlassne Priester, viel Beschwerde litt er da. (1621)
 
 
Er schwang ihn aus dem Schiffe mit eilender Gewalt.
Da riefen ihrer viele: “Halt! Herr Hagen, halt!”
Geiselher der junge hub zu zürnen an;
Er wollt es doch nicht lassen bis er ihm Leides getan. (1622)
 
 
Da sprach von Burgonden der Degen Gernot:
“Was hilft euch nun, Herr Hagen, des Kaplanes Tod?
Tat dies anders jemand, es sollt ihm werden leid:
Was verschuldete der Priester, dass ihr so wider ihn seid?” (1623)
 
 
Der Pfaffe schwamm und Kräften; er hoffte zu entgehn,
Wenn ihm nur jemand hilfe: Das konnte nicht geschehn,
Denn der starke Hagen, gar zornig war sein Mut,
Stieß ihn zu Grunde wieder: Das däuchte niemanden gut. (1624)
 
 
Als der arme Pfaffe hier keine Hilfe sah,
Da kehrt' er sich zurücke; Beschwerde litt er da.
Ob er nicht schwimmen konnte, doch half ihm Gottes Hand,
Dass er wohlgeborgen hinwieder kam an das Land. (1625)
 
 
Da stand der arme Priester und schüttelte sein Kleid.
Daran erkannte Hagen, ihm habe Wahrheit
Unmeidliche, verkündet das wilde Meerweib.
Er dachte: “Diese Degen verlieren Leben und Leib.” (1626)
 
 
Als sie das Schiff entladen und weggetragen dann
Was darauf besessen der dreien Fürsten Bann,
Schlug Hagen es in Stücke und warf es in die Flut:
Das wunderte gewaltig die Recken edel und gut. (1627)
 
 
“Was tut ihr das, Bruder?”, sprach da Dankwart,
“Wie sollen wir hinüber bei unsrer Wiederfahrt,
Wenn wir von den Heunen reiten an den Rhein?”
Hernach sagt' ihm Hagen, das könne nimmermehr sein. (1628)
 
 
Da sprach von Tronje Hagen: “Ich tat es mit Bedacht:
Wenn wir einen Feigen in dieses Land gebracht,
Der uns entrinnen möchte in seines Herzens Not,
Dass er an diesen Wogen finde schmählichen Tod.” (1629)
 
 
* Als der Kaplan des Königs das Schiff zerschlagen sah,
Über das Wasser zu Hagen sprach er da:
“Mörder ohne Treue, was hat ich euch getan,
Dass mich unschuldgen Pfaffen euer Herz zu ertränken sann?” (1630)
 
 
* Zur Antwort gab ihm Hagen: “Die Rede lasst beiseit:
Mich kümmert, meiner Treue, dass ihr entkommen seid
Hier vor meinen Händen, das glaubt mir ohne Spott.”
Da sprach der arme Priester: “Dafür lob ich ewig Gott. (1631)
 
 
* Ich fürcht euch wahrlich wenig, des dürft ihr sicher sein;
Fahrt ihr zu den Heunen, so will ich an den Rhein.
Gott lass euch nimmer wieder nach dem Rheine kommen:
Das wünsch ich euch von Herzen; schier das Leben habt ihr mir genommen.” (1632)
 
 
Mit ihnen zog einer aus Burgondenland,
Der ein behender Degen und Volker war genannt.
Der redete gar launig nach seinem kühnen Mut:
Was Hagen je begangen von Fiedler däuchte das gut. (1633)
 
 
Die Rosse standen harrend, die Säumer wohl geladen;
Sie hatten auf der Reise bisher noch keinen Schaden
Genommen, der sie schmerzte, als des Königs Kapellan:
Der musst auf seinen Füßen sich zum Rheine suchen Bahn. (1634)
 

26. Abenteuer
Wie Dankwart Gelfraten erschlug

 
Als sie nun alle waren gekommen an den Strand,
Da fragte König Gunther: “Wer soll uns durch das Land
Die rechten Wege weisen, dass wir nicht irre gehn?”
Da sprach der starke Volker: “Das Amt lasst mich nur versehn.” (1635)
 
 
“Nun seht euch vor,” sprach Hagen, “seis Ritter oder Knecht,
Man soll Freunden folgen; das dünkt mich gut und recht.
Eine ungefüge Märe mach ich euch bekannt:
Wir kommen nimmer wieder heim in der Burgonden Land. (1636)
 
 
“Das sagen mir zwei Meerfraun heute morgen früh,
Dass wir nicht wieder kämen: Nun rat ich was man tu:
Waffnet euch, ihr Helden, so mögt ihr euch bewahren:
Wir finden starke Feinde und müssen drum wehrhaft fahren. (1637)
 
 
“Ich wähnt auf Lug zu finden die weisen Meerfraun:
Sie sagten mir, nicht einer werde wiederschaun
Die Heimat von uns allen bis auf den Kapellan;
Drum hätt ich ihm so gerne heut den Tod angetan.” (1638)
 
 
Da flogen diese Mären von Schar zu Schar umher:
Da wurden bleich vor Schrecken Degen kühn und hehr,
Als sie die Sorge fasste vor dem harten Tod
Auf dieser Hofreise: Das schuf ihnen wahrlich Not. (1639)
 
 
Bei Möringen waren sie über Flut gekommen,
Wo dem Eisen-Fährmann das Leben ward benommen.
Da sprach Hagen wieder: “Da ich mir so gewann
Unterwegs der Feinde, so fällt man sicher uns an. (1640)
 
 
“Ich erschlug den Fährmann heute morgen früh.
Sie wissen nun die Kunde: Drum eilt und greifet zu:
Wenn Gelfrat und Else uns denken zu bestehn
Mit unsrem Ingesinde, dass ihnen übel mag geschehn. (1641)
 
 
Sie werden es nicht meiden, ich weiß es, sie sind kühn,
Drum lasst in sanftem Schritte die Rosse weiter ziehn,
Dass nicht jemand wähne, wir flöhen auf den Wegen.”
“Dem Rate will ich folgen,” sprach da Geiselher der Degen. (1642)
 
 
“Wer zeigt nun dem Gesinde die Wege durch das Land?”
Sie sprachen: “Das soll Volker, dem sind die wohlbekannt
Die Straßen und die Steige, dem kühnen Fiedelmann.”
Eh man es noch begehrte kam er gewaffnet heran, (1643)
 
 
Der kühne Fiedelspieler; den Helm er überband;
Von herrlicher Farbe war sein Streitgewand.
Am Schafte ließ er flattern ein Zeichen, das war rot:
Bald kam er mit den Königen in eine furchtbare Not. (1644)
 
 
Gewisse Märe hatte Gelfrat bekommen
Von des Fährmanns Tode: Da hatt es auch vernommen
Else der Starke: Beiden war es Leid.
Sie besandten ihre Helden; die traf man balde bereit. (1645)
 
 
Darauf in kurzen Zeiten, nun hört mich weiter an,
Gab man zu ihnen reiten, denen Schaden war getan,
In starkem Kriegszuge ein ungezähltes Heer:
Wohl siebenhundert zogen zu Hilfe Gelfraten her. (1646)
 
 
Als man den grimmen Feinden nachzuziehn begann,
Ihre Herren, die sie führten, huben zu jagen an
Nach den kühnen Gästen: Sie wollten Rache haben:
Da mussten sie der Freunde hernach noch manchen begraben. (1647)
 
 
Herr Hagen von Tronje richtete das ein
(Wie konnte seiner Freunde ein bessrer Hüter sein?)
Dass er die Nachhut hatte und die in seinem Bann,
Mit Dankwart seinem Bruder; das wurde willig getan. (1648)
 
 
Ihnen war der Tag zerronnen, den hatten sie nicht mehr:
Er bangte vor Gefahren für seine Freunde sehr.
Sie ritten unter Schilden durch der Bayern Land:
Darauf nach kurzer Weile die Helden wurden angerannt. (1649)
 
 
Beiderseits der Straße und hinter ihnen her
Vernahm man Hufe schlagen; die Haufen eilten sehr.
Da sprach der kühne Dankwart: “Gleich fallen sie uns an:
Bindet auf die Helme, das dünkt ich rätlich getan.” (1650)
 
 
Sie hielten ein mit Reiten, also musst es sein:
Sie sahen in dem Dunkel der lichten Schilde Schein,
Nicht länger stille schweigen mochte da Herr Hagen:
“Wer verfolgt uns auf der Straße?” Das musste Gelfrat ihm sagen. (1651)
 
 
Da sprach dieser Markgraf aus dem Bayerland:
“Wir suchen unsre Feinde, denen sind wir nachgerannt.
Ich weiß nicht, wer mir heute meinen Fergen schlug:
Das war ein schneller Degen; mir ist leid um ihn genug.” (1652)
 
 
Da sprach von Tronje Hagen: “War der Ferge dein?
Er wollt uns nicht fahren (mein ist die Schuld allein):
Da erschlug ich den Recken: Fürwahr, es tat mir Not:
Ich fand von seinen Händen beinah den grimmigen Tod. (1653)
 
 
Ich bot ihm zum Lohne Gold und auch Gewand,
Dass er uns überführe, Degen, in dein Land.
Darüber zürnt' er also, dass er nach mir schlug:
Mit einem starken Ruder: Drob war ich grimmig genug. (1654)
 
 
Da griff ich nach dem Schwerte und wehrte seinen Zorn
Mit einer starken Wunde: Da war der Held verlorn.
Ich steh euch hier zur Sühne, haltet ihrs für gut.”
Da ging es an ein Streiten; sie hatten zornigen Mut. (1655)
 
 
“Ich wusste wohl,” sprach Gelfrat, “als hier mit seinem Lehn
Gunter zog vorüber, uns werd ein Leid geschehn
Durch Hagen von Tronje. Nun büßt ers mit dem Leben:
Für des Fährmanns Ende soll der Held hier Bürgschaft geben.” (1656)
 
 
Über die Schilde neigten da zum Stich den Speer
Gelfrat und Hagen; sich zürnten beiden schwer.
Else und Dankwart zusammen herrlich ritten;
Sie versuchten wer sie waren: Da wurde grimmig gestritten. (1657)
 
 
Wann versuchten Helden in kühnerm Kampfe sich?
Von einem starken Stoße fiel Hagen hinter sich
Von der Mähre nieder durch Helfratens Hand;
Der Burstriem war gebrochen; da ward ihm Streiten bekannt. (1658)
 
 
Man vernahm auch beim Gesinde brechender Schäfte Schall:
Da erholte sich auch Hagen wieder von dem Fall,
Den er auf das Gras getan von des Gegners Stoß:
Da erst ward sein Zürnen wider Gelfraten groß. (1659)
 
 
Wer ihr Ross gehalten, das ist mir unbekannt.
Gelfrat und Hagen waren auf den Sand
Gekommen von der Mähre: Da liefen sie sich an.
Ihre Gesellen halfen, dass man Streitens Kunde gewann. (1660)
 
 
Wie bitterlich auch Hagen zu Gelfraten sprang,
Ein gutes Teil des Schildes der edle Markgraf schwang
Ihm zur Erde nieder; das Feuer stob daran.
Da wäre schier erstorben König Gunthers Untertan. (1661)
 
 
Er rief mit lauter Stimme Dankwarten an:
“Hilf mir, lieber Bruder, ein schneller starker Mann
Hat mich hier bestanden, der lässt mich nicht am Leben.”
Da sprach der kühne Dankwart: “Dem will ich ein Ende geben.” (1662)
 
 
Da sprang der Degen näher und schlug ihm einen Schlag
Mit einer scharfen Waffe, davon er leblos lag
Else wollte Rache nehmen für den Mann:
Doch er und sein Gesinde mit Schaden schieden hindann. (1663)
 
 
Sein Bruder war erschlagen, selber war er wund;
Wohl achtzig seiner Degen wurden gleich zur Stund
Des grimmen Todes Beute: Da musste wohl der Held
Gunthers Leuten räumen mit schnellem Flüchten das Feld. (1664)
 
 
Als die vom Bayerlande wichen aus dem Wege,
Man hörte nachhallen die furchtbaren Schläge:
Da jagten die von Tronje hinter den Feinden her.
Die es nicht büßen wollten, die eilten alle gar zu sehr. (1665)
 
 
Da sprach beim Nachsetzen Dankwart der Degen:
“Kehren wir uns wieder zurück auf unsern Wegen,
Und lassen wir sie reiten, sie sind von Blute nass.
Wir eilen zu den Freunden, in Treuen rat ich euch das.” (1666)
 
 
Als sie hinwieder kamen, wo der Schade war geschehn,
Da sprach von Tronje Hagen: “Helden, lasst uns sehn,
Wen wir hier vermissen, oder wer uns ging verlorn
Hier in diesem Streite durch Degen Gelfratens Zorn.” (1667)
 
 
Sie vermissten Viere; der Schade war zu tragen.
Sie waren wohl vergolten; dagegen war erschlagen
Deren vom Bayerlande hundert oder mehr:
Denen von Tronje waren die Schilde trüb und blutesschwer. (1668)
 
 
Ein wenig brach aus Wolken des hellen Mondes Licht:
Da sprach wieder Hagen: “Hört, berichtet nicht
Meinen lieben Herren was wir hier getan:
Lasst bis zum Morgen ihnen keine Sorge nahn.” (1669)
 
 
Als zu ihnen stießen die da kamen von dem Streit,
Da klagte das Gesinde über Müdigkeit:
“Wie lange sollen wir reiten,” fragte mancher Mann.
Da sprach der kühne Dankwart: “Wir treffen keine Herberg an. (1670)
 
 
Ihr müsset alle reiten bis an den hellen Tag.”
Volker der schnelle, der des Gesindes pflag,
Ließ den Marschall fragen: “Wo kehren wir heut ein?
Wo rasten unsre Pferde und die lieben Herren mein?” (1671)
 
 
Da sprach der kühne Dankwart: “Ich weiß es nicht zu sagen:
Wir können uns nicht ruhen bis es beginnt zu tagen;
Wo wir es dann finden, legen wir uns aufs Gras.”
Als sie die Kunde hörten, wie leid war Etlichen das! (1672)
 
 
Sie blieben unverraten vom heißen Blute rot,
Bis dass die Sonne die lichten Strahlen bot
Dem Morgen über Berge, wo es der König sah,
Dass sie gestritten hatten: Sehr im Zorne sprach er da: (1673)
 
 
“Wie nun, Freund Hagen? Verschmähtet ihr das,
Dass ich euch Hilfe brächte, als euch die Ringe nass
Wurden von dem Blute? Wer hat euch das getan?”
Da sprach er: “Else tat es, der griff nächten uns an. (1674)
 
 
Uns des Fährmanns willen wurden wir angerannt.
Da erschlug Gelfraten meines Bruders Hand;
Entronnen ist uns Else, es zwang ihn große Not:
Ihnen Hundert, uns nur Viere blieben da im Streite tot.” (1675)
 
 
Wir können euch nicht melden, wo man die Ruhe fand.
All den Landsleuten ward es wohlbekannt,
Der edeln Ute Söhne zögen zum Hofgelag:
Sie wurden wohl empfangen dort zu Passau bald hernach. (1676)
 
 
Dem Ohm der edeln Könige, dem Bischof Pilgerin,
Dem wurde wohl zu Mute, als seine Neffen ihn
Mit so manchem Recken besuchten in dem Land;
Dass er sie gerne sähe ward ihnen balde bekannt. (1677)
 
 
Sie wurden wohl empfangen von Freunden auf den Wegen.
Da konnte man in Passau sie alle nicht verpflegen;
Sie mussten übers Wasser: Da fanden sie ein Feld,
Da wurden aufgeschlagen Hütten viel und reich Gezelt. (1678)
 
 
Sie mussten da verweilen einen vollen Tag
Und eine Nacht darüber. Wie schön man sie verpflag!
Dann ritten sie von dannen in Rüdigers Land:
Dem wurden auch die Mären nach wenig Stunden bekannt. (1679)
 
 
Als die Wegemüden Ruh sich angetan,
Und man Rüdgers Lande zu nahen nun begann,
Sie fanden auf der Marke schlafen einen Mann,
Dem von Tronje Hagen eine starke Waffe abgewann. (1680)
 
 
Eckewart war geheißen derselbe Ritter gut:
Der gewann darüber einen traurigen Mut,
Dass er das Schwert verloren durch der Helden Fahrt.
Rüdgers Grenzmarke, die fand man übel bewahrt. (1681)
 
 
“O weh mir dieser Schande,” sprach da Eckewart,
“Wie muss ich nun beklagen der Burgonden Fahrt!
Als ich verlor Siegfrieden hub all mein Kummer an;
O weh, mein Herre Rüdiger, wie hab ich wider dich getan!” (1682)
 
 
Wohl hörte Hagen des edeln Recken Not;
Er gab das Schwert ihm wieder, dazu sechs Spangen rot:
“Die nimmer dir, Held, zum Lohne, willst du hold mir sein;
Du bist ein kühner Degen, lägst du hier noch so allein.” (1683)
 
 
“Gott lohn euch eure Spangen,” sprach da Eckewart,
“Doch gereut mich mächtig zu den Heunen eure Fahrt.
Ihr erschlugt Siegfrieden; hier trägt man euch noch Hass:
Dass ihr euch wohl behütet, in Treue rat ich euch das.” (1684)
 
 
“Nun, mag uns Gott behüten,” sprach Hagen dagegen,
“Keine andre Sorge haben diese Degen
Als um die Herberge, die Fürsten und ihr Lehn,
Wo wir in diesem Lande heute Nachtruh sollen sehn. (1685)
 
 
“Die Ross sind uns verdorben auf den fernen Wegen,
Die Speise gar zerronnen,” sprach Hagen der Degen,
“Wir findens nicht zu Kaufe: Es wär ein Wirt uns Not,
Der uns durch seine Tugend noch heunte gäbe das Brot.” (1686)
 
 
Da sprach wieder Eckewart: “Ich zeig euch solchen Wirt,
Dass niemand euch im Hause so gut empfangen wird.
In irgend einem Lande als euch hier mag geschehn,
Wenn ihr schnellen Degen wollt zu Rüdigern gehn. (1687)
 
 
“Der Wirt wohnt an der Straße, der beste allerwärts,
Der je ein Haus besessen: Tugend gebiert sein Herz,
Wie das Gras mit Blumen der süße Maie tut,
Und soll er Helden dienen, so ist er froh und wohlgemut.” (1688)
 
 
Da sprach der König Gunther: “Wollt ihr mein Bote sein,
Ob mich behalten wolle um der Liebe mein
Mein lieber Freund Rüdger, und die in meinem Bann?
Das will ich immer lohnen so gut ich irgend nur kann.” (1689)
 
 
“Der Bote bin ich gerne,” sprach da Eckewart,
Mit viel gutem Willen erhob er sich zur Fahrt
Und saget Rüdigeren was er da vernommen:
Dem war in langen Zeiten so liebe Kunde nicht gekommen. (1690)
 
 
Man sah zu Bechlaren eilen einen Degen,
Den Rüdger wohl erkannte; er sprach: “Auf diesen Wegen
Kommt Eckewart gegangen, Kriemhildens Untertan.”
Er wähnte schon, die Feinde hätten ihm ein Leid getan. (1691)
 
 
Da ging er vor die Pforte, wo er den Boten fand;
Der nahm sein Schwert vom Gürtel und legt' es aus der Hand.
Die Märe, die er brachte, verhehlte nicht sein Mund
Dem Wirt und sein Freunden, er macht' es blad ihnen kund. (1692)
 
 
Er sprach zum Markgrafen: “Mich hat zu euch gesandt
Gunther mein Herre von Burgondenland,
Geiselher sein Bruder und auch Gerenot.
Jeglicher der Recken euch seine Dienste der entbot. (1693)
 
 
“Dasselbe tut auch Hagen, Volker auch zugleich,
Mit Fleiß und rechter Treue; dazu bericht ich euch
Was des Königs Marschall euch durch mich entbot:
Es sei den guten Knechten eure Herberge Not.” (1694)
 
 
Mit lachendem Munde versetzte Rüdiger:
“Nun wohl mir dieser Märe, dass die Könge hehr
Begehren meiner Dienste: Dazu bin ich bereit.
Wenn sie ins Haus mir kommen, des bin ich höchlich erfreut.” (1695)
 
 
“Dankwart der Marschall, der hat euch kund getan,
Wer euch zu Hause noch heute zieht heran:
Sechzig schneller Recken und tausend Ritter gut,
Und neuntausend Knechte.” Da ward ihm fröhlich zu Mut: (1696)
 
 
“Wohl mir um diese Gäste,” sprach da Rüdiger,
“Dass mir zu Hause kommen die edeln Ritter hehr,
Denen ich noch selten einen Dienst getan.
Nun reitet ihnen entgegen, sei's Freund oder Untertan.” (1697)
 
 
Sie eitlen zu den Rossen, Ritter so wie Knecht.
Was sie ihr Herr geheißen, das däuchte alle recht:
Sie brachte ihre Dienste um so schneller dar;
Noch wusst es nicht Gotlinde, die in ihrer Kammer war. (1698)
 

27. Abenteuer
Wie Rüdiger Gunthern empfing

 
Hin ging der Markgraf, wo er die Frauen fand,
Sein Weib und seine Tochter. Denen macht er da bekannt
Diese liebe Märe, die er jetzt vernommen,
Dass ihrer Frauen Brüder zu ihrem Hause sollten kommen. (1699)
 
 
“Meine liebe Traute,” sprach da Rüdiger,
“Ihr sollt sie wohl empfangen, die edeln Könge hehr,
Wenn sie und ihr Gesinde hier zu Hofe gehn;
Ihr sollt auch schön begrüßen Hagen in Gunthers Lehn. (1700)
 
 
Mit ihnen kommt auch einer mit Namen Dankwart,
Ein andrer heißt Volker, an Ehren wohl bewahrt.
Die sechse sollt ihr küssen, ihr und die Tochter mein,
Und sollt auch in Züchten diesen Recken freundlich sein.” (1701)
 
 
Das gelobten ihm die Frauen und warens gern bereit:
Sie suchten aus den Kisten manch herrliches Kleid,
Darin sie den Recken entgegen wollten gehn.
Da sah man groß Befleißen von schönen Frauen geschehn. (1702)
 
 
Gefälschte Frauenzierde gar wenig man da fand;
Sie trugen auf dem Haupte lichtes goldnes Band,
Das waren reiche Kränze, damit ihr schönes Haar
Die Winde nicht verwehten; sie waren höfisch und klar. (1703)
 
 
In solcher Unmuße lassen wir die Fraun.
Da war ein schnelles Reiten auf dem Feld zu schaun
Von Rüdigers Genossen bis man die Fürsten fand:
Sie wurden wohl empfangen in des Markgrafen Land. (1704)
 
 
Als sie der Markgraf zu sich kommen sah,
Zu seinen lieben Gästen fröhlich sprach er da:
“Willkommen mir ihr Herren und die in euerm Lehn:
Hier in meinem Lande hab ich euch gerne gesehn.” (1705)
 
 
Da dankten ihm die Recken in Treuen ohne Hass.
Wie wohl er ihnen wolle, wohl bewies er das.
Besonders grüßt' er Hagen, der war ihm längst bekannt;
So tat er auch mit Volkern aus der Burgonden Land. (1706)
 
 
Er empfing auch Dankwarten. Da sprach der kühne Degen:
“Wollt ihr uns hier behalten, wer soll dann verpflegen
Unser Ingesinde, das wir hergebracht?
Da sprach der Markgraf: “Ich schaff euch gute Ruh bei Nacht (1707)
 
 
* Und all dem Gesinde. Was ihr in das Land
Mit euch hergeführet: Ross, Silber und Gewand,
Dem geb ich solche Hüter, nichts geht davon verloren,
Das euch zu Schaden brächte nur um einen halben Sporen. (1708)
 
 
“Spannet auf, ihr Knechte, die Hütten in dem Feld;
Was ihr hier verlieret, dafür leist ich Entgelt:
Zieht die Zäume nieder und lasst die Rosse gehn.”
Das war ihnen selten von einem Wirte noch geschehn. (1709)
 
 
Des freuten sich die Gäste. Als das geschehen war
Und die Herrn von dannen ritten, legte sich die Schar
Der Knecht im Grase nieder: Gut ruhen war es da,
Dass ihnen auf der Reise wohl nimmer sanfter geschah. (1710)
 
 
Die edle Markgräfin mit ihrer Tochter schön
War vor die Burg gegangen; da sah man bei ihr stehn
Minnigliche Frauen und manche schöne Maid;
Sie trugen viel der Spangen und manches herrliche Kleid. (1711)
 
 
Das edle Gesteine glänzte fern hindann
Aus ihrem reichen Staate: Sie waren wohlgetan.
Da kamen auch die Gäste und sprangen auf den Sand:
Hei! Was man edle Sitten an den Burgonden fand! (1712)
 
 
Sechsunddreißig Mägdelein und viel andre Fraun,
Die wohl nach Wunsche waren und wonnig anzuschaun,
gingen ihnen entgegen mit manchem kühnen Mann:
Da ward ein schönes Grüßen von edeln Frauen getan. (1713)
 
 
Die Markgräfin küsste die Könge alle drei;
So tat auch ihre Tochter. Hagen stand dabei.
Den hieß ihr Vater küssen: Da blickte sie ihn an:
Er däuchte sie so furchtbar, sie hätt es lieber nicht getan. (1714)
 
 
Doch musste sie es leisten wie ihr der Wirt gebot:
Gemischt ward ihre Farbe, bleich und wieder rot.
Sie küsst' auch Dankwarten, darnach den Fiedelmann:
Seiner Kühnheit willen ward ihm das Grüßen getan. (1715)
 
 
Die junge Markgräfin nahm bei der Hand
Geiselher den jungen von Burgondenland;
So nahm auch ihre Mutter Gunthern den kühnen Mann.
Da gingen mit den Helden die Frauen fröhlich hindann. (1716)
 
 
Der Wirt ging mit Gernoten in einen weiten Saal,
Die Ritter und die Frauen setzten sich zu Tal.
Da ließ man gleich den Gästen schenken guten Wein:
Besser mochten Helden nimmer wohl empfangen sein. (1717)
 
 
Mit liebem Blick der Augen sah da mancher an
Rüdigers Tochter, die war so wohlgetan.
Wohl kos't in seinem Sinne sie mancher Ritter gut:
Das mochte sie verdienen; sie trug gar hoch ihren Mut. (1718)
 
 
Sie dachten was sie wollten; doch konnt es nicht geschehn.
Man sah die guten Ritter hin und wieder spähn
Nach Mägdelein und Frauen; deren saßen da genug.
Dem Wirt geneigten Willen der edle Fiedeler trug. (1719)
 
 
Da wurden sie geschieden wie Sitte war im Land:
Zu andern Zimmern gingen Ritter und Fraun zur Hand.
Man richtete die Tische in dem Saale weit
Und war den fremden Gästen zu allen Diensten bereit. (1720)
 
 
Den Gästen ging zu Ehren die edle Markgräfin
Mit ihnen zu den Tischen; die Tochter ließ sie drinn
Bei den Mägdlein weilen, wo sie nach Sitte blieb:
Dass sie die nicht mehr sahen, das war den Gästen nicht lieb. (1721)
 
 
Als man getrunken hatte und gespeiset überall,
Da führte man die Schönen wieder in den Saal.
Anmutge Reden wurden nicht gescheut,
Viel sprach deren Volker, ein Degen kühn und allbereit. (1722)
 
 
Da sprach unverhohlen derselbe Fiedelmann:
“Viel reicher Markgraf, Gott hat an euch getan
Nach allen seinen Gnaden: Hat er euch doch gegeben
Ein Weib, ein so recht schönes, dazu ein wonnigliches Leben. (1723)
 
 
“Wenn ich ein König wäre,” sprach der Fiedelmann,
“Und sollte Krone tragen, zum Weibe nähm ich dann
Eure schöne Tochter: Die wünschte sich mein Mut:
Sie ist minniglich zu schauen, dazu edel und gut.” (1724)
 
 
* Da sprach der Markgraf: “Wie möchte das wohl sein,
Dass je ein Fürst begehrte der leiben Tochter mein?
Wir sind hier beide fremde, ich und auch mein Weib;
Was hilft die große Schöne an der guten Jungfrau Leib?” (1725)
 
 
Da versetzte Gernot, der edle Degen gut:
“Und wählt ich eine Traute nach meines Herzens Mut,
So wär ich solches Weibes von ganzer Seele froh.”
Da antwortet' ihm Hagen mit adliger Sitte so: (1726)
 
 
“Nun soll sich doch beweiben mein Herre Geiselher:
Es ist so hohen Stammes die Markgräfin hehr,
Dass wir ihr gerne dienten, ich und sein ganzes Lehn,
Sollte sie unter Krone bei den Burgonden gehn.” (1727)
 
 
Diese Rede däuchte Rüdigern gut,
Und auch Gotelinden; wohl freute sich ihr Mut.
Da schufen es die Helden, dass sie zum Weibe nahm
Geiselher der edle; der König durft es ohne Scham. (1728)
 
 
Soll ein Ding sich fügen, wer kann ihm widerstehn?
Man ließ die Jungfraue hin zu Hofe gehn.
Da schwur man ihm zu geben das wonnigliche Weib;
Da gelobt' auch er zu minnen ihren minniglichen Leib. (1729)
 
 
Man beschied der Jungfrau Burgen und auch Land.
Da sicherte mit Eiden des edeln Königs Hand
Und Gernot der Degen, es werde so getan.
Da sprach der Markgraf: “Da ich des Landes nicht gewann, (1730)
 
 
So will ich euch in Treuen immer bleiben hold.
Ich gebe meiner Tochter an Silber und an Gold
Was hundert Saumrosse nur immer mögen tragen,
Dass es diesen Helden nach Ehren möge behagen.” (1731)
 
 
Da wurden nach der Sitte in einen Kreis gestellt
Die beiden Anverlobten. Mancher junge Held
Mit fröhlichem Mute stand ihr da entgegen,
Er gedachte in seinem Sinne wie noch die Jungen gerne Pflegen. (1732)
 
 
Als nun begann zu fragen die minnigliche Maid
Ob sie den Recken wolle, zum Teil war es ihr leid;
Doch dachte sie zu nehmen den waidlichen Mann.
Sie schämte sich der Frage, wie manche Maid hat getan. (1733)
 
 
Ihr riet ihr Vater Rüdiger, dass sie spräche ja,
Und dass sie gern ihn nähme: Wie schnell war er da
Mit seinen weißen Händen, womit er sie umschloss,
Gieselher der Junge! Wie wenig sie ihn doch genoss! (1734)
 
 
Da sprach der Markgraf: “Ihr edeln Könge reich,
Wenn ihr nun wiederkehret beim in euer Reich,
Wie es doch bald geschiehet, so geb ich euch die Magd,
Dass ihr sie mit euch führet.” Also ward es zugesagt. (1735)
 
 
Der Schall, den man hörte, der musste nun vergehn.
Man ließ die Jungfrauen zu ihren Kammern gehn,
Und auch die Gäste schlafen und ruhn bis an den Tag.
Da schuf man ihnen Speise; der Wirt sie gütlich verpflag. (1736)
 
 
Nach dem Imbiss wollten sie von dannen fahren
Zu der Heunen Lande: “Davor will ich euch wahren,”
Sprach der edle Markgraf, “ihr sollt noch hier bestehn;
So liebe Gäste hab ich lange nicht bei mir gesehn.” (1737)
 
 
Da versetzte Dankwart: “Herr, das kann nicht sein:
Wo nähmet ihr die Speise, das Brot und auch den Wein,
Das ihr doch haben müsstet für so manchen Mann?”
Als der Wirt das hörte, stand ihm die Rede nicht an. (1738)
 
 
“Meine lieben Herren, ihr dürft mirs nicht versagen.
Ich habe noch die Speise zu vierzehn Tagen
Für euch und das Gesinde, das mit euch hergekommen:
Mir hat der König Etzel noch gar selten was genommen.” (1739)
 
 
Wie sie sich weigern mochten, sie mussten da bestehn
Bis an den vierten Morgen. Wohl mochte da geschehn
Durch des Wirtes Milde was ferne ward bekannt:
Er gab seinen Gästen beides, Ross und Gewand. (1740)
 
 
Nicht länger konnt es währen, sie mussten dannen fahren:
Rüdiger der kühne konnte wenig sparen
Vor seiner großen Milde: Was jemand nur begehrt,
Das versagt' er niemand, sie sahn sich alle hoch geehrt. (1741)
 
 
Ihr edel Ingesinde brachte vor das Tor
Viel geschirrter Rosse; es wartete davor
Mancher fremde Recke, den Schild an seiner Hand,
Weil sie reiten wollten König Etzeln in das Land. (1742)
 
 
Der Wirt bot seine Gaben den Degen allzumal
Eh die edeln Gäste kamen vor den Saal;
Er mochte wohl mit Ehren in hoher Milde leben.
Seine schöne Tochter hatt er Geiselhern gegeben; (1743)
 
 
Da gab er Gernoten eine Waffe gut genug,
Die hernach in Stürmen der Degen herrlich trug.
Ihm gönnte wohl die Gabe des Markgrafen Weib;
Doch verlor Rüdiger davon noch Leben und Leib. (1744)
 
 
Da gab er König Guntern, dem Helden ohne Gleich,
Was wohl mit Ehren führte der edle König reich,
Ob er selten Gab empfangen, ein gutes Streitgewand;
Da neigte sich der König vor des milden Rüdger Hand. (1745)
 
 
Da bot Frau Goteline, sie durft es ohne Scham,
Auch Hagen holde Gabe: Da sie der König nahm,
So sollt auch er nicht fahren zu dem Hofgelag
Ohn ihr Angebinde: Der Held jedoch widersprach. (1746)
 
 
“Alles was ich je gesehn,” so sprach da Hagen,
“So wünscht ich nichts weiter von hier hinweg zu tragen
Als den Schild, der dorten hänget an der Wand:
Den möcht ich gerne führen König Etzeln in das Land.” (1747)
 
 
Als Hagen seine Bitte der Markgräfin getan,
Die ihres Leids sie mahnte, das Weinen kam ihr an.
Da dachte sie mit Schmerzen an ihres Nudung Tod,
Den Wittich hat erschlagen; das schuf ihr Jammer und Not. (1748)
 
 
Sie sprach zu dem Degen: “Den Schild will ich euch geben.
O wollte Gott im Himmel, dass der noch dürfte leben,
Der einst ihn hat getragen! Er fand im Kampf den Tod.
Ich muss ihn stets beweinen, das schafft mir armen Weibe Not!” (1749)
 
 
Da erhob sich von dem Sitze die Markgräfin mild,
Mit ihren weißen Händen nahm sie herab den Schild
Und trug ihn hin zu Hagen: Der nahm ihn an die Hand.
Die Gabe war mit Ehren an den Recken gewandt. (1750)
 
 
Ein Wulst von lichtem Zeuche auf seinen Farben lag:
Bessern Schild als diesen beschien noch nie der Tag.
Er war besetzt mit Steinen: Hätt ihn wer begehrt
Zu kaufen, nach den Kosten war er wohl tausend Marken wert. (1751)
 
 
Den Schild wegzubringen befahl da Hagen an.
Da kam sein Bruder Dankwart auch zu Hof heran:
Dem gab reicher Kleider Rüdgers Kind genug,
Die er bei den Heunen mit vielen Freuden noch trug. (1752)
 
 
All die reiche Gabe, die sie hier genommen,
Es wär davon kein Flitter in ihre Hand gekommen,
Wars nicht dem Wirt zu Liebe, der es so gütlich bot.
Sie wurden ihm so feind hernach, dass sie ihn schlagen mussten tot. (1753)
 
 
Da hatte mit der Fiedel Volker der schnelle Held
Sich hin vor Gotelinde züchtiglich gestellt.
Er geigte süße Töne und sang dazu sein Lied:
So nahm er seinen Urlaub, als er von Bechlaren schied. (1754)
 
 
Sich ließ die Markgräfin eine Lade näher tragen.
Von freundlicher Gabe mögt ihr nun hören sagen:
Sie nahm daraus zwölf Spangen und schob sie ihm an die Hand:
“Die sollt ihr hinnen führen König Etzeln in das Land, (1755)
 
 
Und sollt sie mir zu Leibe dort am Hofe tragen:
Wenn ihr wiederkehret, dass man mir möge sagen,
Wie ihr mir habt gedienet bei dem Hofgelagt.”
Wohl nach der Frauen Wunsche tat der Degen hernach. (1756)
 
 
Der Wirt sprach zu den Gästen: “Nun mögt ihr sicher fahren;
Ich selbst will euch geleiten und vor Raub bewahren,
Dass ihr auf der Straße nicht werdet angerannt.”
Seine Saumrosse, die belud man gleich zur Hand. (1757)
 
 
Der Wirt war reisefertig nebst fünfhundert Mann
Mit Rossen und mit Kleidern. Da führt' er seinen Bann
Zu dem Hofgelage von dannen wohlgemut:
Nach Bechlaren kehrte nicht einer von den Rittern gut. (1758)
 
 
Mit minniglichen Küssen der Wirt von dannen schied,
Also tat auch Geiselher, wie ihm die Treue riet.
Sie herzten schöne Frauen mit liebendem Umfahn:
Das mussten bald beweinen viel Jungfrauen wohlgetan. (1759)
 
 
Da wurden allenthalben die Fenster aufgetan:
Zu den Rossen eilte der Wirt mit seinem Bann.
Sie fühlten wohl im Herzen voraus ihr herbes Leid.
Da weinten viel der Frauen und manche waidliche Maid. (1760)
 
 
Nach ihren lieben Freunden weinten manche sehr,
Die sie zu Bechlaren ersahen nimmermehr:
Doch ritten sie mit Freuden von hinnen auf den Sand,
An der Donau nieder bis an das heunische Land. (1761)
 
 
Da sprach zu den Burgonden der Ritter kühn und hehr,
Rüdiger der edle: “Nun darf nicht länger mehr
Verhohlen sein die Kunde, dass wir nach Heunland kommen:
Es hat der König Etzel nie so Liebes vernommen.” (1762)
 
 
Da ritt der schnelle Bote durchs Östreicherland:
Da ward es allenthalben den Leuten wohlbekannt,
Dass die Helden kämen von Wormes über Rhein.
Des Königs Ingesinde, dem konnt es lieber nicht sein. (1763)
 
 
Die Boten vordrangen mit den Mähren,
Dass die Nibelungen bei den Heunen wären.
“Du sollst sie wohl empfangen, Kriemhilde, Fraue mein:
Nach großen Ehren kommen dir die lieben Brüder dein.” (1764)
 
 
Kriemhild die Fraue ging an ein Fenster stehn
Und schaute nach den Brüdern, wie nach Freunden Freunde sehn.
Aus ihres Vaters Lande sah sie manchen Mann.
Als das der König hörte, der hob vor Lust zu lachen an. (1765)
 
 
“Nun wohl mir dieser Freude,” sprach da Kriemhild,
“Hier bringen meine Freunde gar manchen neuen Schild
Und Panzer glänzend helle: Wer nehmen will mein Gold,
Und meines Leids gedenken, dem will ich immer bleiben hold.” (1766)
 

28. Abenteuer
Wie Kriemhilde Hagen empfing

 
Als die Burgonden kamen in das Land,
Da erfuhr es von Berne der alte Hildebrand.
Er sagt es einem Herren: Es war ihm höchlich leid;
Er hieß ihn wohl empfangen die Ritter kühn und allbereit. (1767)
 
 
Da ließ der schnelle Wolfhart die Pferde führen her;
Da ritt mit Dietrichen mancher Degen hehr,
Der sie begrüßen wollte, zu ihnen auf das Feld:
Sie hatten aufgeschlagen gar manches herrliche Zelt. (1768)
 
 
Als sie von Tronje Hagen von ferne reiten sah,
Wohl gezogen sprach er zu seinen Herren da:
“Nun hebt euch von den Sitzen, ihr Recken wohlgetan,