Da hatten die vom Rheine der starken Feinde genug. (1952)
 
 
* Unlieb war es Etzeln, doch folgte manche Schar
Den Fürsten, die mit Waffen wohl versehen war,
Im Unmut auf die Gäste, als man zu Tische ging,
Den Freund bedacht zu rächen, wenn es günstge Zeit verhing. (1953)
 
 
* “Dass ihr in Waffen lieber zu Tische geht als bloß,”
Sprach der Wirt des Landes, “die Unart ist zu groß:
“Wer aber an den Gästen den kleinsten Frevel wagt,
Es kostet ihm das Leben: Das sei euch Heunen gesagt.” (1954)
 
 
Bevor sie niedersaßen, die Herrn, das währte lang,
Weil zu sehr mit Sorgen Frau Kriemhilde rang.
Sie sprach: “Fürst von Berne, heute muss ich flehn
Bei dir um rat und Hilfe; meine Sachen ängstlich stehn.” (1955)
 
 
Zur Antwort gab ihr Hildebrand, ein Recke lobeswert:
“Wer schlägt die Nibelungen, dem lieh ich nicht mein Schwert:
Um aller Schätze willen; es wird ihm wahrlich leid:
Sie sind noch unbezwungen, die schnellen Ritter allbereit.” (1956)
 
 
* “Ich rede nur von Hagen; der hat mir leid getan:
Er erschlug Siegfrieden, meinen lieben Mann.
Wer den von ihnen schiede, dem wär mein Gold bereit;
Entgält es anders jemand, das wär mir inniglich leid.” (1957)
 
 
* Da sprach Meister Hildebrand: “Wie möchte das geschehn,
Den ihnen zu erschlagen? Ihr solltets selber sehn:
Bestünde man den Degen, so gäb es eine Not,
Dass Arme so wie Reiche dabei erwürben den Tod.” (1958)
 
 
Da sprach wohl gezogen dazu Herr Dieterich:
“Verschont, reiche Königin, mit solchen Reden mich:
Mir ist von euern Freunden kein solches Leid geschehn,
Dass ich die kühnen Degen im Streit sollte bestehn. (1959)
 
 
“Die Bitte ehrt euch wenig, viel edel Fürstenweib,
Dass ihr verraten möchtet eurer Freunde Leid.
Sie kamen euch auf Gnade hieher in dieses Land:
Siegfried bleibt ungerochen wohl von Dietrichens Hand.” (1960)
 
 
Als sie keine Untreu bei dem Berner fand,
Versprach sie unsäumig in Degen Blödels Hand
Eine weite Landschaft, die Nudung einst besaß:
Später schlug ihn Dankwart, dass er der Gabe gar vergaß. (1961)
 
 
Sie sprach: “Du sollst mir helfen, mein Bruder Blödelein.
Es sind in diesem Hause die große Feinde mein,
Sie Siegfrieden schlugen, meinen lieben Mann:
Wer mir das rächen hülfe, dem wär ich immer untertan.” (1962)
 
 
Zur Antwort gab ihr Blödel: “Fraue, wisset das,
Ich darf an euern Freunden nicht üben meinen Hass,
Weil sie mein Bruder Etzel so gerne sehen mag:
Tät ich ihnen Leides, der König trüg mirs immer nach.” (1963)
 
 
“Nicht doch, Degen Blödel, ich bin dir immer hold:
Ich gebe dir zum Lohne mein Silber und mein Gold
Und eine schöne Fraue, Nudungens Weib:
So magst du immer kosen ihren minniglichen Leib. (1964)
 
 
Das Land samt den Burgen will ich dir alles geben:
So magst du, edler Ritter, mit Freuden immer leben,
Wenn du das Land gewinnest, das Nudung einst besaß;
Was ich dir jetzt gelobe, mit Treue leist ich dir das.” (1965)
 
 
Als der Herre Blödel vernommen von dem Sold,
Und ihm durch ihre Schöne gefiel die Fraue hold,
Wollt er im Kampf verdienen das minnigliche Weib.
Darob verlieren musste der Degen Leben und Leib. (1966)
 
 
Da sprach er zu der Königin: “Geht wieder in den Saal.
Eh man es inne werde, erheb ich großen Schall;
Hagen muss es büßen was er euch hat getan:
Ich bring euch gebunden König Gunthers Untertan.” (1967)
 
 
“Nun waffnet euch,” sprach Blödel, “ihr all in meinem Lehn,
Lasst uns zu den Feinden in die Herberge gehn.
Mir will es nicht erlassen König Etzels Weib:
Wir Helden müssen alle verwagen Leben und Leib.” (1968)
 
 
Als den Degen Blödel entließ die Königin,
Dass er den Streit beginne, ging sie zu Tische hin
Mit Etzeln dem Könige und mit seinem Bann:
Sie hatte schlimme Räte wider die Gäste getan. (1969)
 
 
* Wie sie zu Tische gingen, das will ich euch sagen:
Man sah reiche Könige ihr vor die Krone tragen;
Manchen hohen Fürsten und viel der werten Degen
Sah man hehrer Sitte vor der Königin pflegen. (1970)
 
 
* Der König wies den Gästen die Sitze überall,
Den Höchsten und den Besten neben sich im Saal.
Den Christen und den Heiden die Kost er unterschied;
Man gab die Fülle beiden, wie es der weise König riet. (1971)
 
 
* In den Herbergen aßen die Knecht in Gunthers Bann.
Truchsesse wies man sie zu verpflegen an:
Die hatten sie zu speisen großen Fleiß gepflogen.
Die Bewirtung und die Freude ward bald mit Jammer aufgewogen. (1972)
 
 
Als nichts anders mochte begonnen sein der Streit,
(In ihrem Herzen begraben war Kriemhilds altes Leid;
Da hieß sie zu den Tischen tragen Etzels Sohn:
Wie konnt ein Weib aus Rache wohl jemals freislicher tun? (1973)
 
 
Von Etzels Leuten kamen viere gleich daher
Und brachten Ortlieben, den jungen König hehr,
An den Tisch der Fürsten, wo auch Hagen saß:
Das Kind must ersterben durch seinen mordlichen Hass. (1974)
 
 
Als der reiche König seinen Sohn ersah,
Zu seiner Frauen Brüdern gütlich sprach er da:
“Schauet, meine Freunde, das ist mein einzig Kind,
Und das eurer Schwester; das sei euch allen hold gesinnt. (1975)
 
 
“Gerät er nach dem Stamme, er wird ein kühner Mann,
Reich und voll Adel, stark und wohlgetan.
Erleb ich es, ich geb ihm zwölf reicher Könge Land,
So tut euch wohl noch Dienste des jungen Ortliebes Hand. (1976)
 
 
“Darum will ich euch bitten, lieben Freunde mein,
Wenn ihr nach Hause wieder reitet an den Rhein,
Dass ihr mit euch nehmet eurer Schwester Kind;
Und seid auch dem Knaben immer gnädiglich gesinnt: (1977)
 
 
“Erzieht ihn nach Ehren bis er gerät zum Mann:
Hat euch in euerm Lande jemand ein Leid getan,
So hilft er euch es rächen, erwuchs ihm erst der Leib.”
Die Rede hörte Kriemhild wohl, des König Etzels Weib. (1978)
 
 
“Ihm sollten wohl vertrauen alle diese Degen,
Wenn er zum Mann erwüchse,” sprach Hagen dagegen;
“Doch ist der junge König so schwächlich anzusehn:
Man wird mich selten schauen nach Hof zu Ortlieben gehn.” (1979)
 
 
Der König blickt' auf Hagen; die Rede war ihm leid.
Wenn er auch nichts entgegnete, der König allbereit,
Es schmerzt' ihn in der Seele und trübte seinen Mut.
Da waren Hagens Sinne zu keiner Kurzweile gut. (1980)
 
 
Es schmerzte wie den König sein fürstlich Ingesind
Was Hagen da gesprochen hatte von dem Kind.
Dass sie's vertragen sollten, ging ihnen allen nah;
Noch konnten sie nicht wissen, was von dem Recken bald geschah. (1981)
 
 
* Gar manche, die es hörten und die ihm trugen Groll,
Hätten ihn gern bestanden; der König selber wohl,
Wenn er mit Ehren durfte, so käm der Held in Not.
Bald tat ihm Hagen Ärgeres, er schlug ihn vor seinen Augen tot. (1982)
 

32. Abenteuer
Wie Blödel erschlagen ward

 
Blödels Recken standen gerüstet allzumal.
In tausend Halsbergen ereilten sie den Saal,
Wo Dankwart mit den Knechten an den Tischen saß:
Da hob sich unter Helden der allergrößeste Hass. (1983)
 
 
Als der Degen Blödel zu den Tischen ging,
Dankwart der Marschall mit Gruß ihn wohl empfing;
“Willkommen hier im Hause, mein Herre Blödelein;
Mich wundert euer Kommen: Sagt, was soll die Märe sein?” (1984)
 
 
“Heiß mich nicht willkommen,” sprach da Blödelein;
“Denn dieses mein Kommen, das soll dein Ende sein
Um Hagen deinen Bruder, der Siegfrieden schlug:
Das entgiltst du bei den Heunen und andre Degen genug.” (1985)
 
 
“Nicht doch, Degen Blödel,” sprach da Dankwart,
“So möchte bald uns reuen zu Hofe diese Fahrt.
Ich war ein Kind, als Siegfried Leben ließ und Leib:
Nicht weiß ich was mir wolle dem König Etzel sein Weib.” (1986)
 
 
“Ich weiß dir von der Märe weiter nichts zu sagen;
Es tatens deine Freunde, Gunther und Hagen.
Nun wehrt euch, ihr Armen, ihr könnt nicht länger leben;
Ihr müsst mit dem Tode ein Pfand hier Kriemhilden geben.” (1987)
 
 
“Lasst ihrs nicht unterbleiben,” sprach da Dankwart,
“So gereut mich meines Flehens: Hätt ich das gespart!”
Der schnelle kühne Degen von dem Tische sprang:
Er zog eine Waffe, die war gewaltig und lang. (1988)
 
 
Damit schlug er Blödeln einen schwinden Schwertesschlag,
Dass ihm das Haupt zur Stelle vor den Füßen lag.
“Das sei die Morgengabe,” sprach Dankwart der Degen,
“Zu Nudungens Witwe, der du mit Minne wolltest pflegen. (1989)
 
 
Vermähle man sie morgen einen andern Mann:
Will er den Lohn erwerben, wird ihm wie dir getan.”
Ein vielgetreuer Heune hatt ihm das gesagt,
Wie die Königstochter ihr großes Leid ihm geklagt. (1990)
 
 
Da sahen Blödels Leute, ihr Herr sei erschlagen;
Sie wollten von den Gästen das länger nicht ertragen:
MIt aufgehobnen Schwertern drang auf sie ein
Das Volk in grimmem Mute; das musste manchen gereun. (1991)
 
 
Laut rief da Dankwart sein Heergesinde an:
“Ihr seht wohl, edle Knechte, es ist um uns getan:
Nun wehrt euch, ihr Armen; fürwahr, das tut uns Not,
Damit ihr ohne Schanden erliegt in wehrlichem Tod.” (1992)
 
 
Die keine Schwerter hatten, die griffen nach der Bank,
Und hoben von den Füßen manchen Schemel lang;
Die Burgondenknechte wollten nichts ertragen:
Da ward mit schweren Stühlen gar manche Beute geschlagen. (1993)
 
 
Wie grimm die Heimatlosen sich wehrten in dem Strauß!
Sie trieben zu dem Hause die Gewaffneten hinaus:
Fünfhundert oder drüber erlagen drin den Tod.
Da war das Heergesinde vom Blute nass und auch rot. (1994)
 
 
Diese schlimme Botschaft drang in kurzer Zeit
Zu Königs Etzels Recken (ihnen war es grimmig leid),
Dass erschlagen liege Blödel und sein Bann:
Das hatte Hagens Bruder mit seinen Knechten getan. (1995)
 
 
Eh es der König hörte stand schon ein Heunenheer
In seinem Zorn gerüstet, zweitausend oder mehr:
Sie gingen zu den Knechten, wohl musst es also sein,
Und ließen des Gesindes nicht einen länger gedeihn. (1996)
 
 
Die Ungetreuen brachten vor das Haus ein mächtig Heer:
Die heimatlosen Knechte standen wohl zur Wehr.
Was half da Kraft und Kühnheit? Sie fanden doch den Tod.
Darauf nach kurzer Weile erhob sich schreckliche Not. (1997)
 
 
Nun mögt ihr Wunder hören von Ungeheuerm sagen:
Neuntausend Knechte, die lagen tot erschlagen,
Darüber zwölf Ritter in Dankwartens Lehn;
Man sah ihn ganz alleine unter seinen Feinden stehn. (1998)
 
 
Beschwichtigt war das Schallen, der Lärm war eingestellt,
Über die Achsel blickte Dankwart der Held:
Er sprach: “O weh der Freunde, die ich fallen sah!
Nun steh ich leider einsam unter meinen Feinden da.” (1999)
 
 
Die Schwerter fielen heftig auf des einen Leib:
Das musste bald beweinen manches Helden Weib.
Den Schild rückt' er höher, den Riemen ließ er nieder:
Da färbt' er viel Harnische mit fließendem Blute wieder. (2000)
 
 
“O weh mir dieses Leides!”, sprach Aldrianens Kind.
“Nun weicht, ihr Heunenrecken und lasst mich an den Wind,
Dass die Lüfte kühlen mich sturmmüden Mann.”
Da drang er auf die Türe unter Schlägen herrlich an. (2001)
 
 
Als der Streitmüde aus dem Hause sprang,
Wie manches Schwert von neuem auf seinem Helm erklang!
Die nicht gesehen hatten die Wunder seiner Hand,
Die sprangen da entgegen dem aus Burgondenland. (2002)
 
 
“Nun wollte Gott,” sprach Dankwart, “dass mir ein Bote käm,
Durch den mein Bruder Hagen diese Mär vernähm,
Dass ich vor diesen Recken steh in solcher Not.
Der hülfe mir von hinnen oder fände mit den Tod.” (2003)
 
 
Da sprachen die Heunen: “Der Bote musst du sein,
Wenn wir dich Toten tragen vor den Bruder dein:
Dann sieht sein erstes Herzeleid Gunthers Untertan.
Du hast den König Etzel hier großen Schaden getan.” (2004)
 
 
Er sprach: “Nun lasst das Drohen und weichet desto mehr.
Wohl mach ich hier noch manchem den Panzer nass und schwer
Ich will die Märe selber hin zu Hofe tragen,
Und will auch meinen Herren meinen großen Kummer klagen.” (2005)
 
 
Er machte sich so furchtbar dem Volk in Etzels Lehn,
Dass sie ihn mit Schwertern nicht wagten zu bestehn:
Sie schossen so viel Spieße in seinen Schildesrand,
Er musst ihn seiner Schwere wegen lassen aus der Hand. (2006)
 
 
Sie wähnten ihn zu zwingen, weil er den Schild nicht trug,
Hei, was er tiefer Wunden durch die Helme schlug!
Da musste vor ihm straucheln mancher kühne Mann,
Dass sich viel hohen Lobes der kühne Dankwart gewann. (2007)
 
 
Von beiden Seiten sprangen die Gegner auf ihn zu;
Wohl kamen ihrer manche in den Streit zu früh
Da ging er vor den Feinden her, wie ein Eberschwein
Im Walde tut vor Hunden: Wie mocht er wohl kühner sein? (2008)
 
 
Sein Weg ward immer wieder genässt mit heißem Blut:
Konnte je alleine ein Recke wohl so gut
Mit seinen Feinden streiten, als der Held getan?
Da schritt Hagens Bruder nach Hofe herrlich heran. (2009)
 
 
Die Truchsess und die Schenken vernahmen Schwerterklang:
Gar mancher die Getränke aus den Händen schwang,
Oder auch die Speisen, die man zu Hofe trug:
Da fand er vor der Stiege der starken Feinde genug. (2010)
 
 
“Wie nun, ihr Truchsesse?”, sprach der müde Degen,
“Nun solltet ihr die Gäste fleißiglich verpflegen,
Und solltet zu den Tischen die gute Speise tragen
Und ließet mich die Märe meinen lieben Herren sagen.” (2011)
 
 
Wer da den Mut gewonnen und vor die Stieg ihm sprang,
Deren schlug er manchen so schweren Schwertesschwang,
Dass ihm aus Schreck die andern ließen freie Bahn:
Da hatten seien Kräfte viel große Wunder getan. (2012)
 

33. Abenteuer
Wie die Burgonden mit den Heunen stritten

 
Als der kühne Dankwart unter die Türe trat
Und Etzels Ingesinde zurückzuweichen bat,
Da war mit Blut beronnen all sein Rüstgewand;
Eine scharfe Waffe trug er bloß an seiner Hand. (2013)
 
 
* Gerade zu der Stunde als Dankwart trat zur Tür,
Trug man Ortlieben im Saale für und für
Von einem Tisch zum andern den Fürsten wohlgeboren:
Durch seine schlimme Botschaft ging das Kindlein verloren. (2014)
 
 
Hellauf rief da Dankwart einem Degen zu:
“Ihr sitzet allzu lange, Bruder Hagen, in Ruh;
Euch und Gott vom Himmel klag ich unsre Not;
Ritter und Gesinde sind in der Herberge tot.” (2015)
 
 
Da rief ihm der entgegen: “Wer hat das getan?”
“Das hat der Degen Blödel mit seinem Heeresbann.
Auch hat ers schwer vergolten, das will ich euch sagen:
Mit diesen Händen hab ich ihm sein Haupt abgeschlagen.” (2016)
 
 
“Der Schaden ist geringe,” sprach Hagen dagegen,
“Wenn man solche Märe sagt von einem Degen,
Dass er von Reckenhänden zu Tode sei geschlagen:
Den sollen desto minder die schönen Frauen beklagen. (2017)
 
 
“Nun sagt mir, Bruder Dankwart, wie seid ihr so rot?
Ich glaube schier, ihr leidet von Wunden große Not:
Ist einer in dem Lande, von dem euch das geschehn?
Der üble Teufel helfe dem: Es muss ihm an sein Leben gehn.” (2018)
 
 
“Noch bin ich unverwundet: Mein Kleid ist nass von Blut;
Das floss nur aus Wunden andrer Degen gut,
Deren ich so manchen heute hab erschlagen,
Wenn ichs beschwören sollte, die Zahl nicht wüsst ich zu sagen.” (2019)
 
 
Da sprach er: “Bruder Dankwart, so hütet uns der Tür
Und lasst von den Heunen nicht einen Mann herfür:
So red ich mit den Recken wie uns zwingt die Not:
Unser Ingesinde litt unverdient durch sie den Tod.” (2020)
 
 
“Soll ich Kämmrer werden?”, sprach der kühne Mann,
“Bei so reichen Königen steht mir das Amt wohl an:
Der Stiege will ich hüten nach allen Ehren mein.”
Kriemhildens Recken konnte das nicht leider sein. (2021)
 
 
“Nun möcht ich doch wissen,” sprach wieder Hagen,
“Was die Heunendegen sich in die Ohren sagen:
Sie möchten sein entbehren, der hier die Tür bewacht,
Und der die Hofmären den Burgonden hat gebracht. (2022)
 
 
“Ich hörte schon lange von Kriemhilden sagen,
Dass sie nicht ungerochen ihr Herzleid wolle tragen;
Nun trinken wir die Minne und zahlen des Königs Wein:
Der junge Vogt der Heunen, der muss der allererste sein.” (2023)
 
 
Ortlieb das Kind erschlug da Hagen der Degen gut,
Dass ihm vom Schwerte nieder floss auf die Hand das Blut,
Und das Haupt herab sprang der Königin in den Schoss
Da hob sich unter Degen ein Morden grimmig und groß. (2024)
 
 
Er schlug dem Hofmeister, der des Kindes pflag,
Mit seinen beiden Händen einen schwinden Schwertesschlag,
Dass vor des Tisches Füße sein Haupt niederflog:
Es war ein übler Dienstlohn, den er dem Hofmeister wog. (2025)
 
 
Er sah vor Etzels Tische einen Fiedelmann:
Hagen in seinem Zorne schritt rasch zu ihm heran.
Er schlug ihm auf der Geige herab die rechte Hand:
“Das habe für die Botschaft in der Burgonden Land.” (2026)
 
 
“O weh meine Hände!”, hub da Werbel an,
“Herr Hagen von Tronje, was hab ich euch getan?
Ich kam in großer Treue in eurer Herren Land:
Wie kläng ich nun die Töne, da ich verloren die Hand?” (2027)
 
 
Hagen fragte wenig, geigt er auch nimmer mehr.
Da übt' er in dem Hause die grimme Mordlust sehr
An König Etzels Recken, deren er viel erschlug:
Da bracht er in dem Hause zu Tod der Recken genug. (2028)
 
 
Volker der Schnelle von dem Tische sprang,
Sein Fiedelbogen kräftig an seiner Hand erklang.
Da fiedelte gewaltig Gunthers Fiedelmann:
Hei! Was er sich zu Feinden der kühnen Heunen gewann! (2029)
 
 
Auch sprangen von den Tischen die drei Könge hehr.
Sie hofften es zu schlichten, eh Schadens würde mehr:
Doch strebten ihre Kräfte umsonst dawider an,
Da Volker mit Hagen so sehr zu wüten begann, (2030)
 
 
Da sah der Vogt vom Rheine, er scheide nicht den Streit:
Da schlug der König selber manche Wunde weit
Durch die lichten Panzer den argen Feinden sein:
Er war ein schneller Degen, das ließ er offenbar sein. (2031)
 
 
Da kam auch zu dem Streite der starke Gernot:
Der schlug dem Heunenvolke manchen Helden tot
Mit dem scharfen Schwerte, das Rüdiger ihm gab;
Damit bracht er manchen von Etzels Recken ins Grab. (2032)
 
 
Der jüngste Sohn Utens auch zu dem Streite sprang,
Seine Waffe herrlich durch die Helme drang
König Etzels Recken aus dem Heunenland:
Da tat viel große Wunder des kühnen Geiselher Hand. (2033)
 
 
Wie kühn sie alle waren, die Fürsten und ihr Bann,
Dennoch sah man Volkern den andern all voran
Bei den starken Feinden; er war ein Degen gut:
Er förderte mit Willen manchen nieder in das Blut. (2034)
 
 
Auch wehrten sich gewaltig die in Etzels Lehn:
Man sah die Gäste fechtend auf und nieder gehn
Mit den lichten Schwertern durch des Königs Saal.
Da vernahm man allenthalben vom Wehruf mächtigen Schall. (2035)
 
 
Da wollten die da draußen zu ihren Freunden drin:
Sie fanden an der Stiege gar wenigen Gewinn;
Da wollten die da drinnen gerne vor die Tür:
Dankwart ließ keinen nicht hinein noch herfür. (2036)
 
 
Drum hob sich an der Pforte ein ungestümer Drang
Und von Schwerthieben auf Helmen lauter Klang.
Da kam der kühne Dankwart in eine große Not:
Sein Bruder trug da Sorge, wie ihm die Treue gebot. (2037)
 
 
Da rief mit lauter Stimme Hagen Volkern an;
“Seht ihr dort, Geselle, vor manchem Heunenmann
Meinen Bruder stehen unter starken Schlägen?
Freund! Schützet mir den Bruder, wir verlieren sonst den Degen.” (2038)
 
 
Der Spielmann gab zur Antwort: “Wohl, es soll geschehn.”
Da begann er fiedelstreichend durch den Saal zu gehn:
Ein hartes Schwert nicht selten an seiner Hand erklang.
Vom Rhein die Recken sagten dafür ihm größlichen Dank. (2039)
 
 
Volker der kühne zu Dankwarten sprach:
“Ihr habt erlitten heute großes Ungemach!
Mich hat euer Bruder, ich soll euch helfen gehn:
Wollt ihr nun draußen bleiben, so will ich innerhalben stehn.” (2040)
 
 
Dankwart der schnelle stand außerhalb der Tür:
So wehrt' er von der Stiege wer immer trat dafür.
Man hörte Waffen hallen den Helden an der Hand:
So tat auch innerhalben Volker von Burgondenland. (2041)
 
 
Der kühne Spielmann rief ihm über die Menge zu:
“Der Saal ist wohl verschlossen, Freund Hagen, seid in Ruh:
Es ist so gut verschränket König Etzels Tür
Von zweier Helden Händen, die gehn wohl tausend Riegeln für.” (2042)
 
 
Als von Tronje Hagen die Türe sah in Hut,
Den Schild warf auf den Rücken der erlauchte Degen gut;
Nun begann er erst zu rächen was ihm war geschehn.
Da durften seine Feinde sich des Lebens nicht versehn. (2043)
 
 
Als der Vogt von Berne das Wunder recht ersah,
Wie Hagen der Starke zerbrach die Helme da,
Der Amelungen König sprang auf eine Bank;
Er sprach: “Hier schenket Hagen den allersauersten Trank.” (2044)
 
 
Der Wirt war sehr in Sorgen, wie ihn zwang die Not;
Was schlug man lieber Freunde vor seinen Augen tot!
Er selbst war kaum geborgen vor seiner Feinde Schar:
Er saß in großen Ängsten: Was half ihm, dass er König war? (2045)
 
 
Kriemhilde die reiche rief Dietrichen zu:
“Hilf mir von der Stell, edler Ritter du,
Bei aller Fürsten Tugend aus Amelungenland;
Denn erreicht mich Hagen, hab ich den Tod an der Hand.” (2046)
 
 
“Wie soll ich euch helfen,” sprach Herr Dieterich,
“Edle Königstochter? Ich sorge selbst um mich.
Es sind so sehr erzürnet die in Gunthers Bann,
Dass ich in dieser Stunde niemand wohl befrieden kann.” (2047)
 
 
“Nicht also, Herr Dietrich, edler Ritter gut:
Lass einmal heut erscheinen deinen tugendreichen Mut:
Bringe mich von hinnen, oder ich bleibe tot.
Hilf mir und dem König aus dieser angstvollen Not.” (2048)
 
 
“Ich will es versuchen ob euch zu helfen ist;
Doch sah ich wahrlich nimmer in langer Tage Frist
So bitterlich erzürnet manchen Ritter gut:
Ich sehe durch die Helme von Schwestern springen das Blut.” (2049)
 
 
Mit Kraft begann zu rufen der Ritter auserkorn,
Dass seine Stimme hallte wie ein Büffelhorn
Und dass die weite Veste schütterte von dem Stoß.
Dietrichens Stärke, die war über Maßen groß. (2050)
 
 
Da hörte König Gunther rufen diesen Mann
In dem harten Sturme: Zu lauschen hub er an.
Er sprach: “Dietrichs Stimme ist in mein Ohr gekommen:
Ihm haben unsre Degen hier wohl jemand benommen. (2051)
 
 
“Ich seh ihn auf dem Tische winken mit der Hand.
Ihr Männer und Freunde von Burgondenland,
Haltet ein mit Streiten: Lasst hören erst und sehn,
Was von meinen Mannen hier dem Degen sei geschehn. (2052)
 
 
Als so der König Gunther bat und auch gebot,
Da senkten sie die Schwerter in des Streites Not.
Das war Gewalt bewiesen, dass niemand da mehr schlug.
Er fragte den von Berne um die Märe schnell genug. (2053)
 
 
Er sprach: “Viel edler Dietrich, was ist euch hier geschehn
Von meinen Freunden? Ihr sollt mich willig sehn:
Zur Sühn und zur Buße bin ich euch gern bereit.
Was euch jemand täte, das war mir inniglich leid.” (2054)
 
 
Da sprach der Degen Dietrich: “Mir ist nichts geschehn;
Lasst mich mit euerm Frieden aus dem Hause gehn
Von diesem schweren Streite mit dem Gesinde mein:
Dafür will ich euch wahrlich immer dienstbeflissen sein.” (2055)
 
 
“Was müsst ihr also flehen?”, sprach da Wolfhart,
Es hält der Fiedelspieler die Tür nicht so verwahrt:
Wir öffnen sie so mächtig, dass man ins Freie kann.”
“Schweige,” sprach Herr Dietrich, “du hast den Teufel getan.” (2056)
 
 
Da sprach König Gunther: “Den Urlaub geb ich gleich:
Führet aus dem Hause so viel ihr wollt mit euch,
Ohne meine Feinde: Die sollen hier bestehn.
Durch sie ist mir viel Leides hier bei den Heunen geschehn.” (2057)
 
 
Als das der Berner hörte, mit einem Arm umschloss
Er die edle Königin, ihre Angst war groß;
Da führt' er an dem andern Etzeln aus dem Haus.
Auch folgten Dietrichen vieler stolzer Degen hinaus. (2058)
 
 
Da sprach der Markgraf, der edle Rüdiger:
“Soll aber aus dem Hause noch kommen jemand mehr,
Der euch gerne dienet, wohlan, so macht mirs kund:
So walte steter Frieden in getreuer Freunde Bund.” (2059)
 
 
Zur Antwort gab ihm Geiselher von Burgondenland:
“Einigkeit und Friede sei euch von uns bekannt;
Ihr haltet stete Treue und die in euerm Lehn:
Ihr sollt mit euern Freunden ohne Furcht von hinnen gehn.” (2060)
 
 
Als Rüdiger der Degen räumte Etzels Saal,
Fünfhundert oder drüber, die folgten ihm zumal.
Das ward aus großer Treue von den Herren getan;
Wodurch der König Gunther bald großen Schaden gewann. (2061)
 
 
Da sah ein Heunenrecke König Etzeln gehn
Neben Dietrichen: Des wollt er Frommen sehn.
Dem gab der Fiedelspieler einen solchen Schlag,
Dass gleich vor Etzels Füßen ihm das Haupt am Boden lag. (2062)
 
 
Als der Wirt des Landes kam vor des Hauses Tor,
Da wandt er sich und blickte zu Volkern empor.
“O weh mir dieser Gäste! Das ist grimme Not:
Dass alle meine Recken vor ihnen finden den Tod! (2063)
 
 
“Weh dieses Hofgelages!”, sprach der König hehr;
“Da drinnen ficht einer, der heißet Volker,
Gleich einem wilden Eber und ist ein Fiedelmann:
Ich dank es meinem Heile, dass ich dem Teufel entrann. (2064)
 
 
“Seine Weisen lauten übel, seine Striche sind rot;
Wohl schlagen seine Töne mir manchen Helden tot.
Ich weiß nicht was uns vorwirft derselbe Fiedelmann,
Dass ich in meinem Leben so leiden Gast nicht gewann.” (2065)
 
 
* Zu den Herbergen gingen die beiden Recken hehr,
Dietrich von Berne und Markgraf Rüdiger.
Sie wollten gerne beide des Streits entledigt sein,
Und geboten ihren Degen, dass sie den Zwist sollten scheun. (2066)
 
 
* Und hätten die Burgonden des Leides sich versehn,
Das ihnen von den beiden noch sollte geschehn,
Sie wären aus dem Hause so leicht nicht gekommen,
Eh sie eine Strafe von den Kühnen hätten genommen. (2067)
 
 
Sie hatten die sie wollten entlassen aus dem Saal;
Da hob sich innerhalben ein fürchterlicher Schall.
Die Gäste rächten bitter ihr Leid und ihr Schmach;
Volker der Kühne, hei! Was er Helme zerbrach! (2068)
 
 
Sich wandte zu dem Schalle Gunther der König hehr:
“Hört ihr die Töne, Hagen, die dort Volker
Mit den Heunen fiedelt, wenn wer zur Türe trat?
Es ist ein roter Anstrich, den er am Fiedelbogen hat.” (2069)
 
 
“Es reut mich ohne Maßen,” sprach Hagen dagegen,
“Dass ich je mich scheiden musste von dem Degen:
Ich war sein Geselle, er der Geselle mein,
Und kommen wir von hinnen, wir wollens noch in Treue sein. (2070)
 
 
“Nun schaut, hehrer König, der Volker ist dir hold:
Wie fleißig er verdienet dein Silber und dein Gold!
Sein Fiedelbogen schneidet durch den harten Stahl,
Er wirft von den Helmen die lichten Zierden zu Tal. (2071)
 
 
“Ich sah nie einen Fiedler so stolz und herrlich stehn
Als diesen Tag von Volker dem Degen ist geschehn.
Seine Weisen hallen durch Helm und Schildesrand:
Gute Rosse soll er reiten und tragen herrlich Gewand.” (2072)
 
 
So viel der Heunendegen auch waren in dem Saal,
Nicht einer blieb am Leben von ihnen allzumal.
Da war der Schall beschwichtigt, als niemand bleib zum Streit:
Die kühnen Recken legten da ihre Schwerter beiseit. (2073)
 

34. Abenteuer
Wie sie die Toten aus dem Saale warfen

 
Da setzten sich die Herren aus Müdigkeit zu Tal.
Volker und Hagen die gingen vor den Saal
Über den Schild sich lehnend in ihrem Übermut:
Da pflagen launger Reden diese beiden Helden gut. (2074)
 
 
Da sprach von Burgonden Geiselher der Degen:
“Noch dürft ihr lieben Freunde nicht der Ruhe pflegen;
Ihr sollt erst die Leichen aus dem Hause tragen:
Wir werden noch bestanden, das will ich wahrlich euch sagen. (2075)
 
 
“Sie sollen untern Füßen uns hier nicht länger liegen.
Bevor im Sturm die Heunen mögen uns besiegen,
Wir haun noch manche Wunde, die mir gar sanfte tut:
Des hab ich,” sprach da Geiselher, “einen willigen Mut.” (2076)
 
 
“O wohl wir solches Herren,” sprach Hagen dagegen,
“Der Rat geziemte niemand als einem solchen Degen,
Wie unsern jungen Herren wir diesen Tag gesehn:
Ihr Burgonden möget alle drob in Freuden stehn.” (2077)
 
 
Da folgten sie dem Rate und trugen vor die Tür
Siebentausend Tote, die warfen sie dafür;
Vor des Saales Stiege fielen sie zu Tal:
Da erhoben ihre Freunde mit Jammern kläglichen Schall. (2078)
 
 
Darunter war noch mancher nur so mäßig wund,
Käm ihm gute Pflege, er würde noch gesund;
Doch von dem hohen Falle fand er nun den Tod:
Das klagten ihre Freunde: Es zwang sie wahrhafte Not. (2079)
 
 
Da sprach der Fiedelspieler, Volker gar unverzagt:
“Nun sah ich doch, man hat mir die Wahrheit gesagt:
Die Heunen sind feige, sie klagen wie ein Weib,
Statt dass sie pflegen sollten der Schwerverwundeten Leib.” (2080)
 
 
Da mocht ein Markgraf wähnen, er mein es ernst und gut:
Der Verwandten einen sah er gefallen in das Blut;
Er dacht ihn wegzutragen und wollt ihn schon umfahn:
Den schoss ob ihm zu Tode dieser kühne Fiedelmann. (2081)
 
 
Eine große Flucht erhob sich, als das die andern sahn
Sie begannen all zu fluchen demselben Fiedelmann.
Einen Spieß vom Boden nahm er, der war scharf und hart,
Der von einem Heunen zu ihm herauf geschossen ward. (2082)
 
 
Den schoss er durch die Veste von sich kräftiglich
Über ihre Häupter. Das Volk Etzels wich
Erschreckt von seinem Wurfe weiter von dem Saal;
Vor seinen starken Kräften die Leute bangten überall. (2083)
 
 
Da stand vor dem Hause manch tausend Mann.
Volker und Hagen huben zu reden an
Mit Etzeln dem König in hohem Übermut;
Das schuf bald große Sorge diesen Helden kühn und gut. (2084)
 
 
“Wohl wär es,” sprach da Hagen, “Des Volkes Trost im Leib,
Wenn die Herren föchten voran in Sturm und Streit,
Wie von meinen Herren hier ein jeder tut:
Die hauen durch die Helme, dass von den Schwertern fließt das Blut.” (2085)
 
 
So kühn war Herr Etzel, er fasste seinen Schild:
“Nun hütet eures Lebens,” sprach da Kriemhild,
“Und bietet Gold den Recken auf der Schilde Rand,
Denn erreicht euch Hagen, ihr habt den Tod an der Hand.” (2086)
 
 
So kühn war der König, er wollt in den Streit,
Wozu so reiche Fürsten nun selten sind bereit.
Man musste bei den Riemen des Schildes ihn halten an.
Hagen der grimme ihn mehr zu höhnen begann: (2087)
 
 
“Eine ferne Sippschaft war es,” sprach Hagen gleich zur Hand
“Die Etzeln und Siegfried zusammen einst verband;
Er minnte Kriemhilden eh sie gesehen dich:
Böser König Etzel, was rätst du denn wider mich?” (2088)
 
 
Diese Rede hörte die edle Königin.
Darüber ward unmutig Kriemhild in ihrem Sinn,
Dass er sie schelten durfte vor König Etzels Bann:
Wider die Gäste hub sie aufs neu zu werben an. (2089)
 
 
Sie sprach: “Wer den Hagen von Tronje mir erschlägt
Und mir sein Haupt als Gabe her zur Stelle trägt,
Mit rotem Golde füll ich ihm Etzels Schildesrand,
Auch geb ich ihm zum Lohne viel gute Burgen und Land.” (2090)
 
 
“Ich weiß nicht was sie zaudern,” sprach der Fiedelmann,
“Niemals haben Helden so verzagt getan,
Wenn man bieten hörte so hohen Ehrensold.
Wohl sollt ihnen Etzel nimmer wieder werden hold. (2091)
 
 
“Die hier mit Schimpf und Schanden essen des Königs Brot,
Und ihn nun verlassen in der größten Not,
Deren seh ich manchen so recht verzagt da stehn,
Und tun doch so verwogen; sie können nie der Schmach entgehn.” (2092)
 
 
* Der reiche Etzel hatte Jammer und Not:
Er beklagte seiner Mannen und Freude bittern Tod;
Von manchen Landen standen ihm Recken viel zur Seit,
Die weinten mit dem Könige sein gewaltiges Leid. (2093)
 
 
* Da gedachten wohl die Besten: “Wahr ist was Volker sagt.”
Von niemand doch von allen ward es so schwer beklagt,
Als von Markgraf Iring, dem Herrn aus Dänenland;
Was sich nach kurzer Weile wohl nach der Wahrheit befand. (2094)
 

35. Abenteuer
Wie Iring erschlagen ward

 
Da rief der Markgraf Iring aus der Dänen Land:
“Ich habe nun auf Ehre meine Sinne lang gewandt,
Auch ist von mir das Beste wohl oft im Sturm geschehn;
Bringt mir meine Waffen: So will ich Hagen bestehn.” (2095)
 
 
“Das muss ich widerraten,” hub da Hagen an,
“Sonst müssen vor mir weichen die in Etzels Bann:
Springen eurer zweie oder drei in den Saal,
Die send ich wohl verhauen die Stiege wieder zu Tal.” (2096)
 
 
“Ich wills darum nicht lassen,” rief Iring wieder hin:
“Ich versuchte wohl schon früher was gleiche Wagnis schein.
Wohl will ich mit dem Schwerte allein zu dir hinan:
Was hilft dir das Brüsten, das du mit Reden hast getan?” (2097)
 
 
Da wurde bald gewaffnet der Degen Iring,
Und von Thüringen Irnfried, ein kühner Jüngling,
Und Hawart der starke wohl mit tausend Mann:
Sie wollten Iring helfen, was auch der Degen begann. (2098)
 
 
Da sah der Fiedelspieler ein gewaltig Herr,
Das mit Iringen gewaffnet zog daher.
Sie trugen aufgebunden die lichten Helme gut.
Da ward dem kühnen Volker darüber zornig zu Mut: (2099)
 
 
“Seht ihr, Freund Hagen, dort Iringen gehn,
Der euch im Kampf gelobte alleine zu bestehn?
Wie ziemet Helden Lüge? Fürwahr ich tadl es sehr:
Es gehn mit ihm gewaffnet wohl tausend Recken oder mehr.” (2100)
 
 
“Nun beißet mich nicht lügen,” sprach der in Hawarts Bann,
“Ich will das Wort erfüllen, das ich euch kund getan.
Keiner Feigheit wegen soll es gebrochen sein:
Sei Hagen noch so fürchterlich, ich besteh ihn ganz allein.” (2101)
 
 
Fußfällig bat Iring Freund und Untertan,
Dass sie ihn alleine dem Recken ließen nahn.
Das taten sie ungerne, ihnen war zu wohl bekannt
Der übermütge Hagen aus der Burgonden Land. (2102)
 
 
Da bat er sie so lange bis es doch geschah.
Als das Ingesinde ihn so entschlossen sah,
Und dass er rang nach Ehre, da ließen sie ihn gehn:
Da ward von den beiden ein grimmes Streiten gesehn. (2103)
 
 
Iring der Däne hielt hoch empor den Speer,
Sich deckte mit dem Schilde der teure Degen hehr:
So lief er auf im Sturme zu Hagen vor den Saal;
Da erhub sich von den Degen ein gewaltiger Schall. (2104)
 
 
Da schossen sie die Spieße kräftig aus der Hand
Durch die festen Schilde auf ihr licht Gewand,
Dass die Speerstangen hoch in die Lüfte flogen;
Da griffen zu den Schwertern die grimmen Degen verwogen. (2105)
 
 
Hagen war, der kühne, von Mut und Kräften voll;
Doch schlug nach ihm Iring, dass rings das Haus erscholl:
Pallas und Türme erhallten von den Schlägen.
Es konnte seinen Willen doch nicht vollführen der Degen. (2106)
 
 
Iring ließ Hagnen unverwundet stehn:
Auf den Fiedelspieler begann er los zu gehn.
Er wähnt', er könn ihn zwingen mit seinen starken Schlägen:
Doch wusste sich zu schirmen dieser zierliche Degen. (2107)
 
 
Da schlug der Fiedelspieler, dass auf das Schildes Rand
Das Gespänge wirbelte von Volkers starker Hand.
Den ließ er wieder stehen; er war ein übler Mann:
Da lief er auf Gunther, den Burgondenkönig, an. (2108)
 
 
Doch war da jedweder zum Streite stark genug:
Wie Gunther auf Iring und der auf jenen schlug,
Was lockte nicht aus Wunden das fließende Blut;
Ihre Rüstung wehrt es, die war zu fest und zu gut. (2109)
 
 
Gunthern ließ er stehen und lief Gernoten an;
Das Feuer aus dem Harnisch er ihm zu haun begann.
Da hätte von Burgonden der König Gernot
Iring den kühnen beinah gesandt in den Tod. (2110)
 
 
Da sprang er von dem Fürsten: Rasch war er genug:
Der Burgonden Viere der Held behend erschlug,
Das edeln Heergesindes aus Wormes an dem Rhein.
Darüber mochte Geiselher nicht wohl zorniger sein. (2111)
 
 
“Gott weiß, Herr Iring,” sprach Geiselher das Kind,
“Ihr sollt mir die entgelten, die hier erlegen sind
Vor euch in dieser Stunde.” Iringen lief er an
Und schlug den Dänenhelden, dass er zu straucheln begann. (2112)
 
 
Er schoss vor seinen Händen nieder in das Blut,
Dass alle wähnen mussten, es schlüg der Degen gut
Nie im Sturme wieder einen Schlag mit seinem Schwert:
Doch lag vor Geiselheren Iring da noch unversehrt. (2113)
 
 
Von des Helmes Krachen und von des Schwertes Klang
Waren seine Sinne so betäubt und krank,
Dass sich der kühne Degen des Lebens nicht besann:
Das hatte mit den Kräften der starke Geiselher getan. (2114)
 
 
Als ihm aus dem Haupte das Schwirren jetzt entschwand,
Das von dem starken Schlage der Degen erst empfand,
Da gedacht er: “Ich lebe, und bin auch nirgend wund:
Nun ist mir erst die Stärke des kühnen Geiselher kund!” (2115)
 
 
Er hörte seine Feinde zu beiden Seiten stehn;
Hätten sie's geahnet, ihm wäre mehr geschehn:
Auch hatt er Geiselheren vernommen nahe bei:
Er sann wie mit dem Leben von hinnen zu kommen sei. (2116)
 
 
Wie hastig der Degen aus dem Blute sprang!
Er mochte seiner Schnelle wohl sagen großen Dank.
Da lief er aus dem Hause, wo er Hagen fand,
Und schlug ihm schnelle Schläge mit seiner kraftreichen Hand. (2117)
 
 
Da gedachte Hagen: “Du musst des Todes sein;
Schützt dich nicht der Teufel, so kannst du nicht gedeihn.”
Doch traf Iring Hagnen durch des Helmes Hut:
Das tat der Held mit Maske; das war eine Waffe gut. (2118)
 
 
Als der grimme Hagen die Wand an sich empfand,
Ihm schwenkte sich gewaltig das Schwert in seiner Hand.
Da musste vor ihm weichen der Held in Hawarts Bann;
Hagen ihm die Stiege hinab zu folgen begann. (2119)
 
 
Übers Haupt den Schildrand der kühne Iring schwang;
Und wär dieselbe Stiege drei solcher Stiegen lang,
Derweile ließ ihn Hagen nicht schlagen einen Schlag:
Wie mancher rote Funke da auf seinem Helme lag! (2120)
 
 
Wieder zu den seinen kam Iring gesund.
Da wurde diese Märe bald Kriemhilden kund,
Was er im Streit dem Hagen von Tronje angetan;
Dafür die Königstochter ihm sehr zu danken begann: (2121)
 
 
“Das lohne Gott dir, Iring, erlauchter Degen gut,
Du hast mir wohl getröstet das Herz und auch den Mut:
Nun seh ich blutgerötet Hagens Rüstgewand!”
Kriemhilde nahm vor Freuden ihm selbst den Schild aus der Hand. (2122)
 
 
“Ihr mögt ihm mäßig danken;” sprach Hagen dagegen,
“Es nochmals zu versuchen ziemte wohl dem Degen,
Und käm er dann zurücke, er wär ein kühner Mann.
Die Wunde frommt euch wenig, die ich noch von ihm gewann. (2123)
 
 
“Dass ihr von meiner Wunde mir seht den Harnisch rot,
Das hat mich noch erbittert zu manches Mannes Tod;
Nun bin ich erst erzürnet auf euch und manchen Mann:
Mir hat der Degen Iring gar wenig Schaden getan.” (2124)
 
 
Da stand dem Wind entgegen Iring von Dänenland;
Er kühlte sich im Harnisch, den Helm er niederband.
Da priesen ihn die Leute für streitbar und gut;
Darüber trug der Markgraf nicht wenig hoch seinen Mut. (2125)
 
 
Da sprach Iring wieder: “Nun, Freunde, sollt ihr gehn
Und neue Waffen holen; ich will noch einmal sehn,
Ob ich bezwingen möge den übermütgen Mann.”
Sein Schild war verhauen, einen bessern er gewann. (2126)
 
 
Gewaffnet ward der Recke bald in noch festre Wehr:
Er griff in seinem Zorne nach einem starken Speer,
Mit dem wollt er Hagnen zum andern Mal bestehn.
Darob ergrimmt' ihm Hagen, der kühne Held ausersehn. (2127)
 
 
Nicht erwarten wollt ihn Hagen der Degen:
Mit Schüssen und mit Hieben lief er ihm entgegen
Die Steige bis zu Ende; zornig war sein Mut:
Da kam dem Degen Iring seine Stärke nicht zu gut. (2128)
 
 
Die schlugen durch die Schilde, dass es zu lohn begann
Mit feuerroten Winden. Der in Hawarts Bann
Ward von Hagens Schwerte da gar übel wund:
Durch Helm und Schildrand drang es, er ward nicht wieder gesund. (2129)
 
 
Als der Degen Iring der Wunde ward gewahr,
Deckt' er mit dem Schilde den Helm ganz und gar.
Ihn deuchte voll der Schaden, den er von ihm gewann;
Bald tat ihm aber größern der Degen noch in Gunthers Bann. (2130)
 
 
Einen Wurfspieß Hagen vor seinen Füßen sah;
Auf Iring den Dänen schoss der Degen da,
Dass ihm die Stange aus dem Haupte stand:
Der Recken Hagen hatt ihm ein grimmes Ende gesandt. (2131)
 
 
Iring musste wieder zu den Dänen fliehn.
Eh man dem Degen konnte den Helm vom Haupte ziehn
Und ihn vom Speer befreien, erschien ihm schon der Tod.
Da weinten seine Freunde, es zwang sie wahrhafte Not. (2132)
 
 
Da kam die Königstochter auch zu ihm heran:
Iring den starken hub sie zu klagen an;
Sie beweinte seine Wunden, es war ihr grimmig leid.
Da sprach vor seinen Freunden dieser Recke kühn im Streit: (2133)