Und geht entgegen denen, die euch hier wollen empfahn. (1769)
 
 
“Dort kommt ein Heergesinde, das ist mir wohl bekannt:
Es sind viele schnelle Degen von Amelungenland,
Die führt der von Berne, sie sind von hohem Mut:
Ihr sollt sie nicht verschmähen, die Dienste, die man euch tut.” (1770)
 
 
Da sprang von den Rossen, so war es Fug und Recht,
Mit Dietrichen nieder mancher Herr und Knecht.
sie gingen zu den Gästen, als man die Helden fand;
Sie begrüßten freundlich die von der Burgonden Land. (1771)
 
 
Als sie der Degen Dietrich ihm entgegenkommen sah,
Nun mögt ihr gerne hören was der Degen da
Sprach zu Utens Söhnen: Leid war ihm ihre Fahrt;
Er wähnte, Rüdgers wüsst es und hätt es ihnen offenbart. (1772)
 
 
“Willkommen mir, ihre Herren, Gunther und Geiselher,
Gernot und Hagen, Herr Volker auch so sehr,
Und Dankwart der schnelle; ist euch das nicht bekannt?
Kriemhilde weint noch immer um den von Nibelungenland.” (1773)
 
 
“Sie mag noch lange weinen,” sprach dawider Hagen:
“Er liegt seit manchem Jahre schon zu Tod erschlagen.
Den König von den Heunen mag sie nun lieber haben:
Siegfried kommt nicht wieder, er ist nun lange begraben.” (1774)
 
 
“Siegfriedens Wunden, die lassen wir nun stehn:
So lang Kriemhilde lebet, mag Schade wohl geschehn.”
So redete von Berne der Degen Dieterich:
“Trost der Nibelungen, davor so hüte du dich!” (1775)
 
 
“Wie soll ich mich behüten?”, sprach der König hehr,
“Etzel sandt uns Boten; was sollt ich fragen mehr?
Dass wir zu ihm sollten reiten in das Land.
Auch hat uns manche Märe meine Schwester Kriemhild gesandt.” (1776)
 
 
“So will ich euch raten,” sprach wieder Hagen,
“Lasst euch diese Märe doch zu Ende sagen,
Von Dieterich dem Herren und seinen Helden gut,
Damit wir wissen mögen der Frau Kriemhilde Mut.” (1777)
 
 
Da gingen die drei Könige und sprachen unter sich,
Herr Gunther und Gernot und auch Herr Dieterich:
“Nun sag uns, von Berne du edler Ritter gut,
Was du wissen mögest von der Königin Mut.” (1778)
 
 
Da sprach der Vogt von Berne: “Was soll ich euch sagen?
Als dass ich alle Morgen weinen hör und klagen
Die Königin Kriemhilde in jämmerlicher Not
Zum reichen Gott vom Himmel um des starken Siegfried Tod.” (1779)
 
 
“Es ist nun nicht zu wenden,” sprach der kühne Mann,
Volker der Fiedler, “was ihr uns kund getan:
Lasst uns zu Hofe reiten und einmal dort besehn
Was uns schnellen Degen bei den Heunen möge geschehn.” (1780)
 
 
Die kühnen Burgonden hin zu Hofe ritten:
Sie kamen stolz gezogen nach ihres Landes Sitten.
Da wollte bei den Heunen gar mancher kühne Mann
Von Tronje Hagen schauen, wie der wohl wäre getan. (1781)
 
 
Es war durch die Sage dem Volk bekannt genug,
Dass er von Niederlanden Siegfrieden schlug,
Aller Recken Stärksten, Frau Kriemhildens Mann;
Drum wurde großes Fragen bei Hof nach Hagen getan. (1782)
 
 
Der Held war wohl gewachsen, das ist sicher wahr,
Von Schultern breit und Brüsten, gemischt war sein Haar
Mit einer greisen Farbe, von Beinen war er lang
Und schrecklich von Gesichte, er hatte herrlichen Gang. (1783)
 
 
Da schuf man Herberge den Burgonden-Degen;
Gunthers Ingesinde ließ man gesondert legen.
Das riet die Königstochter, die ihm viel Hasses trug;
Daher man bald die Knechte in der Herberg erschlug. (1784)
 
 
Dankwart, Hagens Bruder, der war Marschall;
Der König sein Gesinde ihm fleißig anbefahl,
Dass er es wohl verpflege und ihm gebe genug:
Der Held von Burgonden ihm geneigten Willen trug. (1785)
 
 
Kriemhild die schöne mit dem Gesinde ging,
Wo sie die Nibelungen mit falschem Mut empfing;
Sie küsste Geiselheren und nahm ihn bei der Hand.
Als Hagen das erschaute, den Helm er fester überband. (1786)
 
 
“Nach so getanem Gruße,” sprach Hagen deswegen,
“Mögen sich bedenken diese schnellen Degen:
Man empfängt die Fürsten ungleich und der Fürsten Bann;
Eine schlimme Reise haben wir zu dieser Hochzeit getan.” (1787)
 
 
Sie sprach: “Seid willkommen dem der euch gern empfäht;
Eurer Freundschaft willen kein Gruß an euch ergeht.
Sagt, was ihr mir bringet von Wormes überrhein,
Dass ihr mir so höchlich hier willkommen solltet sein?” (1788)
 
 
“Was sind das für Mären,” sprach Hagen dagegen,
“Dass euch Gaben sollten bringen diese Degen?
Da ich so reich euch wusste und kannte eure Macht,
Wie hätt ich meine Gabe zu den Heunen wohl gebracht?” (1789)
 
 
“Nun frag ich um die Märe weiter bei euch an:
Den Hort der Nibelungen, wohin ihr den getan?
Der war ja doch mein eigen, das ist euch wohlbekannt:
Den hättet ihr mir sollen bringen her in Etzels Land.” (1790)
 
 
Meine Frau Kriemhilde, wahrlich schon mancher Tag war da,
Den Hort der Nibelungen, seit ich den nicht sah,
Den ließen meine Herren versenken in den Rhein:
Da muss er auch in Wahrheit bis zum jüngsten Tage sein.” (1791)
 
 
Da sprach die Königin wieder: “Ich hatt es wohl gedacht,
Ihr habt mir noch wenig davon hieher gebracht,
Wiewohl er war mein eigen und ich sein weiland pflag;
Drum hab ich leide Stunden und manchen traurigen Tag.” (1792)
 
 
“Ich bring euch den Teufel!”, sprach da Hagen,
“Ich hab an meinem Schilde genug zu tragen,
Und an meinem Harnisch; mein Helm, der ist so licht,
Das Schwert in meinen Händen: Darum bring ich ihn euch nicht.” (1793)
 
 
* “So wars auch nicht gemeinet, dass ich das Gold begehre:
So viel hab ich zu geben, dass ich es leicht entbehre.
Eines Mords und Doppelraubes, die man an mir genommen,
Dafür möcht ich Arme zu lieber Vergeltung kommen.” (1794)
 
 
Da sprach die Königstochter zu den Recken allzumal:
“Man soll keine Waffen tragen in dem Saal;
Vertraut sie mir, ihr Helden, zur Verwartung an.”
“Wahrhaftig,” sprach da Hagen, “das wird nimmer getan.” (1795)
 
 
“Ich begehre nicht der Ehre, Fürstentochter mild,
Dass ihr zur Herberge traget meinen Schild
Und ander Streitgeräte; ihr seid eine Königin:
So lehrte mich mein Vater, dass ich selbst ihr Hüter bin.” (1796)
 
 
“O weh dieses Leides!”, sprach da Kriemhild:
“Warum will mein Bruder und Hagen seinen Schild
Nicht bewahren lassen? Gewiss, sie sind gewarnt:
Und wüsst ich wers gewesen, den hielte der Tod umgarnt.” (1797)
 
 
Im Zorne gab ihr Antwort Dieterich sogleich:
“Ich bin es, der gewarnt hat die edeln Fürsten reich,
Und Hagen auch den kühnen in der Burgonden Bann:
Nur zu, du Braut des Teufels, du tust darum mir kein Leid an.” (1798)
 
 
Da schämte sich gewaltig die edle Königin;
Sie fürchtete gar übel Dietrichens Heldensinn.
Sie ging schnell von dannen, nichts mehr sprach sie da,
Nur dass sie nach den Feinden mit geschwinden Blicken sah. (1799)
 
 
Da nahmen bei den Händen zwei der Degen sich,
Der eine war Hagen, der andre Dieterich.
Da sprach wohlgezogen der Degen allbereit:
“Eure Reise zu den Heunen, die ist in Wahrheit mir leid, (1800)
 
 
Da die Königin also zu euch gesprochen hat.”
Da sprach von Tronje Hagen: “Noch wird zu allem Rat.”
So redeten einander die kühnen Degen an.
Das sah der König Etzel, der gleich zu fragen begann: (1801)
 
 
“Die Märe wüsst ich gerne,” befrug der König sich,
“Wer jener Recke wäre, den dort Herr Dieterich
So freundlich hat empfangen; wohl trägt er hoch den Mut;
Wie auch sein Vater heiße, er mag wohl sein ein Recke gut.” (1802)
 
 
Da gab dem König Antwort einer aus Kriemhilds Bann:
“Von Tronje ist er geboren, sein Vater hieß Aldrian;
Wie heiter er gebare, er ist ein grimmer Mann:
Er lässt euch wohl noch schauen, dass ich keine Lüge getan.” (1803)
 
 
“Wie soll ich das erkennen, dass er so grimmig ist?”
Noch hatt er keine Kunde von mancher argen List,
Die wider ihre Freunde die Königin spann,
Dass aus dem Heunenlande ihr auch nicht einer entrann. (1804)
 
 
“Wohl kannt ich Aldrianen, er war mein Untertan,
Lob und große Ehre er hier bei mir gewann:
Ich macht ihn selbst zum Ritter und gab ihm meinen Sold;
Weil er sich treu erzeigte, war ich ihm von Herzen hold. (1805)
 
 
“Daher ist mir von Hagen auch alles wohlbekannt.
Zwei edle Kinder bracht ich als Geisel in das Land:
Ihn und von Spanien Walther; die wuchsen hier heran.
Hagen sandt ich wieder heim, Walther mit Hildegund entrann.” (1806)
 
 
Er gedachte lieber Märe und was vordem geschehn;
Seinen Freund von Tronje, wohl hat er den gesehn,
Der ihm in seiner Jugend oft große Dienste bot:
Jetzt schlug er ihm im Alter viel lieber Freunde zu Tod. (1807)
 

29. Abenteuer
Wie Hagen nicht vor Kriemhilden aufstand

 
Da schieden auch die beiden werten Recken sich,
Hagen von Tronje und Herr Dieterich.
Über die Achsel blickte Gunthers Untertan
Nach einem Heergesellen, den er da bald sich gewann. (1808)
 
 
Er sah da Volkern bei Geiselheren stehn,
Den zieren Fiedelspieler, und bat ihn mitzugehn,
Weil er wohl erkannte seinen grimmen Mut:
Er war in allen Dingen ein Ritter kühn und auch gut. (1809)
 
 
Man ließ die Herrn noch immer auf dem Hofe stehn.
Die beiden ganz alleine sah man von dannen gehn
Über den Hof hin ferne vor einen Pallas weit:
Die Auserwählten scheuten sich vor niemandes Streit. (1810)
 
 
Sie saßen vor dem Hause genüber einem Saal
(Der war Kriemhilden) auf eine Bank zu Tal.
Da glänzt' an ihrem Leibe ihr herrlich Gewand;
Gar manche die das sahen hätten sie wohl gern gekannt. (1811)
 
 
Gleich den wilden Tieren gaffte sie da an,
Die vermessnen Helden, mancher Hennenmann.
Da sah sie durch ein Fenster Etzels Königin:
Sich trübte da von neuem der schönen Kriemhilde Sinn. (1812)
 
 
Sie gedachte ihres Leides: Zu weinen hub sie an.
Darüber war verwundert das Volk in Etzels Bann:
“Was ihr so geschwinde getrübt den hohen Mut?”
Da sprach sie: “Das tat Hagen, ihr Helden kühn und auch gut.” (1813)
 
 
Sie sprachen zu der Frauen: “Wie ist das geschehn?
Wir haben euch noch eben wohlgemut gesehn.
Wär er noch so verwogen, ders euch hat getan,
Befehlt ihr uns die Rache, den Tod müsst er empfahn.” (1814)
 
 
“Dem wollt ich immer danken, der rächte dieses Leid,
Was er nur begehrte, ich wär dazu bereit.
Ich biete mich euch zu Füßen,” so sprach das Königsweib,
“Rächet mich an Hagen, er verliere Leben und Leib.” (1815)
 
 
Schnell scharten sich die Kühnen, sechzig an der Zahl.
Der Königin zu Liebe wollten sie vor den Saal,
Und wollten Hagen schlagen, diesen kühnen Mann
Und auch den Fiedelspieler; das ward einmütig getan. (1816)
 
 
Als so gering den Haufen die Königin ersah,
Grimmes Mutes sprach sie zu den Helden da:
“Von solchem Unterfangen rat ich abzustehn:
Wohl dürft ihr in so kleiner Zahl mit Hagen nicht streiten gehn. (1817)
 
 
“So stark auch und gewaltig von Tronje Hagen sei,
Noch ist bei weitem stärker, der ihm da sitzet bei,
Volker der Fiedler, das ist ein übler Mann:
Wohl dürft ihr diesen Helden nicht mit so wenigen nahn.” (1818)
 
 
Als sie die Rede hörten scharten sich ihrer mehr,
Vierhundert Recken. Der Königstochter hehr
Lag sehr am Herzen die Rache für ihr Leid.
Dadurch ward bald den Degen viel Not und Sorge bereit. (1819)
 
 
Als sie ihr Heergesinde wohl bewaffnet sah,
Zu den schnellen Degen sprach die Königin da:
“Nun harret eine Weile, ihr sollt noch stille stehn:
Ich will unter Krone hin zu meinen Feinden gehn. (1820)
 
 
So mögt ihr selber hören was mir hat getan
Hagen von Tronje in König Gunthers Bann.
Ich weiß ihn so vermessen, er leugnets nimmermehr:
So frag ich auch nicht weiter was ihm geschehe nachher.” (1821)
 
 
Da sah der Fiedelspieler, der wunderkühne Mann,
Die edle Königstochter von einer Stiege nahn,
Die aus dem Hause führte. Als er das ersah,
Zu seinem Heergesellen sprach der kühne Volker da: (1822)
 
 
“Nun schaut, Freund Hagen, wie von dorten naht,
Die uns ohne Treue ins Land geladen hat.
Ich sah mit einer Königin noch nie so manchen Mann
Die Schwerter in den Händen also streitlustig nahn. (1823)
 
 
Wisset ihr, Freund Hagen, dass euch die Fraue grollt,
So will ich euch raten, dass ihr hüten sollt
Des Lebens und der Ehre; fürwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen ist ihnen zornig zu Mut. (1824)
 
 
Es scheinen auch die Meisten von Brüsten stark und breit:
Wer seines Lebens hüten will, der tu es noch beizeit.
Ich seh sie lichte Harnische an dem Leibe tragen.
Was sie damit meinen, das hör ich niemanden sagen.” (1825)
 
 
Da sprach im Zornmute Hagen der kühne Mann:
“Ich weiß wohl, es wird alles meinethalb getan,
Dass sie die lichten Waffen tragen an der Hand;
Vor denen aber reit ich noch in der Burgonden Land. (1826)
 
 
Nun sagt mir, Freund Volker, denkt ihr mir beizustehn,
Wenn mit mir streiten wollen die in Kriemhilds Lehn?
Das lasst mich erfahren so lieb als ich euch sei:
Ich steh euch immer wieder getreulich mit Diensten bei.” (1827)
 
 
“Gewiss ich will euch helfen,” sprach der Fiedelmann.
“Und säh ich uns entgegen mit seinem ganzen Bann
Den Heunenkönig kommen: Solang ich leben muss
Weich ich von eurer Seite aus Furcht auch nicht einen Fuß.” (1828)
 
 
“Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel edler Volker!
Wenn sie mit mir streiten, wes bedarf ich mehr?
Wollt ihr mir helfen wie ich jetzt vernommen,
So mögen diese Recken fein behutsam näher kommen.” (1829)
 
 
“Stehn wir auf vom Sitze,” sprach der Fiedelmann,
“(Sie ist doch eine Königin) so sie nun kommt heran.
Wenn man diese Ehre der edeln Frauen tut
Um der Sitte willen, so heißt es jeglicher gut.” (1830)
 
 
“Nein! Wenn ihr mich liebet,” sprach dawider Hagen:
“Es möchten diese Degen mit dem Wahn sich tragen,
Dass ichs aus Feigheit täte und gedächte wegzugehn:
Von meinem Sitze mein ich vor ihrer keinem aufzustehn. (1831)
 
 
“Dass wir es bleiben lassen, das ziemt uns ganz allein:
Soll ich dem Ehre bieten, der mir Feind will sein?
Nein, ich tät es nimmer so lang ich leben soll!
In aller Welt, was frag ich wohl nach Kriemhildens Groll?” (1832)
 
 
Der frevle Hagen legte über die Schenkel hin
Eine lichte Waffe, aus deren Knaufe schien
Mit hellem Glanz ein Jaspis, grüner als das Gras.
Wohl kannte sie Kriemhilde, dass Siegfried einst sie besaß. (1833)
 
 
Als sie das Schwert erkannte, das schuf ihr große Not.
Von Gold war sein Gefäße, die Scheideborte rot.
Sie gedachte ihres Leides; zu weinen hub sie an:
Gewiss, das hatte darum der kühne Hagen getan. (1834)
 
 
Volker der Schnelle zog näher an die Bank
Einen starken Fiedelbogen, mächtig und lang,
Gleich einem Schwerte, scharf dazu und breit.
So saßen unerschrocken die beiden Recken kühn im Streit. (1835)
 
 
Die beiden kühnen Degen däuchten sich so hehr,
Dass sie von dem Sitze gedachten nimmermehr
Vor jemand aufzustehn. Ihnen schritt da vor den Fuß
Die edle Königstochter und bot unfreundlichen Gruß. (1836)
 
 
Sie sprach: “Nun sagt mir Hagen, “hat nach mir gesandt:
Man ladete drei Degen her in dieses Land,
Die heißen meine Herren, ich steh in ihrem Lehn:
Bei keiner Hofreise pfleg ich daheim zu bestehn.” (1837)
 
 
Sie sprach: “Nun sagt mir ferner, was tatet ihr das,
Dass ihr es verdientet, dass ich euch trage Hass?
Ihr erschlugt Siegfrieden, meinen lieben Mann,
Den ich bins an mein Ende nicht genug beweinen kann.” (1838)
 
 
“Wozu der Rede weiter?”, sprach er, “es ist genug:
Ich bin halt der Hagen, der Siegfrieden schlug,
Den behenden Degen: Wie schwer er das entgalt,
Dass die Frau Kriemhilde die schöne Brunhilde schalt! (1839)
 
 
Ich will es auch nicht leugnen, reiche Königin,
Dass ich an allem Übel und Schaden schuldig bin:
Nun räch es, wer da wolle, es sei Weib oder Mann.
Ich müsst es wahrlich lügen, ich hab euch Leides viel getan.” (1840)
 
 
Sie sprach: “Da hört ihr Recken, wie er mir eingesteht
Mein Leid und seine Tücke; wie's ihm deshalb ergeht,
Frag ich nun nicht weiter, ihr in Etzels Bann.”
Die übermütgen Degen blickten all einander an. (1841)
 
 
Wär da der Streit erhoben, so hätte man gesehn,
Wie man den zwei Gesellen müss Ehre zugestehn;
Das hatten sie in Stürmen nicht selten dargetan.
Wes jene sich vermaßen, das ging aus Furcht nun nicht an. (1842)
 
 
Da sprach der Recken einer: “Was seht ihr mich an?
Was ich zuvor gelobte, das wird nun nicht getan.
Ich verlier um niemands Gabe das Leben und den Leib:
Uns will wohl hier verleiten dem König Etzel sein Weib.” (1843)
 
 
Da sprach dazu ein andrer: “So steht auch mir der Mut.
Gäbe sie mir Türme von rotem Golde gut,
Diesen Fiedelspieler wollt ich nicht bestehn,
Der schnellen Blicken wegen, die ich an ihm hab ersehn. (1844)
 
 
Auch kenn ich diesen Hagen seit seinen jungen Tagen;
Man mag mir von dem Recken große Dinge sagen.
In zweiundzwanzig Stürmen hab ich ihn gesehn;
Da ist wohl mancher Fraue Herzeleid durch ihn geschehn. (1845)
 
 
Er und der von Spanien traten manchen Pfad,
Da sie hier bei Etzeln taten manche Tat
Dem König zu Liebe. Des ist viel geschehn:
Drum mag man Hagen billig große Ehre zugestehn. (1846)
 
 
Damals war der Recke an Jahren noch ein Kind:
Da waren schon die Knaben wie jetzo Greise sind.
Nun kam er zu Verstande und ist ein grimmer Mann;
Auch trägt er Balmungen, den er übel gewann.” (1847)
 
 
Damit wars entschieden, niemand suchte Streit;
Das war der Königstochter im Herzen bitter leid,
Die Helden gingen wieder: Wohl scheuten sie den Tod
Von den zweien Degen; das tat ihnen wahrlich Not. (1848)
 
 
“Nun haben wir gesehen,” sprach der Fiedelmann,
“Dass wir hier Feinde finden wie uns ward kund getan.
Nun lasst uns zu den Königen hin zu Hofe gehn,
So darf unsre Herren mit Streit wohl niemand bestehn.” (1849)
 
 
Wie man so manche Dinge aus Zagheit oft verlässt,
Wo doch Freund beim Freunde mutig steht und fest!
Und ist er wohl bei Sinnen, dass er nicht also tut,
So nimmt die Ehre mancher vor Schaden weislich in Hut. (1850)
 
 
“Wohlan, ich will euch folgen,” sprach Hagen dagegen.
Da gingen hin die beiden, wo sie die zieren Degen
Noch harrend des Empfanges auf dem Hofe sahn.
Volker der kühne hub da laut zu rufen an. (1851)
 
 
Er sprach zu seinen Herren: “Wie lange wollt ihr stehn
Und euch drängen lassen? Ihr sollt zu Hofe gehn
Und von dem König hören wie der gesonnen sei.”
Da sah man sich gesellen die Helden kühn und tadelfrei. (1852)
 
 
Dietrich von Berne nahm da an die Hand
Gunther den reichen von Burgondenland:
Irnfried nahm Gernoten, diesen kühnen Mann;
Da ging mit Rüdigeren Geiselher zu Hof heran. (1853)
 
 
Wie sich bei diesem Zuge paarte jeglicher,
Volker und Hagen, die schieden sich nicht mehr
Als noch in einem Kampfe bis an ihren Tod.
Das brachte edeln Frauen Tränen noch und große Not. (1854)
 
 
Da gingen mit den Königen an den Hof heran
Ihres edeln Ingesindes kühne tausend Mann;
Darüber sechzig Recken: Die waren mitgekommen;
Die hatt aus seinem Lande der kühne Hagen genommen. (1855)
 
 
Hawart und Iring, zwei Degen ausersehn,
Die sah man bei den Königen gesellt nach Hofe gehn:
Dankwart und Wolfhart, ein wackerlicher Degen,
Die sah man großer Tugend vor den Übrigen pflegen. (1856)
 
 
Als der Vogt vom Rheine in den Pallas ging,
Herr Etzel der reiche das länger nicht verhing:
Er sprang von seinem Sitze, als er ihm kommen sah.
Ein Gruß, ein so recht schöner, nie mehr von Königen geschah. (1857)
 
 
“Willkommen mir, Herr Gunther und Herr Gerenot
Und euer Bruder Geiselher, die ich hieher entbot
Mit Gruß und treuem Dienste von Wormes überrhein,
Und all das Heergesinde, das soll mir willkommen sein. (1858)
 
 
Lasst euch auch Willkommen, ihr beiden Recken, sagen,
Volker der kühne und der Degen Hagen,
Für mich und für die Königin hier in diesem Land;
Sie hat euch manchen Boten hin zum Rheine gesandt.” (1859)
 
 
Da sprach von Tronje Hagen: “Das haben wir vernommen:
Wär ich mit meinen Herren zu den Heunen nicht gekommen,
So wär ich euch zu Ehren geritten in das Land.”
Da nahm der edle König die lieben Gäste bei der Hand. (1860)
 
 
Er führte sie zum Sitze bin wo er selber saß.
Da schenkte man den Gästen, fleißig tat man das,
In weiten goldnen Schalen Met, Morass und Wein,
Und hieß die fremden Degen höchlich willkommen sein. (1861)
 
 
Da sprach der König Etzel: “Fürwahr ich muss gestehn,
Mir konnt auf dieser Erde nicht Lieberes geschehn,
Als durch euch, ihr Recken, dass ihr hierher gekommen.
Damit ist auch der Königin ihre Hohe Trauer benommen. (1862)
 
 
Mich nahm es immer Wunder, was ich euch wohl getan.
Da ich der edeln Gäste so manche doch gewann,
Dass ihr nie zu reiten geruhtet in mein Land;
Nun ich euch gesehen, ist mirs zu Freuden gewandt.” (1863)
 
 
Da versetzte Rüdiger, ein Ritter hochgemut:
“Ihr sollt sie gern empfahen, ihre Treue, die ist gut.
Wohl mögen hoher Ehren meiner Fraue Brüder pflegen:
Sie bringen euch zu Hause manchen waidlichen Degen.” (1864)
 
 
Am Sonnenwende-Abend waren sie gekommen
An Etzels Hof, des reichen. Noch selten ward vernommen
Von so hohem Gruße, womit er sie empfing.
Nun war es Zeit zum Essen: Der Fürst zu Tisch mit ihnen ging (1865)
 
 
Ein Wirt bei seinen Gästen sich nie so hold betrug.
Zu trinken und zu essen gab man ihnen genug;
Was sie nur wünschen mochten, das wurde gern gewährt.
Man hatte von den Helden viel große Wunder gehört. (1866)
 
 
* Der reiche Etzel hatte an ein Gebäude weit
Viel Fleiß und Müh gewendet und Kosten nicht gescheut:
Man sah Pallas und Türme, Gemächer ohne Zahl
IN einer weiten Veste und einen herrlichen Saal. (1867)
 
 
* Den hatt er bauen lassen lang, hoch und weit,
Weil ihn so viel der Recken besuchten jederzeit
Auch ander Ingesinde, zwölf reiche Könge hehr,
Und viel der werten Degen hatt er zu allen Zeiten mehr (1868)
 
 
* Als sie gewann ein König, davon ich noch vernahm.
Er lebte so mit Freunden und Mannen ohne Gram:
Turnei und Ritterspiele hatte der König gut
Durch manchen schnellen Degen; drum stand wohl hoch ihm der Mut. (1869)
 

30. Abenteuer
Wie Hagen und Volker Schildwacht standen

 
Der Tag war zu Ende, nun kam heran die Nacht:
Den reisemüden Recken war Sorge nun erwacht,
Wo sie ruhen sollten und in ihr Bette gehn.
Darüber fragte Hagen: Bescheid ist ihnen geschehn. (1870)
 
 
Gunther sprach zum Wirte: “Gott lass euchs wohlgedeihn:
Wir wollen schlafen gehen, mag es mit Urlaub sein.
Wenn ihr gebietet, kommen wir wieder morgen fruh.”
Der Wirt entließ die Gäste wohlgemut zu ihrer Ruh. (1871)
 
 
Von allen Seiten drängen man die Gäste sah;
Volker der Kühne sprach zu den Heunen da:
“Wie dürfet ihr uns Recken vor die Füße gehn?
Und wollt ihr das nicht meiden, so wird euch übel geschehn. (1872)
 
 
“So schlag ich dem und jenem so schweren Geigenschlag,
Hat er einen Treuen, dass ders beweinen mag.
Nun weichet vor uns Recken, fürwahr, mich dünkt es gut:
Es heißen alle Degen und haben doch nicht gleichen Mut.” (1873)
 
 
Als in solchem Zorne sprach der Fiedeler,
Sah der kühne Hagen über die Achsel her;
Er sprach: “Euch rät zum Heile der kühne Fiedelmann:
Geht zu den Herbergen, ihr in der Kriemhilde Bann. (1874)
 
 
Wonach euch hier gelüstet, es fügt sich nicht dazu:
Wollt ihr was beginnen, so kommt uns morgen früh,
Und lasst uns Reisemüde heut der Ruhe pflegen:
Es geschieht wohl nimmer so willig mehr von einem Degen.” (1875)
 
 
Da brachte man die Gäste in einen weiten Saal.
Da fanden sie bereitet den Recken allzumal
Manches reiche Bette, lang genug und breit.
Gern schüf ihnen Kriemhild das allergrößte Leid. (1876)
 
 
Manche schmucke Decke von Arras da lag
Aus lichthellem Zeuche, und manches Überdach
Aus arabischer Seide, so gut sie mochte sein;
Darüber lagen Leisten, die gaben herrlichen Schein. (1877)
 
 
Viel Bettlaken fand man von Hermelin gemacht
Und von schwarzem Zobel, worunter sie die Nacht
Sich Ruhe schaffen sollten bis an den lichten Tag.
Ein Fürst mit seinem Volke wohl nimmer herrlicher lag. (1878)
 
 
“O weh der Herberge!”, sprach Geiselher das Kind,
“Und weh meiner Freunde, die mit uns kommen sind.
Wie gut es meine Schwester mir auch hier erbot,
Wir gewinnen, fürcht ich, alle von ihrem Hasse den Tod.” (1879)
 
 
“Nun lasst eure Sorge,” sprach Hagen der Degen,
“Ich will heunte selber der Schildwache pflegen
Und will euch wohl behüten bis an den lichten Tag:
Seid drum ohne Sorgen: Und mag es wenden, wer da mag.” (1880)
 
 
Da neigten sich ihm alle und sagten ihm den Dank.
Sie gingen zu den Betten. Da währt' es nicht lang
Bis in Ruhe lagen die Helden wohlgetan.
Hagen der Kühne sich rasch zu waffnen begann. (1881)
 
 
Da sprach der Fiedelspieler, Volker der Degen:
“Verschmäht ihr nicht, Hagen, so will ich mit euch pflegen
Heunt der Schildwache bis an den lichten Tag.”
Da dankte Volkern der Degen gütlich und sprach: (1882)
 
 
“Nun lohn euch Gott vom Himmel, lieber Volker,
Zu allen meinen Sorgen wünsch ich niemand mehr
Als nur euch alleine, befahr ich irgend Not:
Ich will es wohl vergelten, es verhüt es denn der Tod.” (1883)
 
 
Da warfen sich die beiden in ihr licht Gewand.
Da fasste jedweder den Schild an seine Hand:
Sie gingen aus dem Hause vor die Türe stehn
Und hüteten der Gäste; das ist mit Treue geschehn. (1884)
 
 
Volker der Schnelle legte von der Hand
Seinen Schild den guten an des Saales Wand:
Dann wandt er sich zurücke, wo seine Fiedel war
Und diente seinen Freunden: Das ziemt ihm trefflich fürwahr. (1885)
 
 
Er saß auf einem Steine unter des Hauses Tor.
So kühnen Fiedelspieler sah man nie zuvor:
Als der Saiten Tönen ihm so süß erklang,
Die stolzen Heimatlosen, die sagten des Volkern Dank. (1886)
 
 
Da klangen seine Saiten, dass all das Haus erscholl.
Seine Kraft uns sein Geschicke, die waren beide voll:
Süßer immer süßer zu geigen er begann;
So spielt' er in den Schlummer gar manchen sorgenden Mann. (1887)
 
 
Da sie entschlafen waren und Volker das befand,
Da nahm der Degen wieder den Schild an die Hand
Und ging aus dem Hause vor die Türe stehn,
Die Gäste zu bewahren vor denen in Kriemhildens Lehn. (1888)
 
 
Nach dem ersten Schlafe, wenn es erst da geschah,
Volker der kühne Helme glänzen sah
Fernher durch das Dunkel: Die in Kriemhilds Bann
Hätten an den Gästen gerne Schaden getan. (1889)
 
 
* Bevor da Kriemhilde die Recken abgesandt,
Sprach sie: “Wenn ihr sie findet, so seid um Gott ermahnt,
Dass ihr niemand tötet als den einen Mann,
Hagen den Ungetreuen: Die andern rühret nicht an.” (1890)
 
 
Da sprach der Fiedelspieler: “Freund Hagen, höret mich,
Wir tragen diese Sorge selbander ritterlich.
Ich sehe Volk in Waffen vor dem Hause stehn:
So viel ich mag erkennen, so wollen sie uns hier bestehn.” (1891)
 
 
“So schweiget,” sprach da Hagen, “erwarten wir sie hier.
Eh sie uns gewahren wird ihrer Helme Zier
Zerschroten mit den Schwertern von unser beider Hand:
Sie werden Kriemhilden übel wieder heimgesandt.” (1892)
 
 
Der Heunenrecken einer das gar bald ersah,
Die Türe sei behütet: Wie balde sprach er da:
“Was wir im Sinne hatten kann nun nicht geschehn:
Ich seh den Fiedelspieler vor dem Hause Schildwacht stehn. (1893)
 
 
Der trägt auf dem Haupte einen Helm von lichtem Glanz.
Der ist hart und lauter, stark dazu und ganz;
Ihm glühn die Panzerringe wie das Feuer tut.
Daneben steht auch Hagen: Die hüten wohl der Gäste gut.” (1894)
 
 
Da wandten sie sich wieder. Als Volker das ersah,
Zu seinem Heergesellen zornig sprach er da:
“Nun lasst mich von dem Hause zu den Recken gehn:
So frag ich um die Märe die in der Kriemhilde Lehn.” (1895)
 
 
“Nicht doch, wenn ihr mich liebet,” sprach Hagen dagegen,
“Wenn ihr das Haus verließet, diese schnellen Degen
Brächten euch mit Schwertern leicht in solche Not,
Dass ich euch helfen müsste, wärs aller meiner Freunde Tod. (1896)
 
 
“Wenn wir dann beide gerieten in den Streit,
So drängen ihrer viele oder vier in kurzer Zeit
Leichtlich zu dem Hause und schüfen solche Not
An den Schlafenden drinnen, dass wir bereuten bis zum Tod.” (1897)
 
 
Da sprach wieder Volker: So lasst es nur geschehn,
Dass sie inne werden, wir haben sie gesehn:
So können uns nicht leugnen die in Kriemhilds Bann,
Dass sie an den Gästen gern untreu hätten getan.” (1898)
 
 
Da rief ihnen Volker entgegen gleich zur Hand:
“Was geht ihr so gewaffnet, ihr Degen auserkannt?
Wollt ihr morden reiten, ihr in Kriemhilds Bann?
So nehmt mich zur Hilfe und meinen Heergesellen an.” (1899)
 
 
Niemand gab Antwort; zornig war sein Mut:
“Pfui, ihr verzagten Wichter,” so sprach der Degen gut;
“Im Schlaf uns zu ermorden, schlicht ihr dazu heran?
Das ward so guten Helden bisher noch selten getan.” (1900)
 
 
Da ward auch die Märe der Königin bekannt
Vom Abzug ihrer Boten: Wie schwer sie das empfand!
Da fügte sie es anders; gar grimmig war ihr Mut.
Das mussten bald entgelten viel der Helden kühn und gut. (1901)
 

31. Abenteuer
Wie die Herren zur Kirche gingen

 
“Mir wird so kühl im Harnisch,” sprach der Fiedeler,
“Als ob die Nacht nicht länger währen wolle mehr:
Ich fühl es an den Lüften, es ist nicht weit vom Tag.”
Da weckten sie gar manchen, der da im Schlafe noch lag (1902)
 
 
Da schien der lichte Morgen den Gästen in den Saal.
Hagen begann zu fragen die Ritter allzumal,
Ob sie zu dem Münster zur Messe wollten gehn?
Nach Site bei den Christen erscholl der Glocken Getön. (1903)
 
 
Der Gesang war ungleich; kein Wunder mocht es sein,
Dass Christen mit Heiden nicht stimmen überein.
Da wollten zu der Kirche die in Gunthers Lehn:
Man sah sie von den Betten all zumal da erstehn. (1904)
 
 
Da schnürten sich die Recken in also gut Gewand,
Dass wohl niemals Helden in eines Königs Land
Bessre Kleider brachten Hagen war es leid:
Er sprach: “Ihr tätet besser und trüget Kleider zum Streit. (1905)
 
 
Nun ist euch zur Genüge die Märe wohl bekannt:
Drum traget statt der Rosen die Waffen an der Hand;
Statt wohl gesteinter Hüte die lichten Helme gut,
Da wir so wohl erkennen der argen Kriemhilde Mut. (1906)
 
 
Wir müssen heute streiten, das will ich euch sagen.
Statt seidner Hemden sollt ihr Halsbergen tragen;
Statt der reichen Mäntel die guten Schilde breit,
Wenn jemand mit euch zürnet, dass ihr in der Wehr seid. (1907)
 
 
Meine leiben Herren, ihr Freunde wie mein Bann,
Geht nun zu dem Münster williglich heran
Und klaget Gott dem reichen eure Sorg und Not;
Denn wisset unbezweifelt, es naht uns allen der Tod. (1908)
 
 
Ihr sollt auch nicht vergessen was von euch geschah,
Und steht andächtgen Herzens vor euerm Gotte da.
Daran will ich euch mahnen, ihr guten Recken hehr;
Es wend' es Gott denn anders, so hört ihr keine Messe mehr.” (1909)
 
 
Sie gingen zu dem Münster die Fürsten wie ihr Lehn.
Auf dem heilgen Friedhof, da hieß sie stille stehn
Hagen der kühne, damit man sie nicht schied.
Er sprach: “Noch weiß ja niemand, was von den Heunen geschieht. (1910)
 
 
“Legt, meine Freunde, die Schilde vor den Fuß
Und lohnt es, heut euch jemand feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden; das ist was Hagen rät:
So werdet ihr befunden wies euch am Löblichsten steht.” (1911)
 
 
Volker und Hagen, die beiden gingen dann
Vor das weite Münster. Das ward darum getan,
Weil sie schauen wollten, ob sich die Köngin hehr
Mit ihnen drängen müsse: Sie zürnten ihr beide sehr. (1912)
 
 
Da kam der Wirt des Landes und auch sein schönes Weib;
Mit reichem Gewande geziert war ihr Leib.
Manchen schnellen Degen sah man mit ihm fahren;
Da flog der Staub zur Höhe von der Kriemhilde Scharen. (1913)
 
 
Als der reiche König so wohl gewaffnet sah
Die Könge nebst dem Volke, wie balde sprach er da:
“Was seh ich meine Freunde unter Helmen gehn?
Leid wär mir meiner Treue, wär ihnen Leid hier geschehn. (1914)
 
 
Das wollt ich ihnen büßen, wie es sie däuchte gut.
Wenn ihnen wer beschwerte das Herz und auch den Mut,
So lass ich sie wohl schauen mir sei es wahrlich leid:
Was sie gebieten mögen, dazu bin ich gern bereit.” (1915)
 
 
Zur Antwort gab ihm Hagen: “Uns ist kein Leid geschehn.
Es ist der Herren Sitte, dass sie gewaffnet gehn
Bei Hofgelagen immer zu dreien vollen Tagen.
Was uns hier geschähe, wir würden es Etzeln klagen.” (1916)
 
 
Wohl hörte Kriemhilde Hagens Rede da.
Wie feindlich sie dem Degen unter die Augen sah!
Sie wollte doch nicht melden den Brauch in ihrem Land,
So lang sie den auch hatte bei den Burgonden gekannt. (1917)
 
 
Wie grimm und stark sie ihnen entgegen wäre,
Hätte jemand Etzeln gesagt die Märe,
Er hätt es wohl gewendet, was nun doch geschah:
In hohem Übermute verschwiegen sie es alle da. (1918)
 
 
Da schritt mit vielem Volke die Köngin nach der Tür:
Da wollten diese beide nicht weichen von ihr
Zweier Hände Breite: Das war den Heunen leid.
Da musste sie sich drängen mit den Helden allbereit. (1919)
 
 
Etzels Kämmerlinge, die däuchte das nicht gut:
Da hätten sie den Recken gern erzürnt den Mut,
Wenn sie gedurft hätten vor dem König hehr.
Da gab es groß Gedränge und doch nichts anderes mehr. (1920)
 
 
Als nach dem Gottesdienste man heim zu ziehn begann,
Da kam gar bald geritten mancher Heunenmann.
Da war bei Kriemhilden manche schöne Maid:
Wohl siebentausend Degen gaben der Königin Geleit, (1921)
 
 
Kriemhild mit ihren Frauen in den Fenstern saß
Bei Etzeln dem reichen; gerne sah er das.
Sie wollten reiten sehen die Helden auserkannt:
Hei! Was man fremder Recken vor ihnen auf dem Hofe fand! (1922)
 
 
Da war auch mit den Knechten der Marschall gekommen:
Der kühne Dankwart hatte zu sich genommen
Seines Herrn Gesinde von Burgondenland:
Die Rosse man gesattelt von kühnen Niblungen fand. (1923)
 
 
Als zu Rosse kamen die Fürsten und ihr Bann,
Volker der starke hub zu raten an,
Sie sollten buhurdieren nach ihres Landes Sitten.
Da wurde von den Helden bald gar herrlich geritten. (1924)
 
 
Was der Held geraten, niemanden des verdross.
Das Kampfspiel und das Schallen wurden beide groß.
Zu dem weiten Hofe kam da mancher Mann;
Etzel und Kriemhilde, die schauten alles mit an. (1925)
 
 
Auf den Buhurd kamen sechshundert Degen,
Dietrichens Recken, den Gästen entgegen.
Mit den Burgonden wollten sie sich im Spiel ergehn;
Hätt es ihr Herr vergönnet, so wär es gerne geschehn. (1926)
 
 
Hei! Was gute Degen ritten da heran!
Dieterich dem Herren ward es kund getan.
Mit Gunthers Ingesinde das Spiel er ihnen verbot:
Er schonte seiner Leute; das tat ihm sicherlich Not. (1927)
 
 
Als vom Platze schieden die dem Berner untertan,
Kamen von Bechlaren die im Rüdgers Bann,
Fünfhundert unter Schilden, vor den Saal geritten;
Leid wars dem Markgrafen; er hätt es gern nicht gelitten. (1928)
 
 
Da ritt der Degen weislich zu ihnen durch die Schar
Und sagte seinen Degen: Sie würden wohl gewahr,
Dass im Unmut wären die in Gunthers Bann:
Wenn sie das Wettspiel ließen, so sei ihm Liebes getan. (1929)
 
 
Als von ihnen schieden die Helden unverzagt,
Die Thüringer kamen, wie man uns hat gesagt,
Und vom Dänenlande wohl tausend kühner Degen:
Von Stichen sah man fliegen viel der Splitter allerwegen. (1930)
 
 
Irnfried und Hawart in das Kampfspiel ritten:
Ihrer harrten die vom Rheine mit hochfährtgen Sitten.
Sie tjosteten mit denen von Thüringerland:
Durchbohrt von Stichen wurde mancher schöne Schildesrand. (1931)
 
 
Da kam der Degen Blödel, dreitausend in der Schar.
Etzel und Kriemhilde nahmen sein wohl wahr,
Weil vor ihnen beiden das Ritterspiel geschah.
Die Königin es gerne aus Hass zu den Burgonden sah. (1932)
 
 
* Sie gedacht in ihrem Sinne, wie es schier auch wär geschehn:
“Täten sie wem Leides, so dürft ich mich versehn,
Dass es zum Ernste käme: An den Feinden mein
Würd ich dann gerochen, des wollt ich ohne Sorge sein.” (1933)
 
 
Schrutan und Gibeke auf den Buhurd ritten,
Ramung und Hornbog, nach heunischen Sitten.
Sie hielten vor den Helden aus Burgondenland:
Da flogen auf die Schäfte hoch über des Saales Wand. (1934)
 
 
* Wie da die andern ritten, das war nur eitler Schall.
Von Stößen auf die Schilde den Pallas und den Saal
Hörte man ertosen durch die in Gunthers Bann.
Das Lob sich sein Gesinde mit großen Ehren gewann. (1935)
 
 
Da ward die Kurzweile so mächtig und so groß.
Dass den Satteldecken der blanke Schweiß entfloss
Von den guten Rossen, so die Helden ritten:
Sie versuchten an den Heunen sich mit hochfährtgen Sitten. (1936)
 
 
Da sprach der kühne Volker, der edle Fiedelmann:
“Zu zag sind diese Degen, sie greifen uns nicht an.
Ich hörte immer sagen, sie hassten uns so sehr:
Nun wär die Zeit gelegen, es fügt sich ihnen so nicht mehr.” (1937)
 
 
“Wieder zu den Ställen,” sprach da Volker,
“Ziehe man die Rosse; wir reiten wohl noch mehr
In den Abendstunden, kommt dazu die Zeit:
Ob dann wohl den Burgonden den Preis die Königin beut?” (1938)
 
 
Da sahn sie einen reiten so zierlich daher,
Wie im Heunenlande wohl kein andrer mehr:
Vielleicht in den Zeiten hatt er ein Liebchen traut:
Er ritt so schmuck gekleidet als eines edeln Ritters Braut. (1939)
 
 
Da sprach wieder Volker: “Wie blieb das ungetan?
Jener Frauenliebling muss einen Stoß empfahn.
Das mag hier niemand wenden, es geht ihm an den Leib:
Nicht frag ich, ob drum zürne dem König Etzel sein Weib.” (1940)
 
 
“Nicht doch! Bei meiner Liebe,” der König gleich begann,
“Man wird uns darum tadeln, greifen wir sie an:
Die Heunen lasst beginnen, es kommt wohl noch dahin.”
Noch saß König Etzel am Fenster bei der Königin. (1941)
 
 
Ich will das Kampfspiel mehren,” sprach Hagen dagegen,
“Lasst die Frauen sehen und alle diese Degen
Wie wir reiten können; das ist wohlgetan:
Man gibt doch wenig Lobes den Recken hier in Gunthers Bann.” (1942)
 
 
Volker der Schnelle ritt wieder in den Streit.
Da schuf er mancher Fraue großes Herzeleid:
Er stach dem reichen Heunen der Speer durch den Leib:
Das sah man bald beweinen manche Maid und manches Weib. (1943)
 
 
Da kam in großer Eile Hagen mit seinem Bann:
Mit sechzig seiner Degen zu reiten hub er an
Zu dem Fiedelspieler hin wo das Spiel geschah;
Etzel mit Kriemhilden das alles wohl übersah. (1944)
 
 
Da ließen die drei Könige den kühnen Fiedler gut
Unter seinen Feinden nicht länger ohne Hut.
Da ward von tausend Helden mit großer Kunst geritten;
Sie taten was sie lüstete mit gar hochfährtgen Sitten. (1945)
 
 
Als der reiche Heune zu Tode war geschlagen,
Vernahm man seiner Freunde Wehruf und Klagen.
Da fragte das Gesinde: “Wer hat das getan?”
Man sprach: “Das tat der Fiedler, Volker der kühne Spielmann.” (1946)
 
 
Nach Schwertern und nach Schilden riefen gleich zur Hand
Des Markgrafen Freunde von der Heunen Land.
Zu Tode schlagen wollten sie da den Fiedelmann;
Der Wirt von seinem Fenster daher zu eilen begann. (1947)
 
 
Da hob sich von den Heunen Lärm und lauter Schall.
Abstiegen mit dem Volke die Könge vor dem Saal;
Zurück die Rosse stießen die in Gunthers Bann.
Da kam der König Etzel den Streit zu schlichten heran. (1948)
 
 
Einem Vetter dieses Heunen, den er bei ihm fand,
Eine scharfe Waffe riss er dem aus der Hand
Und schlug sie all zurücke; er war in großem Zorn:
“Wie hätt ich meine Dienste an diesen Helden verlorn, (1949)
 
 
Wenn mir erschlagen wäre dieser Fiedelmann,”
Sprach der König Etzel, “ihr hättet missgetan.
Als er erstach den Heunen, sein Reiten wohl ich sah,
Dass es durch ein Straucheln ohne seine Schuld geschah. (1950)
 
 
Ihr sollt meine Gäste mit Frieden lassen ziehn.”
So ward er ihr Geleite. Die Rosse zog man hin
Zu den Herbergen; sie hatten manchen Knecht,
Der den Degen fleißiglich zu allen Diensten ward gerecht. (1951)
 
 
Der Wirt mit seinen Freunden ging zum Saal zurück;
Da regte sich kein Zürnen mehr von seinem Blick.
Man richtete die Tische, das Wasser man auch trug: