Wie ich nun wohl gewahre, von Siegfriedens Hand:
Gott lass ihn nimmer wieder kommen in der Dänen Land.” (303)
 
 
Dass hieß man allenthalben weichen aus den Wegen
Der schönen Kriemhilde: manchen kühnen Degen
Sah man wohl gezogen mit ihr zur Kirche gehn.
Da ward von ihr geschieden dieser Degen ausersehn. (304)
 
 
Da ging sie zu dem Münster; ihr folgten viel der Fraun.
Da war so wohl gezieret die Königin zu schaun,
Dass da hoher Wünsche mancher ward verloren;
Sie war zur Augenweide manchem Recken auserkoren. (305)
 
 
Kaum erharrte Siegfried bis schloss der Messgesang;
Er mochte seinem Heile des immer sagen Dank,
Dass ihm die so hold war, die er im Herzen trug:
Auch war er der Schönen nach Verdienste hold genug. (306)
 
 
Als sie aus dem Münster nach der Messe trat,
Zu ihr zurück zu gehen man den Kühnen bat.
Da begann ihm erst zu danken die minnigliche Maid,
Dass er vor allen Recken so kühn gefochten im Streit. (307)
 
 
“Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,” so sprach das edle Kind,
“Dass ihrs verdienen konntet, dass euch die Recken sind
So hold mit ganzer Treue, wie sie zumal gestehn.”
Da begann er Frau Kriemhilden minniglich anzusehn. (308)
 
 
“Stets will ich ihnen dienen,” sprach Siegfried der Degen,
“Und will mein Haupt zur Ruhe niemals niederlegen
Bis ihr Wunsch geschehen, hält mir das Leben an:
Das sei zu euerm Dienste, meine Frau Kriemhilde, getan.” (309)
 
 
Innerhalb zwölf Tagen, so oft es neu getagt,
Sah man bei dem Degen die wonnevolle Magd,
So sie zu Hofe durfte vor ihre Freunde gehn.
Der Dienst war dem Recken aus großer Liebe geschen. (310)
 
 
Freude und Wonne und hohen Jubelschall
Sah man alle Tage vor König Gunthers Saal,
Davor und darinnen, gar manchen kühnen Mann.
Ortwein und Hagen großer Wunder viel getan. (311)
 
 
Was man zu üben wünschte, des waren gleich bereit
In völliglichem Maße die Degen kühn im Streit.
Da machten vor den Gästen die Recken sich bekannt:
Davon so war gezieret König Gunthers ganzes Land. (312)
 
 
Die verwundet lagen wagten sich an den Wind:
sie wollten kurzweilen mit dem Ingesind,
Schirmen mit den Schilden und schießen mit dem Schaft:
Das halfen ihnen viele; sie hatten gar große Kraft. (313)
 
 
Bei dem Hofgelage ließ sie der Wirt verpflegen
Mit der besten Speise; es durfte sich nicht regen
Nur der kleinste Tadel, der Fürsten mag entstehn:
Man sah in jetzo freundlich hin zu seinen Gästen gehn. (314)
 
 
Er sprach: “Ihr guten Recken, bevor ihr reitet hin,
So nehmet meine Gabe: Also steht mein Sinn,
Ich will euch immer danken; verschmähet nicht mein Gut,
Es unter euch zu teilen, dazu hab ich festen Mut.” (315)
 
 
Die vom Dänenlande sprachen gleich zur Hand:
“Bevor wir wieder reiten heim in unser Land,
Gewährt uns steten Frieden, das tut uns Recken Not:
Uns sind von euren Degen viel der leiben Freunde tot.” (316)
 
 
Geheilt von seinen Wunden war Lüdegast in der Zeit,
Der Vogt der Sachsen mochte genesen wohl vom Streit.
Etliche Tote ließen sie im Land.
Da ging der König Gunter hin wo er Siegfrieden fand. (317)
 
 
Er sprach zu dem Recken: “Nun rate, wie ich tu:
Unsre Gäste wollen reiten morgen fruh;
Sie wünschen stete Sühne mit mir und meinem Bann:
Nun rate, Degen Siegfried, was dich dünke wohlgetan. (318)
 
 
Wes sich die Herrn getrösten, das will ich dir sagen:
Was fünfhundert Mähren an Golde mögen tragen,
Das bieten sie mir gerne für ihre Freiheit an.”
Da sprach aber Siegfried: “Ihr tätet übel daran. (319)
 
 
Ihr sollt sie ungehindert von hinnen lassen fahren;
Nur dass die edeln Recken fürder sich bewahren
Vor feindlichem Reiten her in euer Land,
Lasst euch zum Pfande geben der beiden Könige Hand.” (320)
 
 
“Dem Rate will ich folgen, sie ziehn damit hindann.”
Da ward es seinen Feinden beiden kundgetan,
Ihr Gold begehrte niemand, das sie geboten eh.
Daheim den lieben Freunden war nach den Heermüden weh. (321)
 
 
Viel Schilde Schatz beladen trug man da herbei:
Das teilt' er ungewogen seinen Freunden frei,
An fünfhundert Marken oder gar noch mehr;
Gernot riet es Gunthern, dieser Degen kühn und hehr. (322)
 
 
Da baten sie um Urlaub, sie wollten nun von dann.
Die Gäste gingen alle vor Kriemhild heran,
Und dahin auch wo Frau Ute saß, die Königin.
Es zogen nie mehr Degen so wohl beurlaubt dahin. (323)
 
 
Die Herbergen leerten sich, als sie von dannen ritten;
Doch verblieb im Lande mit herrlichen Sitten
Der König mit den Seinen und mancher edle Mann:
Die gingen alle Tage zu Kriemhilden heran. (324)
 
 
Da wollt auch Urlaub nehmen Siegfried der gute Held,
Verzweifelnd zu erwerben, worauf sein Sinn gestellt.
Der König hörte sagen, er wolle nun von dann:
Geiselher der junge ihn von der Reise gewann. (325)
 
 
“Wohin, edler Siegfried, wohin reitet ihr?
Höret meine Bitte, bleibt bei den Recken hier,
Bei Gunther dem Könige und bei seinem Lehn:
Hier sind viel schöne Frauen, die lässt man euch gerne sehn.” (326)
 
 
Da sprach der starke Siegfried: “So lasst die Rosse stehn.
Von hinnen wollt ich reiten, das lass ich mir vergehn;
Tragt auch hinweg die Schilde: wohl wollt ich in mein Land;
Davon hat mich Herr Geiselher wohl mit Ehren gewandt.” (327)
 
 
So blieb durch Freundes Liebe noch der kühne Held;
Auch wär ihm wohl nimmer irgend in der Welt
So wohl als hier geworden: daher es nun geschah,
Dass er alle Tage die schöne Kriemhilde sah. (328)
 
 
Ihrer hohen Schönheit willen der Degen da verblieb.
Mit mancher Kurzweile man nun die Zeit vertrieb;
Nur zwang ihn ihre Minne, die schuf ihm oftmals Not,
Darum hernach der Kühne lag zu großem Jammer tot. (329)
 

6. Abenteuer
Wie Gunther um Brunhilde warb

 
Wieder neue Märe erhob sich über Rhein:
Man sagte sich da wäre manches Mägdelein.
Sich eins davon zu werben sann König Gunthers Mut
Das däuchte seine Recken und die Herren alle gut. (330)
 
 
Es war eine Königstochter gesessen überm Meer,
Ihr zu vergleichen war keine andre mehr.
Schön war sie aus der Maßen, gar groß war ihre Kraft;
Sie schoss mit schnellen Degen um ihre Minne den Schaft. (331)
 
 
Den Stein warf sie ferne, nach dem sie weithin sprang;
Wer ihrer Minne gehrte, der musste sonder Wank
Drei Spiel ihr abgewinnen, der Frauen wohlgeboren;
Gebrach es ihm an einem, so war das Haupt ihm verloren (332)
 
 
Das hatte die Jungfrau gar manches Mal getan.
Das erfuhr am Rheine ein Ritter wohlgetan,
Der seine Sinne wandte auf das schöne Weib.
Drum mussten bald viele Degen verlieren Leben und Leib. (333)
 
 
* Als einst mit seinen Leuten saß der König hehr,
Ward es von allen Seiten beraten hin und her,
Welche ihr Herre sollte zum Weibe sich ersehn,
Die er zur Frauen wollte, und dem Lande möchte wohl anstehn. (334)
 
 
Da sprach der Vogt vom Rheine: “Ich will an die See
Hin zu Brunhilden, wie es mir ergeh.
Ich will um ihre Minne verwagen meinen Leib,
Und den will ich verlieren, gewinn ich sie nicht zum Weib.” (335)
 
 
“Das will ich widerraten,” hub Siegfried an und sprach,
“Es lebt so grimmer Sitte die Königstochter nach,
Wer wirbt um ihre Minne, dem kommt es hoch zu stehn:
Drum mögt ihrs wohl entraten auf diese Reise zu gehn.” (336)
 
 
* Da sprach der König Gunther: “Nie wurde noch ein Weib
So stark und kühn geboren, dass ich nicht ihren Leib
Im Streit bezwingen wollte allein mit meiner Hand.”
“Schweiget,” sprach da Siegfried, “euch ist die Frau nicht bekannt: (337)
 
 
* Und wären Eurer Viere, die könnten nicht gedeihn
Vor ihren starken Kräften: drum lasst den Willen sein,
Das rat ich euch in Treuen: Entgeht ihr gern dem Tod,
So macht um ihre Minne euch nicht vergebliche Not.” (338)
 
 
* “Sei sie so stark sie wolle, die Reise muss ergehn
Hin zu Brunhilden, mag mir was will geschehn;
Ihrer hohen Schönheit willen muss es gewaget sein;
Vielleicht dass Gott vergönnet, dass sie mir folgt an den Rhein.” (339)
 
 
“So höret was ich rate,” begann da Hagen,
“Ihr bittet Siegfrieden mit euch zu wagen
Die fährliche Reise; das ist der beste Rat,
Weil er von Brunhilden so gute Kunde doch hat.” (340)
 
 
Er sprach: “Viel edler Siegfried, willst du mein Helfer sein
Zu werben um die Schöne? Tu nach der Bitte mein;
Und gewinn ich mir zur Trauten das minnigliche Weib,
So verwag ich deinetwillen Ehre, Leben und Leib.” (341)
 
 
Da versetzte Siegfried, Siegmundens Sohn:
“Ich will es tun, versprichst du die Schwester mir zum Lohn,
Die schöne Kriemhilde, eine Königin hehr;
So begehr ich keines Lohnes nach meinen Arbeiten mehr.” (342)
 
 
“Das gelob ich,” sprach da Gunther, “Siegfried, an deine Hand.
Und kommt die schöne Brunhild hieher in dieses Land,
So will ich dir zum Weibe meine Schwester geben:
So magst du mit der Schönen immer in Freuden leben.” (343)
 
 
Des schwuren sie sich Eide, die Ritter kühn und hehr,
Ihnen schuf es in der Ferne der Sorgen desto mehr,
Ehe sie die Fraue brachten an den Rhein;
Drob mussten die Kühnen bald in großen Nöten sein (344)
 
 
* Von wilden Gezwergen hört ich Märe sagen,
Dass sie in hohlen Bergen wohnen und Schirme tragen,
Die heißen Tarnkappen, von wunderbarer Art:
Wer sie am Leibe trage, der sei gar wohl darin bewahrt (345)
 
 
* Vor Schlägen und vor Stichen; ihn mög auch niemand sehn
So lang er drin verweile; hören doch und spähn
Mag er nach seinem Willen, dass niemand sein gewahrt;
Ihm wachsen auch die Kräfte, wie uns die Märe offenbart. (346)
 
 
Der Herre Siegfried führte die Tarnkappe mit,
Die der kühne Degen mit Sorgen einst erstritt
Von dem starken Zwerge mit Namen Alberich;
Da schickten sich zur Reise Recken kühn und ritterlich. (347)
 
 
Wenn der starke Siegfried die Tarnkappe trug,
So gewann er drinnen der Kräfte genug,
Zwölf Männer Stärke zu der im eignen Leib;
Er erwarb mit großen Listen dieses herrliche Weib. (348)
 
 
Auch war so beschaffen die Nebelkappe gut,
Ein Jeder mochte drinnen tun nach seinem Mut
Was er immer wollte, dass ihn noch niemand sah.
Damit gewann er Brunhild, durch die ihm bald viel Leid geschah. (349)
 
 
“Nun sag mir, Degen Siegfried, eh meine Fahrt gescheh,
Wie wir mit vollen Ehren kommen an die See?
Sollen wir Recken führen in Brunhildens Land?
Dreißigtausend Degen, die werden eilends besandt.” (350)
 
 
* “Wie viel wir Volkes führten,” Siegfried widersprach,
“Es lebt so grimmer Sitte die Königin nach,
Das müsste doch ersterben vor ihrem Übermut.
Ich will euch besser raten, Degen ihr kühn und gut. (351)
 
 
* “In Reckenweise fahren wir zu Tal den Rhein.
Die will ich dir nennen, die das sollen sein:
Wir fahren selbvierte nieder an die See,
Die Frau zu erwerben, was uns hernach auch gescheh. (352)
 
 
“Der Gesellen bin ich einer, du sollst der andre sein,
Und Hagen sei der dritte; wir mögen wohl gedeihn:
Der vierte das sei Dankwart, dieser kühne Mann:
Es dürfen andrer tausend zum Streite nimmer uns nahn.” (353)
 
 
“Die Märe wüsst ich gerne,” der König sprach da so,
“Eh wir von hinnen führen (des wär ich herzlich froh),
Was wir für Kleider sollten vor Brunhilden tragen,
Die uns geziemen möchten: Siegfried, das sollst du mir sagen.” (354)
 
 
“Die allerbesten Kleider, die man irgend fand,
Trägt man zu allen Zeiten in Brunhildens Land:
Drum lasst uns reiche Kleider vor der Frauen tragen,
Dass wir nicht Schande haben, hört man künftig von uns sagen.” (355)
 
 
* Da sprach der gute Degen: “So geh ich selber dann
Zu meiner lieben Mutter, ob ichs erbitten kann,
Dass uns Gewand bereite der schönen Mägdlein Hand,
So wir mit Ehren tragen in der hehren Jungfrau Land.” (356)
 
 
* Da sprach von Tronje Hagen mit herrlichen Sitten:
“Was wollt ihr eure Mutter um solche Dienste bitten?
Lasst eure Schwester hören was euer Sinn begehrt,
So werden ihre Dienste zu dieser Hoffahrt euch gewährt.” (357)
 
 
Da entbot er seiner Schwester, er wolle sie sehn,
Und auch der Degen Siegfried. Bevor das war geschehn,
Da hatte sich die Schöne geschmückt mit reichem Kleid:
Dass die Herren kamen schuf ihr wenig Herzeleid. (358)
 
 
Da war auch ihr Gesinde geschmückt nach seinem Stand.
Die Fürsten kamen beide; kaum war es ihr bekannt,
Da erhob sie sich vom Sitze: wie züchtig sie da ging,
Als sie den edeln Fremdling und ihren Bruder empfing. (359)
 
 
“Sei willkommen, Bruder und der Geselle dein.
Nun möcht ich gerne hören,” sprach das Mägdelein,
“Was euch Herrn geliebet, dass ihr zu Hofe kommt:
Nun lasst mich bald erfahren, was euch edeln Recken frommt.” (360)
 
 
Da sprach der König Gunther: “Frau, ich wills euch sagen.
Wir müssen große Sorge bei hohem Mute tragen:
Wir wollen werben reiten fern in fremdes Land,
Und möchten zu der Reise haben zierlich Gewand.” (361)
 
 
“Nun sitzet, lieber Bruder,” sprach das Königskind,
“Und lasst mich erst erfahren, wer die Frauen sind,
Die ihr gedenkt zu minnen in fremder Könge Land?”
Die Auserwählten beide nahm die Fraue bei der Hand; (362)
 
 
Da ging sie mit den beiden hin, wo sie eben saß,
Zu einem reichen Polster, wohl vernahm ich das,
Gewirkt mit guten Bildern, in Golde wohl erhaben:
Sie mochten bei den Frauen gute Kurzweile haben. (363)
 
 
Freundliche Blicke und gütliches Sehn,
Das mochte von den beiden viel hin und her geschehn.
Er trug sie in dem Herzen, sie war ihm wie sein Leib;
Bald ward die schöne Kriemhild des kühnen Siegfriedes Weib. (364)
 
 
* Da sprach der reiche König: “Viel liebe Schwester mein,
Ohne eine Hilfe kann es nimmer sein:
Wir wollen abenteuern in Brunhildens Land,
Da müssen wir vor Frauen tragen herrlich Gewand.” (365)
 
 
* Da sprach die Jungfraue: “Viel lieber Bruder mein,
Kann euch an meiner Hilfe dabei gelegen sein,
So sollt ihr inne werden, dass ich dazu bereit,
Und tus mit gutem Willen,” sprach die wonnigliche Maid. (366)
 
 
* Ihr sollt mich, edler Ritter, nicht in Sorgen bitten,
Ihr sollt mir gebieten mit herrlichen Sitten;
Was euch von mir gefalle, ich bin dazu bereit,
Und tus mit gutem Willen,” sprach die wonnigliche Maid. (367)
 
 
* “Wir wollen, liebe Schwester, tragen gut Gewand:
Das soll uns schaffen helfen eure edle Hand.
Lasst eure Mägdlein sorgen, dass es uns herrlich steht,
Da man uns diese Reise doch vergebens widerrät.” (368)
 
 
Da sprach die Jungfraue: “Nun merkt die Rede mein:
Wir haben selber Seide: nun schafft, dass man Gestein
Uns auf den Schilden bringe, so wirken wir das Kleid.”
Dazu war König Gunther und Siegfried gerne bereit. (369)
 
 
“Wer sind die Gesellen,” sprach die Königin,
“Die mit euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?”
Er sprach: “Unser Viere. Zwei aus meinem Lehn,
Dankwart und Hagen, sollen mit mir zu Hofe gehn. (370)
 
 
“Nun sollt ihr wohl behalten, was ich euch, Fraue, sage:
Schafft, dass ich selbvierter zu vier Tagen trage
Je der Kleider dreierlei, und also gut Gewand,
Dass wir ohne Schande räumen Brunhildens Land.” (371)
 
 
Mit gutem Urlaub gingen die beiden Herren hin.
Da berief die Jungfraun die schöne Königin
Aus ihrer Kemenate dreißig Mägdelein,
Die gar sinnreich mochten zu solchen Übungen sein. (372)
 
 
In arabische Seide, so weiß als der Schnee,
Und gute Zazamanker, so grün als der Klee,
Legten sie Gesteine: das gab ein gut Gewand;
Die hehre Kriemhilde schnitts mit eigener Hand. (373)
 
 
Von fremder Fische Häuten Bezüge wohlgetan;
Die zu schauen fremde waren jedermann,
Bedeckten sie mit Seide, die sie sollten tragen;
Nun höret große Wunder von dem lichten Staate sagen: (374)
 
 
Aus dem Land Marokko und auch von Libya
Der allerbesten Seide, die man jemals sah
Bei königlichem Stamme, besaßen sie genug:
Wohl ließ Kriemhilde schauen, dass sie Sorge für sie trug. (375)
 
 
Weil sie zu ihrer Reise so hohe Tracht begehrt,
Des Hermelines Felle, die däuchten sie viel wert,
Darob von Kohlenschwärze mancher Flecken lag:
Das trügen schnelle Helden noch gern bei einem Hofgelag. (376)
 
 
Aus arabischem Golde glänzte mancher Stein;
Der Frauen Unmuße war nicht zu klein.
Sie schufen die Gewande in sieben Wochen Zeit;
Da war auch Gewaffen den guten Recken bereit. (377)
 
 
Da sie bereit waren, da war auch auf dem Rhein
Gleißiglich gezimmert ein starkes Schifflein,
Das sie tragen sollte hinunter an die See:
Den edeln Jungfrauen war von vieler Arbeit weh. (378)
 
 
* Da sagte man den Recken, es sei für sie zur Hand,
Womit sie reisen sollten, das zierliche Gewand.
Alles was sie wünschten, das war nun geschehn;
Da wollten sie nicht länger mehr an dem Rheine bestehn. (379)
 
 
Zu den Heergesellen ein Bote war gesandt,
Ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,
Ob es den Helden wäre zu kurz oder zu lang;
Es war von rechtem Maße; des sagten sie den Frauen Dank. (380)
 
 
* Vor wen sie immer kamen, die mussten all gestehn,
Sie hätten nie auf Erden besser Gewand gesehn.
Drum mochten es die Helden zu Hofe gerne tragen:
Von besserm Ritterstaate wusste niemand mehr zu sagen. (381)
 
 
Wohl ward den schönen Maiden großer Dank gesagt.
Da baten um den Urlaub die Recken unverzagt;
In ritterlichen Züchten taten die Herren das.
Da wurden lichte Augen trüb von Weinen und nass. (382)
 
 
Sie sprach: “Viel lieber Bruder, ihr bliebet besser hier
Und würbet andre Frauen; das schiene klüger mir;
Wo ihr nicht wagen müsstet das Leben und den Leib.
Ihr findet in der Nähe wohl ein so hoch geboren Weib.” (383)
 
 
Dass ihnen Leid hier sprieße, das Herz tats ihnen kund.
Sie mussten alle weinen, was reden mocht ein Mund.
Das Gold vor ihren Brüsten ward von Tränen fahl:
Die fielen ihnen dichte von den Augen zu Tal. (384)
 
 
Da sprach sie: “Herr Siegfried, lasst euch befohlen sein
Auf Treue und auf Gnade den lieben Bruder mein,
Auf dass ihn nichts gefährde in Brunhildens Land.”
Das versprach der Kühne Frau Kriemhilden in die Hand. (385)
 
 
Da sprach der reiche Degen: “So lang mein Leben währt
Seit seintwegen, Fraue, von Sorgen unbeschwert.
Ich bring ihn euch geborgen wieder an den Rhein:
Das dürft ihr sicher glauben.” Da dankt' ihm schön das Mägdelein. (386)
 
 
Die goldfarbnen Schilde trug man an den Strand,
Und brachte zu dem Schiffe all ihr Rüstgewand;
Ihre Rosse ließ man bringen; sie wollten nun hindann.
Alsbald von schönen Frauen großes Weinen begann. (387)
 
 
Da stand in den Fenstern manch minnigliches Kind;
Das Schiff mit seinem Segel ergriff ein hoher Wind.
Die stolzen Heergesellen saßen auf dem Rhein;
Da sprach der König Gunther: “Wer soll nun Schiffmeister sein?” (388)
 
 
“Ich will es sein,” sprach Siegfried, “ich kann euch auf der Flut
Wohl von binnen führen, das wisset, Helden gut;
Die rechten Wasserstraßen, die sind mir wohl bekannt.”
So schieden sie fröhlich aus der Burgonden Land. (389)
 
 
Eine Ruderstange Siegfried bald gewann:
Vom Gestad zu schieben fing er kräftig an.
Gunther der Kühne ein Ruder selber nahm.
Da huben sich vom Lande die schnellen Ritter lobesam. (390)
 
 
Sie führten reiche Speise, dazu guten Wein,
Den besten, den sie finden mochten um den Rhein.
Die Rosse standen eben; sie hatten gute Ruh.
Das Schifflein auch ging eben: wenig Leid stieß ihnen zu. (391)
 
 
Ihre starken Segelseile wurden angestrengt:
Sie fuhren zwanzig Meilen, eh sich der Tag gesenkt,
Mit einem guten Winde nieder nach der See:
Ihr starkes Arbeiten tat noch schönen Frauen weh. (392)
 
 
An dem zwölften Morgen, wie wir hören sagen,
Da hatten sie die Winde weit hinweg getragen
Nach Isenstein der Veste in Brunhildens Land.
Das war der Degen keinem als Siegfrieden nur bekannt. (393)
 
 
Als der König Gunther so viel der Burgen sah
Und auch der weiten Marken, wie balde sprach er da:
“Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euch das bekannt?
Wem sind diese Burgen und alle das herrliche Land? (394)
 
 
* “Ich hab in meinem Leben, das muss ich wohl gestehn,
So wohl gebauter Burgen nie so viel gesehn,
In irgend einem Lande, als wir hier ersahn:
Der sie erbauen konnte war wohl ein mächtiger Mann.” (395)
 
 
Antwort gab ihm Siegfried: “Es ist mir wohl bekannt;
Es ist Brunhilden beides, die Burgen wie das Land,
Und Isenstein die Veste, glaubt mir fürwahr:
Da mögt ihr heute schauen schöner Frauen große Schar. (396)
 
 
“Ich will euch Helden raten: Seid all von einem Mut
Und sprecht in gleichem Sinne, so dünkt es mich gut;
Wenn wir nun heute vor Brunhilden gehn,
So müssen wir mit Sorgen vor der Königstochter stehn. (397)
 
 
“Wenn wir die Minnigliche bei ihren Leuten sehn,
Sollt ihr, erlauchte Helden, nur einer Rede stehn:
Gunther sei mein Herre und ich sein Untertan;
So wird ihm sein Verlangen nach seinem Wunsche getan.” (398)
 
 
Sie waren all willfährig zu tun wie er sie hieß,
In seinem Übermute es auch nicht einer ließ,
Sie sprachen, wie er wollte; wohl frommt' es ihnen da,
Als der König Gunther die schöne Brunhilde sah. (399)
 
 
* “Wohl tu ichs nicht so gerne um den Willen dein,
Als um deine Schwester, das schöne Mägdelein:
Die ist mir wie die Seele und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen, dass sie werde mein Weib.” (400)
 

7. Abenteuer
Wie Gunther Brunhilden gewann

 
Ihr Schifflein unterdessen war auf der Wogenflut
Zur Burg heran geschwommen; da sah der König gut
Oben in den Fenstern manche schöne Maid;
Dass er sie nicht erkannte, das war in Wahrheit ihm leid. (401)
 
 
Er fragte Siegfrieden, den Gesellen sein:
“Hättet ihr wohl Kunde um diese Mägdelein,
Die droben nach uns schauen hernieder auf die Flut?
Wie ihr Herr auch heiße, es sind Frauen hochgemut.” (402)
 
 
Da sprach der Herre Siegfried: “Nun sollt ihr heimlich spähn
Nach den Jungfrauen, und sollt mir dann gestehen
Welche ihr nehmen wolltet, wär euch die Wahl verliehn.”
“Das will ich,” sprach da Gunther, dieser Ritter schnell und kühn. (403)
 
 
“So schau ich ihrer eine in jenem Fenster an,
Im Schneeweißen Kleide, die ist so wohlgetan:
Die wählen meine Augen um ihren schönen Leib;
Wenn ich gebieten dürfte, sie müsste werden mein Weib.” (404)
 
 
“Dir hat recht erkoren deiner Augen Schein:
Es ist die edle Brunhild, das schöne Mägdelein,
Nach der dein Herze ringet, dein Sinn und auch dein Mut.”
Ihre Gebärden alle däuchten König Gunthern gut. (405)
 
 
Da hieß die Königstochter von den Fenstern gehn
Ihre herrlichen Maide: Sie sollten nicht da stehn
Zum Anblick für die Fremden; sie folgten unverwandt.
Was da die Frauen taten, das ist uns auch wohl bekannt. (406)
 
 
Sie zierten den fremden Gästen sich entgegen
Wie zu allen Zeiten schöne Frauen pflegen:
Dann an die Fensterscharten traten sie heran,
Dass sie die Helden sähen: Das war aus Neugier getan. (407)
 
 
* Nicht mehr als Viere waren, die kamen in das Land.
Siegfried der kühne ein Ross zog auf den Strand.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen an:
Große Ehre däuchte sich König Gunther getan. (408)
 
 
* Er hielt ihm bei dem Zaune das zierliche Ross,
Das war gut und stattlich, stark dazu und groß,
Bis der König Gunther fest im Sattel saß.
Also dient' ihm Siegfried, was er doch später ganz vergaß. (409)
 
 
* Da zog er auch das seine aus dem Schiff heran;
Er hatte solche Dienste gar selten sonst getan.
Dass er am Stegreif Helden je gestanden wär.
Das sahen durch die Fenster diese schönen Frauen hehr. (410)
 
 
Es war in gleicher Weise den Degen allbereit
Von schneeblanker Farbe das Ross und auch das Kleid,
Dem einen wie dem andern, und schön der Schilder Rand:
Die warfen hellen Schimmer an der edeln Recken Hand. (411)
 
 
So ritten sie herrlich vor Brunhildens Saal,
Ihre Sättel wohl gesteinet, die Brustriemen schmal;
Daran hingen Schellen von lichtem Golde rot:
Sie kamen zu dem Lande wie ihre Tugend gebot. (412)
 
 
* Mit Speeren wohl geschliffen, mit Schwertern wohlgetan,
Die reichten den Kühnen bis zum Sporn hinan.
Die Wohlgemuten führten ihn scharf genug und breit:
Das alles sah Brunhilde, die viel herrliche Maid. (413)
 
 
Mit ihm kam da Dankwart und der Degen Hagen:
Diese Ritter trugen, wie wir hören sagen,
Von rabenschwarzer Farbe ein reich gewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde, gut, dazu auch lang und breit. (414)
 
 
Von India dem Lande trugen sie Gestein,
Das warf an ihrem Kleide auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet das Schifflein bei der Flut.
So ritten nach der Veste diese Heldenkühn und gut. (415)
 
 
Sechsundachtzig Türme sahn sie darin zumal,
Drei weite Pfalzen und einen schönen Saal
Von edelm Marmelsteine so grün als wie das Gras,
Darin Brunhilde selber mit ihrem Ingesinde saß. (416)
 
 
Die Burg war erschlossen, weithin aufgetan;
Entgegen liefen ihnen die in Brunhilds Bann,
Die Gäste zu empfangen in ihrer Herrin Land.
Die Rosse nahm man ihnen und die Schilde von der Hand. (417)
 
 
Da sprach der Kämmrer einer: “Gebt uns euer Schwert
Und die lichten Panzer.” “Das wird euch nicht gewährt,”
Sprach von Tronje Hagen, “wir wollens selber tragen.”
Da begann ihm Siegfried von des Hofs Gebrauch zu sagen: (418)
 
 
“In dieser Burg ist Sitte, das will ich euch sagen,
Dass die Gäste nimmer Waffen sollen tragen:
Lasst sie von hinnen bringen, das ist wohl getan.”
Ihm folgte wider Willen Hagen, König Gunthers Mann. (419)
 
 
Man ließ den Gästen schänken und schaffen gute Ruh.
Manchen schnellen Recken sah man dem Hofe zu
Allenthalben gehen in fürstlichem Gewand:
Doch wurden nach den Kühnen rings her die Blicke gesandt. (420)
 
 
* Da wurden auch Brunhilden gesagt die Mären,
Dass unbekannte Recken gekommen wären
In herrlichem Gewande geflossen auf der Flut;
Darob begann zu fragen diese Jungfrau schön und gut: (421)
 
 
“Ihr sollt mich wissen lassen,” sprach das Königskind,
“Wer die unbekannten Recken dorten sind,
Die ich stehen sehe so herrlich und hehr,
Und wem zu Leib die Helden wohl gefahren sind hieher.” (422)
 
 
Des Gesindes sprach da einer: “Frau, ich muss gestehn,
Dass ich ihrer keinen je zuvor gesehn;
Doch einer ist darunter, der Siegfrieds Weise hat:
Den sollt ihr wohl empfangen; das ist, Herrin, mein Rat. (423)
 
 
* Der andre der Gesellen, gar löblich dünkt er mich;
Wenn er die Macht besäße, zum König ziemt' er sich
Ob weiten Fürstenlanden; die mag er wohl versehn.
Man sieht ihn bei den andern dort so recht herrlich stehn. (424)
 
 
* Der dritte der Gesellen, der ist von grimmem Sinn,
Doch auch von schönem Wuchse, reiche Königin.
Die Blicke sind geschwinde, deren so viel er tut:
Er hat in seinem Sinne, ich wähne, grimmigen Mut. (425)
 
 
* Der Jüngste darunter, gar löblich dünkt er mich,
Man sieht den reichen Degen so recht minniglich
In jungfräulicher Sitte und edler Haltung stehn:
Wir müsstens alle fürchten, wär ihm ein Leid hier geschehn. (426)
 
 
* So freundlich er gebahre, so wohlgetan sein Leib.
Er brächte doch zum Weinen manch waidliches Weib,
Wenn er begann zu zürnen: sein Wuchs ist wohl so gut,
Er ist an allen Tugenden ein Ritter kühn und wohlgemut.” (427)
 
 
Da sprach die Königstochter: “Nun bringt mir mein Gewand:
Und ist der starke Siegfried gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen, es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht ihn nicht so heftig, dass ich würde sein Weib. (428)
 
 
Brunhild die schöne trug bald erlesen Kleid.
Da ging an ihrer Seite manche schöne Maid,
Wohl hundert oder drüber; geziert war ihr Leib:
Die Gäste wollte schauen manches waidliche Weib. (429)
 
 
Mit ihnen gingen Degen und Isenland,
Brunhildens Recken, die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber; das war den Gästen leid.
Aufstanden von den Sitzen die kühnen Helden allbereit. (430)
 
 
Als die Königstochter Siegfrieden sah,
Wohl gezogen sprach sie zu dem Gaste da:
“Willkommen sied, Herr Siegfried, hier in diesem Land.
Was meinet eure Reise? Das macht mir, bitt ich, bekannt.” (431)
 
 
“Viel Dank muss ich euch sagen, Frau Brunhild,
Dass ihr geruht mich grüßen, Fürstentochter mild,
Vor diesem edeln Recken, der hier vor mir steht;
Denn er ist mein Herre: der Ehre Siegfried wohl enträt. (432)
 
 
Er ist am Rheine König, was soll ich sagen mehr?
Nur um deinetwillen fuhren wir hierher.
Er will dich gerne minnen, was ihm geschehen mag.
Nun bedenke dich bei Zeiten: Mein Herr lässt nimmermehr nach. (433)
 
 
Er ist geheißen Gunther, ein König reich und hehr;
Erwirbt er deine Minne, nichts weiter wünscht er mehr.
Mit ihm bin ich gefahren in dieses Land um dich!
Wenn er mein Herr nicht wäre, so ließ ich es sicherlich.” (434)
 
 
Sie sprach: “Ist er dein Herre, stehst du in seinem Lehn,
Kann er, die ich erteile, meine Spiele dann bestehn
Und bleibt darin der Meister, so wird ich sein Weib:
Gewinn ich aber eines, es geht euch allen an den Leib.” (435)
 
 
Da sprach der Tronje Hagen: “Nun zeigt uns, Königin,
Was ihr für Spiel' erteilet. Eh euch den Gewinn
Mein Herre Gunther ließe, so müsst es übel sein:
Er getraut wohl zu erwerben ein so schönes Mägdelein.” (436)
 
 
“Den Stein soll er werfen und springen darnach,
Den Speer mit mir schießen: Drum sei euch nicht zu jach.
Ihr könnt hier leicht verlieren die Ehr und auch den Leib:
Das geb ich zu bedenken,” sprach das minnigliche Weib. (437)
 
 
Siegfried der schnelle ging vor den König hin
Und bat ihn frei zu reden mit der Königin
Ganz nach seinem Willen; angstlos soll' ersein:
“Ich will dich wohl beschützen vor ihr mit den Listen mein.” (438)
 
 
Da sprach der König Gunther: “Königstochter hehr:
Erteilt mir was ihr wollet und wär es auch noch mehr,
Das beständ ich alles um euern schönen Leib:
Mein Haupt will ich verlieren, so ihr nicht werdet mein Weib.” (439)
 
 
Als da seine Rede vernahm die Königin,
Bat sie, wie ihr geziemte, das Spiel nicht zu verziehn.
Sie ließ sich zum Streite bringen ihr Gewand,
Einen goldnen Panzer und einen gutes Schildesrand. (440)
 
 
Ein Waffenhemd von Seide zog sich an die Maid,
Das konnte keine Waffe verletzen je im Streit,
Von Zeugen wohl geschaffen aus Libya dem Land:
Lichtgewirkte Borten ergänzten an seinem Rand. (441)
 
 
Derweilen hatt ihr Übermut den Gästen schwer bedräut:
Dankwart und Hagen die standen unerfreut;
Wie es dem Herrn erginge besorgte sehr ihr Mut;
Sie dachten: “Unsre Reise bekommt uns Recken nicht gut.” (442)
 
 
Derweilen war auch Siegfried, der waidliche Mann,
An das Schiff gegangen, eh wer darüber sann,
Wo er die Tarnkappe verborgen liegen fand,
In die er hurtig schlüpfte; da ward er niemand bekannt. (443)
 
 
Er eilte bald zurücke, da sah er Recken viel;
Es ordnete die Königin allda ihr hohes Spiel.
Er ging hinzu verstohlen und dass ihn niemand sah
Von allen die da waren; gar listiglich das geschah. (444)
 
 
Es war ein Kreis gezogen, wo das Spiel geschehn
Vor kühnen Recken sollte, die es wollten sehn.
Wohl an siebenhundert sah man Waffen tragen:
Wer den Sieg errungen, das sollten sie nach Wahrheit sagen. (445)
 
 
Da war Brunhild gekommen, die man gewaffnet fand,
Als ob sie streiten wolle nun aller Könge Land.
Wohl trug sie auf der Seide der Stäblein viel von Gold;
Ihre lichte Farbe glänzte darunter hold. (446)
 
 
Nun kam ihr Gesinde, das trug an der Hand
Aus allrotem Golde einen Schildesrand
Mit hartem Stahlbeschlage, mächtig groß und breit,
Worunter spielen wollte diese minnigliche Maid. (447)
 
 
An einer edeln Borte ward ihr Schild getragen,
Darauf Edelsteine, wie Gras so grüne, lagen;
Die warfen mannigfaltig Gefunkel auf das Gold.
Der bedurfte große Kühnheit, dem die Jungfrau wurde hold. (448)
 
 
Der Schild war untern Buckeln, so hat man uns gesagt,
Von dreier Spannen Dicke; den trug hernach die Magd.
An Stahl und auch an Golde war er reich genug,
Den ihrer Kämmrer einer mit Mühe selbvierter trug. (449)
 
 
Als der Degen Hangen den Schild hertragen sah,
Wie sprach mit gemeinem Mute der Held von Tronje da:
“Wie nun, König Gunther? Wie verlieren wir den Leib?
Die ihr begehrt zu minnen, die ist wohl des Teufels Weib.” (450)
 
 
* Nun hört von den Gewanden, woran sie reich genug:
Von Azagoger Seide einen Wappenrock sie trug,
Der war reich und edel, davon warf hellen Schein
Von der Königstochter gar mancher herrliche Stein. (451)
 
 
Da brachte man der Frauen, schwer und übergroß,
Einen scharfen Wurfspieß, den sie stets verschoss,
Stark und ungefüge, mächtig und breit zumal:
Der hatt an seinen Seiten zwei Schneiden von scharfem Stahl. (452)
 
 
Von des Spießes Schwere höret Wunder sagen:
Viertehalb Stab Eisen war dazu verschlagen.
Ihn trugen kaum dreie von Brunhildens Bann;
Gunther der edle darum zu sorgen begann. (453)
 
 
* Er dacht in seinem Sinne: Was soll dieses sein?
Der Teufel aus der Hölle, wie könnt er hier gedeihn?
Wenn ich lebend wieder in Burgonden wär,
Ihr schüfe meine Minne wohl selten große Beschwer. (454)
 
 
* Er hatt in seinen Sorgen, das wisset, Leid genug.
All sein Kampfgeräte man ihm zur Stelle trug:
Bald stand der reiche König in seiner Waffen Hut;
Vor Leide hatte Hagen fast gar verloren den Mut. (455)
 
 
Da sprach Hagens Bruder, der kühne Dankwart:
“Mich reuet in der Seele diese Hofesfahrt.
Die immer Recken hießen, wie verlieren wir den Leib!
Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib? (456)
 
 
Des bin ich sehr verdrossen, dass ich kam in dieses Land.
Hätte Bruder Hagen seine Waffen an der Hand
Und auch ich die meinen, so sollten sich in Hut
Brunhildens Recken nehmen mit all ihrem Übermut. (457)
 
 
* “Sie sollten sich bescheiden, das glaubet mir nur;
Hätt ich den Frieden tausendmal bestärkt mit einem Schwur,
Bevor ich sterben sähe den lieben Herren mein,
Das Leben müsste lassen dieses schöne Mägdelein.” (458)
 
 
“Wir möchten ungefangen wohl räumen dieses Land,”
Sprach sein Bruder Hagen, “hätten wir das Gewand,
Das wir zum Streit bedürften und die Schwerter gut,
So sollte sich wohl geben der schönen Fraue Übermut.” (459)
 
 
Wohl hörte was er sagte die Fraue wohlgetan;
Sie sah ihn über Achsel lachenden Mundes an.
“Nun er so kühn sich dünket, so bringt doch ihr Gewand,
Ihre scharfen Waffen gebt den Degen an die Hand. (460)
 
 
* “Es kümmert mich so wenig, ob sie gewaffnet sind,
Als ob sie bloß da stünden,” so sprach das Königskind.
“Ich fürchte niemands Stärke, den ich noch je gekannt;
Ich mag auch wohl genesen im Streite vor des Königs Hand.” (461)
 
 
Als sie die Schwerter hatten, nach der Maid Gebot,
Dankwart der kühne ward vor Freuden rot.
“Nun spielet, was ihr wollet,” so sprach der Degen wert,
“Gunther ist unbezwungen, wir haben wieder unser Schwert.” (462)
 
 
Brunhildens Stärke zeigte sich nicht klein:
Man trug ihr zu dem Kreise einen schweren Stein,
Groß und ungeheuer, rund und stark und breit.
Ihn trugen kaum Zwölfe dieser Degen kühn im Streit. (463)
 
 
Den warf sie allerwegen, wie sie den Spieß verschoss.
Darüber war die Sorge der Burgonden groß.
“Wen will der König werben?”, sprach Herr Hagen laut:
“Sie mag wohl in der Hölle sein des bösen Teufels Braut.” (464)
 
 
An ihre weißen Arme sie die Ärmel wand,
Sie begann zu fassen den Schild mit der Hand,
Sie schwang den Spieß zur Höhe: da ging es an den Streit.
Die fremden Gäste bangten vor Brunhildens Zorn und Neid. (465)
 
 
Und wär ihm da Siegfried zu Hilfe nicht gekommen,
So hätte sie das Leben Gunthern wohl benommen.
Er nahte sich verstohlen und rührte seine Hand;
Gunther seine Künste mit großen Sorgen befand. (466)
 
 
* “Was hat mich berühret?”, dachte der kühne Mann,
Und wie er um sich blickte, da traf er niemand an.
Er sprach: “Ich bin es, Siegfried, der Geselle dein:
Du sollst mir ohne Sorge vor der Königin sein.” (467)
 
 
Er sprach: “Gib aus den Händen den Schild, lass mich ihn tragen.
Behalte wohl im Sinne, was du mich hörest sagen:
Du habe die Gebärde, ich will das Werk bestehn.”
Als er ihn erkannte, da war ihm Liebes geschehn. (468)
 
 
* “Verhehl auch meine Künste, die darfst du niemand sagen;
So mag die Königstochter wenig Ruhm erjagen
An deinem edeln Leben, worauf ihr sinnt der Mut.
Nun sieh doch, wie so furchtlos vor dir die Königin tut.” (469)
 
 
Da schoss mit großen Kräften die herrliche Maid
Auf einen neuen Schildrand, mächtig und breit,
Den trug an seiner Linken der Siegelinde Kind:
Das Feuer sprang vom Stahle als ob es wehte der Wind. (470)
 
 
Des starken Spießes Schneide den ganzen Schild durchdrang,
Dass das Feuer lohend aus den Ringen sprang.
Von dem Schuss strauchelten die kraftvollen Degen:
War nicht die Tarnkappe, sie wären beide tot erlegen. (471)
 
 
Siegfried dem kühnen vom Munde brach das Blut.
Bald hatt er sich ermannet: da nahm der Degen gut
Den Spieß, den sie geschossen ihm hatte durch den Rand:
Den warf ihr bald zurücke des starken Siegfriedes Hand. (472)
 
 
* Er dacht: “Ich will nicht schießen das schöne Mägdelein.”
Des Spießes Schneide kehrt' er hinter den Rücken sein;
Mit der Speerstange schoss er auf ihr Gewand,
Dass es laut erhallte von seiner kraftreichen Hand. (473)
 
 
Das Feuer stob vom Panzer, als trieb' es der Wind.
Es hatte wohl geschossen König Siegmunds Kind;
Ihr reichten nicht die Kräfte vor solchem Schuss zu stehn:
Das wär von König Gunthern in Wahrheit nimmer geschehn. (474)
 
 
Brunhild die Schöne bald auf die Füße sprang.
“Edler Ritter Gunther, des Schusses habe Dank!”
Sie wähnte noch, er hätt es mit seiner Kraft getan;
Nein, gefället hatte sie ein viel stärkerer Mann. (475)
 
 
Da trat sie hin geschwinde, zornig war ihr Mut,
Den Stein hoch erhob sie, die edle Jungfrau gut;
Sie schwang ihn mit Kräften weithin von der Hand,
Dann sprang sie nach dem Wurfe, dass laut erklang ihr Gewand. (476)
 
 
Der Stein war geflogen zwölf Klafter von dem Schwung:
Die Jungfrau wohl geschaffen erreicht' ihn doch im Sprung.
Hin ging der schnelle Siegfried, wo der Stein nun lag:
Gunther musst ihn wägen, des Wurfs der Verholne plag. (477)
 
 
Siegfried war verwogen, kräftig und lang;
Den Stein warf er ferner, dazu er weiter sprang:
Von seinen schönen Künsten empfing er Kraft genug,
Dass er in dem Sprunge den König Gunther noch trug. (478)
 
 
* Der Sprung, der war ergangen, der Stein lag nun da,
Gunther wars, der Degen, den man einzig sah.
Brunhild die schöne ward vor Zorne rot;
Gewendet hatte Siegfried dem König Gunther den Tod. (479)
 
 
Zu ihrem Ingesinde sprach laut die Fürstin da,
Als sie gesund den Helden an des Kreises Ende sah:
“Ihr meine Freund und Mannen, tretet gleich heran:
Ihr sollt dem König Gunther alle werden untertan.” (480)
 
 
Da legten die Kühnen die Waffen von der Hand,
Und boten sich zu Füßen von Burgondenland
Gunther dem reichen, so mancher kühne Mann:
Sie wähnten all, er hätte das Spiel mit seiner Kraft getan. (481)
 
 
Er grüßte sie gar minniglich: Wohl war er tugendreich.
Da nahm ihn bei den Händen das Mägdlein ohne gleich:
Sie erlaubt' ihm zu gebieten in ihrem ganzen Land;
Da freuten des sich alle die Degen kühn und gewandt. (482)
 
 
Sie bat den edeln Ritter mit ihr zurück zu gehn
Zu dem weiten Saale. Als das war geschehn,
Da bot man den Recken der Dienste desto mehr:
Dankwart und Hagen, die litten es ohne Wehr. (483)
 
 
Siegfried der schnelle weise war genug,
Dass er die Tarnkappe zum Schiffe wieder trug;
Dann ging er zu dem Saale, wo manche Fraue saß,
Und er mit andern Degen alles Leides vergaß. (484)
 
 
* “Was säumet ihr, mein Herre? Was beginnt ihr nicht die Spiel',
Euch will die Königstochter erteilen doch so viel,
Und lasst uns bald erschauen, wie es damit bestellt?”
Als wüsst er nichts von allem, so tat der listige Held. (485)
 
 
* Da sprach die Königstochter: “Wie konnte das geschehn,
Dass ihr nicht habt die Spiele, Herr Siegfried, gesehn,
Worin hier obsiegte König Gunthers Hand?”
Zur Antwort gab ihr Hagen aus der Burgonden Land: (486)
 
 
* Er sprach: “Da habt ihr, Fraue, uns betrübt den Mut:
Da war bei dem Schiffe Siegfried der Degen gut,
Als der Vogt vom Rheine das Spiel euch abgewann;